Rugby Championship 2019: Warmlaufen für die WM / All Blacks mit kontroversem Debütanten
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 19. Juli 2019
Der kontroverseste All Black seit langem. Auf Fidschi geboren und mit einer Verurteilung wegen häuslicher Gewalt, jedoch mit unbestrittenen Finisher-Qualitäten: Sevu Reece.
In diesem Jahr wird es aufgrund der Weltmeisterschaft in Japan nur eine verkürzte Version der Rugby Championship geben. Denn das Südhemisphären-Gegenstück zu den Six Nations steht ganz im Schatten des World Cups in Japan. Dennoch dürfte das Turnier der besten Süd-Teams Aufschluss darüber geben, wer mit Rückenwind zur WM fährt und bereits an diesem Wochenende könnte es eine kleine Sensation geben: Sollte Neuseeland gegen Argentinien verlieren, könnten die All Blacks nach mehr als einem Jahrzehnt vom Platz der Weltrangliste fallen.
Südafrika - Australien Samstag 20. Juli 17:05 Uhr, Ellis Park Stadium Johannesburg
Die Herangehensweise beider Teams vor diesem richtungsweisenden Duell war völlig unterschiedlich. Während die Südafrikaner quasi mit einer B-Fünfzehn auflaufen, während sich die gleich 15 Topspieler des Teams bereits in Neuseeland auf das Duell mit den All Blacks vorbereiten, darf sich eine Reihe von Debütanten angeführt vom für diesen Spiel als Kapitän aufgebotenen Eben Etzebeth an den Wallabies versuchen. Darunter sind mit dem jungen Gedrängehalb Herschel Jantjies und dem nicht mehr ganz so jungen Rynhardt Elstadt, Flanker von Frankreichs Meister Toulouse, zwei vielversprechende Debütanten.
Die Wallabies wiederum waren schon in der letzten Woche nach Johannesburg gereist. Man könnte meinen, um sich an die ungewohnte Höhenluft im 1750 Meter hoch gelegenen Johannesburg zu gewöhnen. Gleichwohl dürfte man bei den Wallabies froh darüber sein, dem Medienzirkus daheim entflohen zu sein. Denn die Folau-Affäre hatte in den letzten Wochen und Monaten alles Sportliche überschattet. Die Wallabies werden froh sein, nun wieder auf dem Feld für Schlagzeilen sorgen zu können.
Dem 25-jährigen Brumbie Tom Banks wird die Aufgabe zukommen Israel Folau zu ersetzen. Die Vergleiche mit dem nach dem Homophobie-Skandal geschassten Folau, der zu den allerbesten seiner Zunft gehörte, werden für Banks nicht einfach. Erst vier Einsätze hat er im Gold der Wallabies gehabt und auch gegen eine geschwächte Boks-Mannschaft dürfte viel Druck auf dem Schluss lasten. Zumal die Bälle in Johannesburgs dünner Höhenluft noch Mal ein ordentliches Stück leichter fliegen.
Bernard Foley bleibt der Australien-Verbinder, nachdem sich Coach Micheal Cheika gegen eine Wiederberufung vom zuletzt bei den Rebels ordentlich spielenden Quade Cooper entschieden hat. Jedoch ist die Benennung von Gedrängehalb Nic White, der Will Genia auf die Bank verdrängt. White hat nach zwei Jahren bei den Exeter Chiefs nun wieder mit dem australischen Verband unterschrieben und kehrt direkt in das Wallabies-Team zurück.
Für Südafrika, so insistiert Innen Jessie Kriel, gehe es bei der Championship um den Turniersieg, auch wenn man eine Start-Hintermannschaft mit zusammen nur 94 Spielen Erfahrung aufbietet. Trainer Erasmus habe eine klare Strategie, die sein Team auch mit Blick auf die WM ordentlich vorbereite. Zwar sind einige der wichtigsten Spieler um Kapitän Kolisi und Stamm-Verbinder Pollard bereits in Neuseeland, um das Kunststück des Vorjahres, als man in Wellington gegen Neuseeland gewann zu wiederholen.
Aber dennoch will man den Wallabies nicht den ersten Sieg in Johannesburg seit 56 Jahren schenken. Immerhin sind mit dem 38-jährigen Hakler Schalk Brits und dem fast ebenso erfahrenen François Steyn auch zwei Bok-Veteranen zurück im Team.
Argentinien - Neuseeland Samstag 20. Juli 20:05 Uhr, Estadio José Amalfitani Buenos Aires
Neuseeland spielt zum Championship-Auftakt, mit Blick auf das in einer Woche anstehende Spiel gegen die Springboks, ebenfalls mit seiner Startaufstellung. Die vor zwei Wochen im Super-Rugby-Finale involvierten Spieler der Crusaders um Kapitän Kieran Read, wurden weitestgehend geschont und mussten den langen Weg nach Buenos Aires nicht antreten. Auch wenn der Weltmeister noch immer ein grandioses Team mit Beauden Barrett als Spielmacher und Sam Cane als Kapitän und Sturmführer aufbieten kann, gehen die All Blacks doch ein gewisses Risiko ein.
Sollte Neuseeland in Argentinien mit mehr als 15 Zählern verlieren, würde erstmals nach über zehn Jahren ein anderes Team auf Rang eins der Weltrangliste stehen und zwar Wales. Aber auch wenn Argentinien mit Spielern der bis ins Finale von Super Rugby vorgerückten Jaguares gespickt sind und man vor 50.000 fanatischen Pumas-Fans in Buenos Aires spielt, wäre doch alles andere als ein Neuseeland-Sieg eine Überraschung. Denn in den bisherigen 28 Aufeinandertreffen beider Teams hat es Argentinien bisher lediglich zu einem einzigen Unentschieden geschafft und zwar im Jahr 1985, ebenso in Buenos Aires.
Seitdem folgten einige enge Duelle, aber bei den All Blacks hat man im Zweifel immer noch das Gefühl, dass sie einen drauflegen können. Mit dem 22-jährigen Debütanten Sevu Reece haben die Neuseeländer zudem eine absolute Waffe im Arsenal. Der auf Fidschi geborene Außen war in der abgelaufenen Saison mit 15 Versuchen der beste Finisher im Super Rugby. Doch seine Nominierung ist dennoch relativ kontrovers. Vor gut einem Jahr stand seine Karriere nach einer Festnahme für häusliche Gewalt vor dem Aus.
Kontrovers aber dennoch Weltklasse - All-Blacks-Debütant Sevu Reece
Doch das irische Team Connacht, bei dem Reece bereits einen Vertrag unterschrieben hatte, trat von diesem zurück. Reece spielte im zweitklassigen Mitre-10-Cup eine tolle Saison für Waikato und wurde für den schwer verletzten Israel Dagg in letzter Minute für die Crusaders verpflichtet. Die Tatsache, dass die All Blacks den sich selbst als strenggläubigen Christ bezeichnenden Reece nun dennoch nominieren, brachte Coach Hansen viel Kritik ein. Zumal er für den Debütanten Reece einige alteingesessene All Blacks, sowie den zuletzt sehr formstarken George Bridge auf Außen überging. Sonny Bill Williams war zwar mit nach Argentinien gereist, kehrt nach langer Verletzung noch nicht zurück. Antoine Lienert-Brown und Ngani Laumape werden ihm und dem zuletzt ebenso formstarken Doppel-Weltmeister Ma'a Nonu vorgezogen.
Argentinien wird erstmals vom neuen Kapitän Pablo Matera angeführt, der allerdings nach der WM bei Stade Français anheuern wird. Der Dritte-Reihe-Stürmer, der eigentlich aus Argentiniens Siebener-Mannschaft stammte, hatte zuletzt im Super Rugby für Jaguares groß aufgespielt. Sollten er und die restlichen Pumas am Samstag ähnlich stark aufspielen, ist mit den 50.000 Pumas-Fans im Rücken ja vielleicht sogar ein Sieg gegen den scheinbar übermächtigen Gegner drin.