Kontrovers, talentiert, aussortier - unsere XV der World-Cup-Abwesenden.
Die WM in Japan rückt immer näher und mit dem am Montag bekanntgegebenen England-Kader steht nun auch fest, dass einige ganz große Namen nicht beim Riesen-Event dabei sein werden. Wir von TR haben dies zum Anlass genommen und uns ein paar Gedanken zu machen und eine Mannschaft der besten Spieler zusammenzustellen, die aller Voraussicht nach nicht bei der WM sein werden - verletzungs- oder formbedingt. Hier ist unsere TR XV der World-Cup-Abwesenden.
Sturm
1. Karl Tu’inukuafe: Wie sich der ehemalige übergewichtige Türsteher innerhalb von nur zwei Jahren über Neuseelands ITM-Cup über die Chiefs bis in den All-Blacks-Kader im Vorjahr gekämpft hat, war eines der Rugby-Märchen des Jahres 2018. Doch nun wurde der tongaisch-stämmige Erste-Reihe-Stürmer für keinen einzigen Neuseeland-Kader in diesem Jahr nominiert. Er gilt als der beste Gedränge-Prop in Neuseeland, doch den Neuseeland-Trainern sind seine Fähigkeiten im offenen Spiel allem Anschein nach nicht gut genug. Jedoch bleibt für den Pfundskerl ja noch ein Hintertürchen durch Verletzungen bzw. wenn der All-Blacks-Scrum weiter dermaßen desolat daherkommt.
2. Dylan Hartley: Jahrelang hielt Eddie Jones an seinem damaligen Kapitän fest, obwohl der Northampton-Hakler immer wieder durch Undiszipliniertheiten aufgefallen war. Selbst bei seinen Saints war er nicht wirklich gesetzt. Letzten November noch hatte er England als Kapitän gegen Neuseeland aufs Feld geführt und bei der knappen 15-16 Niederlage einen Versuch gelegt. Es sollten aber seine letzten Spiele werden, da er die Six Nations verletzungsbedingt verpasste. Owen Farrell ersetzte ihn als Kapitän und nun wird der in Neuseeland geborene England Bad Boy auch bei der WM nicht dabei sein. Mit Luke Cowan-Dickie und Jamie George steht aber mehr als nur adäquater Ersatz parat. Für unsere TR-Mannschaft ist Hartley als sicherer Gasse-Einwerfer unverzichtbar.
3. Uini Atonio: Frankreichs in Neuseeland geborener XXXL-Prop war einer der Spieler, die Coach Jacques Brunel bei der Nominierung übersehen hat. Der angeblich um die 150 kg schwere Tighthead-Prop hatte seit 2014 insgesamt 32 Einsätze für Les Bleus, doch auch bei ihm gilt: Im Gedränge ist er ein Monster, aber im offenen Spiel nicht der aktivste Prop. Nachdem Atonio 2015 noch Teil des World-Cup-Kaders war, wird er nun am TV zusehen müssen, wenn seine Wahlheimat in Japan um den ersten Titel spielt. In der TR XV hält Atonio aber das kraftvolle Gedränge zusammen in einer ersten Sturmreihe, die so ziemlich jeden internationalen Scrum dominieren könnte.
4. Brodie Retallick: Er ist der wohl beste Zweite-Reihe-Stürmer der Welt: Er verbindet all das was einen guten Lock ausmacht mit einem großartigen Spielverständnis, tollen Händen und viel Speed. Doch nun droht den All Blacks ein herber Verlust: Retallick kassierte gegen die Springboks vor gut zwei Wochen ein grenzwertiges Cleanout von RG Snyman und dabei kugelte er sich die Schulter aus. Er verließ mit schmerzverzerrtem Blick das Feld und Neuseeland bangte. Immerhin könnte er im Turnierverlauf noch fit werden, doch wird Retallick wenn überhaupt ohne viel Spielpraxis und erst im Turnierverlauf zu den All Blacks stoßen. Denn der Weltspieler des Jahres 2014 würde jedem Team fehlen, auch den All Blacks. In unserer TR XV ist er der Sturm-Leuchtturm.
Zu viele Skills für einen Stürmer: Brodie Retallick
5. Will Skelton: Einst als unfitter XXL-Stürmer bei den Waratahs erfolgreich und gleichsam für seine mangelnde Disziplin und bei der Ernährung gescholtener Jungstar, hat der Australier sich gewandelt. Seitdem der 2,03 Meter große Wallaby bei den Saracens unter Vertrag ist, spielt er besser denn je und mit gut 15 kg weniger ist er auf dem Feld agiler denn je. Beim englischen Double-Sieger war er in der vergangenen Saison einer der überragenden Spieler. Jedoch fällt er mit nur 18 Spielen für Australien nicht unter die Ausnahmeregelung (Giteau-Rule) die vor der letzten WM eingeführt wurde. Denn eigentlich muss man bei einem australischen Klub spielen, um für die Wallabies auflaufen zu dürfen, oder bereits 60 Mal im goldgrünen Trikot aufgelaufen sein. Für die TR XV ist Skelton ein weiterer Monster-Ballträger, der auch als Gasse-Option wichtig ist.
6. Brad Shields: Als Hurricanes-Kapitän gewann er in seinem Geburtsland Neuseeland den Super-Rugby-Titel und galt jahrelang als Kandidat für die All Blacks. Doch da ihn die Coaches des Weltmeisters ein ums andere Mal übersahen, entschied sich Shields nach England zu gehen und für das Heimatland seiner Eltern zu spielen. Eddie Jones entschied sich wieder und wieder für Shields, obwohl er auf dem Feld seine Vorschusslorbeeren nicht rechtfertigen konnte. Nun kommt die Quittung in Form einer Nicht-Berücksichtigung für den englischen WM-Kader.
7. Sean O’Brien: Wenn der irische Flanker fit ist, gilt er als einer der besten seines Faches. Doch immer wieder hat der Mann den sie nach seiner Heimatstadt den Tullow Tank nennen mit Blessuren zu kämpfen. Aktuell ist er an der Hüfte verletzt und wird das WM-Turnier deshalb verpassen - für die Iren umso schlimmer da Dan Leavy, der zweite Weltklasse-Siebener der Iren ebenso ausfallen wird. O’Brien, der in der kommenden Saison für London Irish auflaufen wird, hat damit wohl sein letztes Spiel für Irland bereits gespielt. Gerade mit seinen Ruck-Qualitäten und als dynamischer Ballträger im Sturm wird O’Brien im irischen Team schmerzlich vermisst werden.
8. Taulupe Faletau: Faletau war 2017 an der Seite O’Briens einer der Stars der British and Irish Lions in Neuseeland. Doch seitdem hat er wie der Ire auch mit riesigen Verletzungsproblemen zu kämpfen. Bänderrisse im Knie, ein zwei Mal gebrochener Arm und jetzt eine Schlüsselbeinfraktur - Faletau ist ein absoluter Pechvogel und wird Wales fehlen. Immerhin hat Wales mit Ross Moriarty einen ordentlichen Ersatz, der aber nicht der komplette Achter im Stile eines Faletau ist. In unserer TR XV komplettiert er eine gut ausbalancierte dritte Sturmreihe, als Springer und Ballträger.
Hintermannschaft
9. Morgan Parra: Parra ist als erfahrener Neuner mit 71 Spielen für Frankreich, als Kapitän des französischen Vizemeisters Clermont und bombensicherer Kicker eigentlich ein natürlicher Kandidat für die XV de France. Dazu ist Parra ein absoluter Stratege der ein Spiel wie kaum ein anderer lesen kann. Doch der 30-jährige spielte zuletzt in den Planungen von Frankreich-Trainer Brunel keine Rolle mehr. Aktuell zieht er Maxime Machenaud und den Youngster Antoine Dupont vor. Angesichts des Überangebots in Frankreich auf dieser Position nicht unbedingt eine kontroverse Entscheidung. Für unsere TR XV der WM-Abwesenden ist Parra aber eine perfekte Wahl.
10. Quade Cooper: Das verrückte Genie Quade Cooper - immer wieder im Australien-Kader zu finden, aber genauso oft wurde der Wallabies-Verbinder auch schon aus dem Wallabies-Setup geschmissen. Bei den letzten beiden World Cups war der trickreiche Zehner jeweils im Teil des Teams. Auch dieses Mal schien er nach seinem Rauswurf bei den Reds letztes Jahr, dem Comeback bei den Rebels und tollen Leistungen diesen Frühjahr als sicher Kandidat für Japan zu sein. Doch gegen Ende der Super-Rugby-Saison zeigte die Formkurve der Rebels steil bergab und auch Cooper glänzte nicht mehr wie noch wenige Wochen zuvor. Das scheint ihm nun die Chance auf seine dritte WM gekostet zu haben. Cooper wird, sofern die beiden ihm vorgezogenen Lealiifano und Foley fit bleiben, nur am TV zuschauen. In unserer XV startet Cooper aber als Verbinder.
Immer noch einer der talentiertesten Spieler der Welt: Quade Cooper
11. Israel Folau: Eigentlich könnte man meinen, dass alles über den australischen Superstar gesagt sei. Wir wollen uns aber nicht um die kontroversen Äußerungen des verschmähten Wallabies-Superstars kümmern. Sportlich wird er dem Australien-Team fehlen, so viel steht fest. Unter dem hohen Ball eine Bank, mit einem tollem Step gesegnet und auch im Kontakt bockstark. Eigentlich zuletzt mehr als Schluss eingesetzt, spielt Folau in unserer XV auf der kurzen Ecke, wo er seine Karriere im League und Union begonnen hatte. Seine sportlichen Qualitäten sind unbestritten und so schafft es Folau immerhin in unsere TR XV.
12. Ma’a Nonu: Der Doppelweltmeister hatte eigentlich nach der letzten WM seinen Rücktritt verkündet und war nach Frankreich gegangen, um dort in den letzten Karriere-Jahren noch Mal etwas für die Altersvorsorge zu tun. Doch der 37-jährige mit den charakteristischen Rasta-Locken ist in der abgelaufenen Saison zu den Blues zurückgekehrt und hatte überragende Form gezeigt. In Neuseeland wurden die Stimmen lauter, die eine Rückkehr Nonus fordern, doch bisher scheint All-Blacks-Coach Hansen anderer Meinung zu sein. Nach der Rekordpleite gegen die Wallabies, bei der keiner der Neuseeland Centre überzeugen konnte, schafft Nonu es auf jeden Fall in unsere XV.
13. Mathieu Bastareaud: Ein weiterer Ex-Kapitän, der überraschend nicht in Japan sein wird. Noch bei den Six Nations war er bei les Bleus aufgelaufen, mit seiner Art die 13 zu interpretieren aber bereits kontrovers. Bastareaud kennt nur einen Weg, direkt in den Kontakt, auch wenn er in den letzten Jahren an seinem Offload-Spiel gearbeitet hat und es sogar ab und an mit deinem Kick probiert hat.
14. Teddy Thomas: Der wohl talentierteste Außen, den Frankreich aktuell hat. Doch bei Coach Brunel ist der Racing-Spieler trotzdem seit den Six Nations 2018 kein Kandidat mehr. Damals war er nach dem Schottland-Spiel, bei dem er zwei überragende Versuche gelegt hatte, Teil einer Gruppe von Frankreich-Spielern, die es mit dem Feiern nach der Niederlage übertrieben. Doch während einige andere Spieler dieser Gruppe, wie Louis Picamoles, mittlerweile wieder für Frankreich spielen, ist Thomas weiter außen vor. Seine Geschwindigkeit und seine Steps werden Frankreich fehlen, sind aber in unserer TR XV mehr als willkommen.
15. Danny Cipriani: Eigentlich auf der Verbinder-Position zuhause, spielt Cipriani in der TR XV auf der ihm ebenso vertrauten Schluss-Position. Der zum besten Spieler der abgelaufenen Premiership-Saison gewählte Gloucester-Star ist einer der besten Kreativ-Spieler der Welt. Sein Passspiel und die Fähigkeit Mitspieler durch Lücken zu bringen sind überragend. Ganz England will Cippers wieder im England-Trikot sehen, doch Coach Eddie Jones widersetzt sich dem Einheitschor in der Öffentlichkeit konsequent. Wir von TR können den Mann mit den goldenen Handgelenken aber nicht außen vor lassen.
Wie man diesen Weltklasse-Spieler aus dem Kader lassen kann, weiß nur Eddie Jones