Ben Ellermann läuft Südafrikas Chris Dry davon. Foto (c) Perlich
Die Oktoberfest 7s 2019 sind Geschichte. Organisatoren, Spieler und Zuschauer zeigten sich nach dem Sieg der Blitzbokke zufrieden. Doch was bedeutet das Turnier für die Entwicklung des deutschen Teams und dem Rugby hierzulande insgesamt?
Es ist ziemlich genau zehn Jahre her - damals im Deutschland-Trikot: Mustafa Güngör, Tim Kasten und ein gewisser Clemens von Grumbkow. Im berühmten Londoner Twickenham Stadium bei den London 7s, Deutschland trat als Gastmannschaft an und einer der Gruppengegner waren die Blitzbokke aus Südafrika. In deren Reihen befand sich mit Vuyo Zangqa einer der damals besten Siebener-Spieler der Welt. Er allein schenkte dem deutschen Team drei Mal ein und am Ende stand ein deftiges 70-0 für die Südafrikaner zu Buche - bis heute die Rekordniederlage bei einem World Series Turnier.
Gestern trafen beide Teams im Olympiastadion München erneut aufeinander, das erste Mal seitdem. Auch aufgrund der Arbeit des ehemaligen Blitzbokke-Star Zangqa und seines damaligen Gegners von Grumbkow, die zwei Jahre lang gemeinsam das deutsche Siebener-Team betreuten, war es dieses Mal ein viel engeres Ergebnis. De facto hatten unsere Jungs die Boks im Oktoberfest-7s-Halbfinale am Rande einer Niederlage. Bei abgelaufener Uhr und dem Spielstand von 12-17 aus deutscher Sicht hatten sich Himmer, Heimpel und Co. bis auf einen Meter an die Südafrika-Linie vorgearbeitet. Doch in diesem Moment fehlte dem Team die nötige Gelassenheit, um eine vorhandene Überzahl auszuspielen und dann noch ein fraglicher Turnover nur einen Schritt vor dem Malfeld.
„Der Turnover war schon sehr glücklich, das hätte auch ein Penalty gegen uns sein können - die Deutschen haben wirklich stark gespielt“ so Selvyn Davids nach dem Spiel. Davids, der in der letzten Saison der fleißigste Punktesammler der Boks auf der World Series war, zeigte sich insgesamt mit dem Event beeindruckt. „Die Begeisterung für Rugby hier ist unerwartet und beeindruckend“ - damit stimmte er in einen Tenor ein, denn fast alle anwesenden Teams waren von der Stimmung und dem Setup in München beeindruckt. „Von der Professionalität her ist das hier absolut World-Series-würdig“, wie Englands Tom Bowen erklärte. Bowen muss es wissen, immerhin hat er selbst schon knapp 200 Spiele bei der Turnier-Serie von World Rugby absolviert.
DRV-Sportdirektor Manuel Wilhelm: "Zunächst einmal ein großes Kompliment an Clemens von Grumbkow der die Mannschaft in der Vorbereitung auf die Oktoberfest 7s und beim Turnier herausragend betreut hat. Die Entwicklung der Mannschaft kann man nur als außerordentlich positiv bezeichnen, wir haben gut funktionierende täglich trainierende Trainingsgruppen in Heidelberg und Hannover, dazu kommt eine gute Mischung aus aus erfahreneren Spielern und jungen Talenten sowie ein kompetentes und motiviertes Trainer- und Betreuerteam. Wir erhoffen uns natürlich vom neuen Bundestrainer neue wichtige impulse, so wie dies auch bei jedem Trainerwechsel davor der fall war und hoffen die positive Entwicklung weiter fortzuschreiben zu können."
Insgesamt 27.500 Zuschauer strömten über die beiden Tage bei den O7s durch die Tore des Olympiastadions. Der Ausfall des letztjährigen Turniers hatte für viel Unmut gesorgt, doch die Fans an diesem Wochenenden genossen das Event sichtlich. Gerade bei den Deutschland-Spielen sorgten die Fans für ohrenbetäubenden Lärm unter dem eleganten Zeltdach der Münchener Arena und die Siebener-Asse vom Wolfpack dankten es ihnen mit großartigen Leistungen. Auch gegen Weltmeister Neuseeland waren unsere Jungs dabei alles andere als chancenlos - nur ein 90-Meter-Konter nach einem unglücklichen Ballverlust verhinderte, die Chance auf eine riesige Sensation.
Für das deutsche Rugby insgesamt ist das Turnier zum Oktoberfest eine große Chance. Die Bewerbung der Münchner Organisatoren auf die Siebener-WM 2022 ist vor wenigen Monaten von World Rugby selbst verkündet worden. Ein derartiges Aushängeschild zu haben, das auch im Land und weltweit Medieninteresse generiert, ist für das Rugby-Entwicklungsland Deutschland ein Luxus. Die Siebener-WM wäre da quasi der Jackpot schlechthin, würde doch World Rugby monatelang die Werbetrommel für München und das deutsche Rugby machen. Noch mehr ausländische Fans würden in die bayerische Landeshauptstadt strömen und nicht zuletzt auch die lokalen Klubs würden profitieren.
Sind doch die Klubs aus München und dem Umland seit Jahren die am stärksten im Land wachsenden. Wie es mit dem Wolfpack weitergeht, ist ebenso klar. Nachdem Clemens von Grumbkow auf Interimsbasis die Mannschaft in den letzten Wochen betreut hat, wird Damian McGrath zusammen mit dem deutschen Rekordnationalspieler von Grumbkow das Team auf die Dubai 7s vorbereiten. Der Engländer kann bereits einige Erfolge vorweisen mit vermeintlichen Underdog-Teams. Kanada coachte McGrath 2017 in Singapur zu ihrem ersten Turniersieg auf der World Series und auch mit Samoa gelangen ihm Turniersiege in der Eliteserie des Siebeners.
McGraths Mission ist klar - im kommenden April das deutsche Team in Hongkong auf die World Series führen. Die Match-Praxis gegen die besten Teams der Welt in München wird den Jungs viel Selbstbewusstsein geben - die positive Entwicklung des Teams setzt sich jedenfalls fort. Die Siege gegen Irland bei der EM und die tolle Leistung gegen Neuseeland und Südafrika unterstreichen das. In Hongkong wird sich das hoffentlich auszahlen.
|