Frankreich mit einer neuen goldenen Generation zu altem Ruhm?
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 28. Juni 2019
Der zweite U-20 WM-Titel in Folge. Was kann Frankreichs neue goldene Generation erreichen?
Fans von les Bleus hatten zuletzt nicht viel Grund zur Freude. Die französische Nationalmannschaft war von sportlichem Tief zu Tief gesunken und hatte dazu noch den aufregenden Spielstil vermissen lassen, der ihr einst einen legendären Ruf verschafft hatte. Doch die Hoffnung auf der anderen Rheinseite auf bessere Zeiten steigt wieder: Die U-20 der Franzosen hat sich zum zweiten Mal in Folge den WM-Titel gesichert, mit Mathieu Bastareaud geht ein kontroverser Vertreter des ideenlosen Brutalo-Rugbys und im Finale der Top 14 lieferten sich eine ganze Reihe junger Franzosen ein packendes Duell. Steht der Rugbysport in Frankreich vor einer Renaissance?
Es ist gerade Mal ein Jahr her, dass Frankreich sich erstmals für das Finale einer U-20 WM qualifizierte und dabei auf heimischen Boden gleich den Titel im Land behielt. Eine schon damals als goldene Generation von Nachwuchsspielern bezeichnete Truppe zauberte eine tolle Mischung aus Stärke bei den Standards und Spielfreude in der Hintermannschaft auf den Rasen. Die Senioren-Mannschaft der Franzosen profitierten schon dieses Jahr davon und hatte bereits im Februar und März einige Debütanten aus dem U-20 Team beim Sechs-Nationen-Turnier im Aufgebot. Spielmacher Romain Ntamack und Tighthead-Prop Demba Bamba schafften direkten den Weg vom Nachwuchs-Titel bis in die Start-XV der Franzosen bei den Six Nations.
Dieser Trend dürfte sich nun nur noch umso mehr verstärken, nachdem les Bleus ihren Titel am vergangenen Wochenende verteidigen konnten und dieses Mal, ohne dabei vom Heimvorteil zu profitieren. Im zentralargentinischen Rosario schalteten die jungen Franzosen, mit nur vier Spielern aus dem Vorjahres-Team, im Halbfinale Mitfavorit Südafrika deutlich aus und gewannen im Finale dann einen absoluten Krimi mit 24:23 gegen Australien. Schlüsselspieler bei den Franzosen war Spielmacher Louis Carbonel, der noch vor wenigen Wochen das Finale der französischen Nachwuchs-Liga gegen Eric Marks und La Rochelle gewonnen hatte. Andere Top-Teams wie England, Irland und Neuseeland dagegen schafften es nicht Mal aus der Gruppenphase.
Durch Quotenregelung erhält der Nachwuchs mehr Einsatzzeiten
Eine Reihe von Leistungsträgern des Teams hat mittlerweile schon einiges an Top-14-Erfahrung sammeln dürfen und das macht sich nun bemerkbar. Seit Jahren wird in Frankreich versucht dem Nachwuchs in der eigenen Topliga eine Chance zu geben. Die finanzstarken Klubs wildern seit geraumer Zeit die Super-Rugby-Klubs und holen reihenweise Südafrikaner, Australier und Neuseeländer in die Liga. Das machte es den Akademie-Spielern immer schwieriger den Weg in die Kader der 30 Profi-Teams zu schaffen. Doch seit letzter Saison gilt eine neue Regelung, die es dem französischen Nachwuchs einfacher macht Spielzeit zu erhalten.
Maximal 16 ausländische Spieler dürfen im Verlauf einer Saison eingesetzte werden und im Schnitt müssen im Spieltagskader 14 Spieler, die in Frankreich ausgebildet wurden stehen. Davon profitieren beispielsweise auch Spieler wie Chris Hilsenbeck, der schon früh den Weg nach Frankreich gegangen ist. Für Klubs die diesen Schnitt nicht erreichen, gibt es Punktabzüge und empfindliche Geldstrafen - diejenigen, die sie übererfüllen bekommen einen Bonus aus einem speziellen Topf. So langsam zahlt sich die Verschärfung dieser GIFF genannten Regel aus.
Frankreichs Nachwuchs ist gut wie nie, auch weil die Klubs gezwungen werden ihre Youngster einzusetzen
Bastareauds Aussortierung als Beginn eines Pardigmenwechsels
Dass man in Frankreich nun auch beim Nationalteam gewillt ist, auf die Jugend zu setzen, hat eine aufsehenerregende Personalentscheidung unterstrichen. Mathieu Bastareaud, XXL-Innen und seit Jahren Dauerbrenner und noch vor drei Monaten Vize-Kapitän der XV de France, hat nicht Mal den Sprung in den vorläufigen Trainingskader der WM geschafft. Der Blick bei Frankreich geht mehr und mehr Richtung 2023, wenn die WM daheim stattfindet. Selbst wenn Bastareaud mit seinem gewissermaßen limitierten Spiel dieses Jahr bei der WM noch eine wertvolle Waffe hätte sein können, entschied sich Coach Jacques Brunel gegen den 30-jährigen und für den nur ungemein jüngeren aber deutlich mobileren Sofiane Guitoune.
Man will einen Paradigmenwechsel einläuten und wieder hin zum offenen Kreativ-Spiel des French Flairs, mit dem man in den 80ern und 90ern mit der ersten goldenen Generation um Ntamack Senior, Blanco und Sella, sowie in 2000ern mit Harinordoquy und Castaignede regelmäßig die All Blacks schlagen konnte und es in drei WM-Endspiele geschafft hatte, zurückkehren. Der sehr direkte und körperliche Stil der letzten Jahre, für den Bastareaud mehr als jeder andere stand, soll ein Relikt der Vergangenheit werden.
Das Finale der Top 14 dürfte ein Vorgeschmack gewesen sein. Dort trafen mit Toulouse und Clermont zwei Vereine aufeinander, die neben ausländischen Superstars vor allem auch auf die eigene Jugend setzen. Vor den Augen von Frankreichs Präsident Macron lieferten sich beide Teams ein packendes Duell geliefert, das mit offenem Visier geführt wurde. Aber ausgerechnet Yoann Huget, ein alter Hase im Toulouse-Trikot war es, der das Finale mit einem Doppelpack entscheiden konnte.
Der Nachwuchs wird mittlerweile zum Faktor im französischen Titelkampf, wie hier im Top-14-Finale
Die Frage bleibt nun nur, ob Frankreich der Schritt mit der Jugend und einem offeneren Spielstil zum Erfolg mit Jacques Brunels als Trainer gelingen kann. Seit Jahren bemängeln Experten in Großbritannien, dass Frankreich das am schlechtesten gecoachte Top-Team im internationalen Rugby sei. Als Yoann Huget als gelernte Außen im Februar gegen England als Schluss auflief, nutzten die Engländer dies gnadenlos aus. Verbinder Owen Farrell kickte einen Ball nach dem anderen auf den völlig überforderten Huget und Frankreich erlebte ein Waterloo.
Frankreich brauche dringend einen ausländischen Coach und immer wurde der Name von Wales-Erfolgstrainer Warren Gatland genannt. Doch dieser hat nun einen Vertrag beim neuseeländischen Super-Rugby-Team Chiefs unterschrieben. Der Aufschwung der neuen goldenen Generation muss erst ein Mal ohne Hilfe von Außen erfolgen.