Ungewohntes Bild: Nach 14 Jahren in Rosa spielt Italien-Legende Parisse nun für Toulon. Foto (c) RCT Twitter
Es war eine Nachricht, die eingeschlug wie eine Bombe. Italiens Rugby-Legende Sergio Parisse musste Freitag nach 14 Jahren bei Stade Français den Klub trotz laufendem Vertrag verlassen. Nun wurde mehr über die dramatischen Umstände des Abgangs des wohl besten Achters der letzten Jahre bekannt und gestern hat der 35-jährige Parisse schließlich in Toulon einen neuen Arbeitgeber für die kommende Saison gefunden.
Berichten in den französischen Medien zufolge, unter anderem in Stades-Partnermedium, der beliebtesten Hauptstadt-Zeitung le Parisien, hatte Parisse noch am Freitagmorgen auf dem Klubgelände trainiert, bevor am späten Nachmittag des gleichen Tages die Trennung erfolgte. Doch schon seit Monaten hatte es Konflikte mit der Klubführung gegeben - der italienische Superstar war mit dem aggressiven Führungsstil der Klub-Oberen um den deutschen Besitzer Hans-Peter Wild und Trainer Heyneke Meyer unzufrieden. Unter anderem die Entlassung von Co-Trainer Julien Dupuy war im Kader laut le Parisien kein beliebter Schritt.
Vor dem Derby gegen den Stadtrivalen Racing im Mai soll Parisse schließlich Klub-Besitzer Wild persönlich mit seinen Anliegen konfrontiert haben. Doch der Eppelheimer Süßgetränke-Magnat, der seit eingen Jahren im Schweizer Kanton Zug residiert, soll für die Einwände des Italien-Kapitäns kein Ohr gehabt haben. Stattdessen soll die Klub-Führung Parisse daraufhin wochenlang gedrängt haben, ins Trainerteam zu wechseln. Grund dafür seien die massiven Probleme der Pariser mit der Salary Cap, also der von der Liga vorgegebenen Gehaltsobergrenze für den gesamten Kader.
Schon im Februar hatten französische Sportmedien von einer katastrophalen Situation gesprochen, in der sich Stade mit seinen Salary-Cap-Problemen befinde und das obwohl Frankreich seinen Klubs die höchsten Gehälter im Rugby weltweit zugesteht. 11,3 Millionen Euro, plus zahlreiche Ausnahmen sind laut Ligaverband LNR aktuell erlaubt. Doch trotz der schon im Februar schwierigen Situation wurden seitdem weitere Spieler verpflichtet, unter anderem hatte Besitzer Wild vor wenigen Wochen weitere Investments in Höhe von 100 Millionen Euro versprochen.
Parisse als Bauernopfer für Stades Gehaltsprobleme
Opfer dieser Entwicklung sollte nun Parisse werden, der dazu gedrängt wurde im Trainerteam weiterzumachen. Dort würde sein Gehalt nicht der Salary Cap zugerechnet. Doch Parisse war scheinbar nicht bereit sein vorzeitiges Aus trotz einem weiteren Vertragsjahr hinzunehmen, obwohl er für einen Trainer-Novizen mit seinem Spielergehalt wohl signifikant überbezahlt worden wäre.
Stattdessen nun der spektakuläre Coup durch Toulon und dessen exzentrischen Besitzer Mourad Boudjellal. Dieser hat Parisse nun gestern Abend als Neuverpflichtung für die kommende Saison vorstellen dürfen, war aber wohl nicht der einzige Interessent für Parisse. Für den zuletzt schwächelnden RCT von der Cote d’Azur ein absoluter Coup. Schon bei den drei Europacupsiegen 2013 bis 2015 sehr gute Erfahrung mit erfahrenen Superstars gemacht hatte. Zumal Parisse für die Chance noch ein weiteres Jahr Klub-Rugby dranhängen zu können wohl auf eine beträchtliche Summe Gehalt verzichtet hat, die ihm sonst in Paris zugestanden hätte.
Aber so kann der legendäre Achter zumindest sein Karriereende selbst bestimmen, nachdem es wohl am Freitag zur endgültigen Trennung bei Stade kam. Doch Parisse blieb auch nach dem unsanften Abgang der Gentleman, der er in den letzten 14 Jahren bei Stade auf und neben dem Platz war. Statt sich lauthals über die Situation bei seinem Herzens-Klub zu beschweren, bedankte er sich für die gemeinsame Zeit und teilte auf den sozialen Medien seine Erinnerungen von 14 Jahren im Rosa von Stade. Lediglich die aktuelle Klub-Führung fand da wenig überraschenderweise keine Erwähnung.
Rugby-Fans in Frankreich und darüber hinaus werden sich nun noch über ein weiteres Jahr mit dem wohl elegantesten Stürmer der modernen Ära freuen können. Parisse selbst wird dann wohl im Toulouner Stade Mayol den Abschied bekommen, der ihm in Paris verwehrt wurde.
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