Eine Leistung wie gegen Russland vor 3 Monaten muss her, dann könnte es gegen Portugal reichen. Foto (c) Kessler
Zwei Halbzeiten klassisches Rugby, 15 gegen 15, morgen ab 14 Uhr an der Frankfurter Feldgerichtsstraße - sie werden darüber entscheiden, ob das deutsche Fünfzehner-Rugby erstklassig bleibt. In der Main-Metropole empfängt die deutsche Nationalmannschaft Portugal im Relegationsspiel um den Klassenverbleib in der Rugby Europe Championship - nur der Sieger spielt im kommenden Frühjahr in der Beletage, der Verlierer steigt in die zweitklassige Trophy ab. Die Formel könnte kaum einfacher sein, die Aufgabe jedoch kaum schwerer.
Dass dieses deutsche Team nach dem tollen Abschneiden in Marseille bei der WM-Quali vergangenen November überhaupt in dieser misslichen Situation ist, rührt nicht von ungefähr. Während der Rugby-EM in diesem Frühjahr hätte am Ende ein einziger Sieg gereicht, um den letzten Platz zu vermeiden. Bei den knappen und gleichsam unglücklichen Niederlagen in Brüssel gegen Belgien und in Heidelberg gegen Russland wäre jeweils deutlich mehr dringewesen. Gerade die Leistung gegen WM-Teilnehmer Russland im März sollte dem deutschen Team Mut machen - eine solche Leistung zu wiederholen dürfte morgen den Erfolg bringen, auch wenn dieses Duell mit Portugal seine ganz eigenen Vorzeichen hat.
Nicht zuletzt das letzte Aufeinandertreffen beider Teams vor genau einem Jahr hat bewiesen, dass Portugal alles andere als ein zweitklassiger Gegner ist. Os Lobos lagen damals sogar in Durchgang zwei in Heidelberg in Führung, bevor Raynor Parkinsons sicherer Kick-Fuß Deutschland am Ende das 16:13 bescherte. Wenn es morgen erneut gegen die Portugiesen geht, die momentan als Nummer 22 der Welt ganze sechs Ränge vor unseren Adlern liegen, muss Parkinson erneut einen Sahnet-Tag vom Tee erwischen.
Doch nicht nur auf den seit neun Jahren für Deutschland auflaufenden Kick-Scharfschützen wird es ankommen (der gesamte Kader Link). Der deutsche Sturm um Kapitän Sebastian Ferreira wird bei vorhergesagten 26 Grad, trockenem Geläuf und Sonnenschein einen knüppelharten Nachmittag haben. Die Portugiesen gelten zwar nicht unbedingt als die sturmstärkste Mannschaft, hatten jedoch in den letzten Wochen mehr als genügend Zeit sich auf diese Entscheidungsspiel vorzubereiten und werden mit den starken deutschen Ballträgern rechnen. Unser Sturm muss, wie die viel beschworene Einheit spielen.
Anders als beispielsweise die Belgier und auch unser Team, vertrauen die Portugiesen auf die Stärke ihrer heimischen Liga und verzichten bei diesem Spiel wie auch zuletzt auf einige ihrer starken Legionäre, aus den Profiligen Frankreichs und Englands (Gegneranalyse Portugal -> Link). Man will als Team, eingespielt aus vielen gemeinsamen Stunden auf dem Platz in Lissabon, agieren und gewinnen. Für die Rugby Europe Trophy hat dies bereits eindrucksvoll gereicht.
Zwei Mal ist Portugal seit dem Abstieg 2016, als unsere Jungs die Iberer mit einem hohen Kantersieg in Hannover rauskegelten, schon in der Relegation gescheitert. Im Vorjahr kann man es als unglücklich bezeichnen, dass die Portugiesen aufgrund des Skandals um die nicht-spielberechtigten Rumänen gegen das Top-Team vom Balkan ranmussten. 2017 waren sie beim 18-29 in Brüssel gegen Belgien wettbewerbsfähig, sind aber schlussendlich dennoch gescheitert.
Für unsere Jungs ist dies aber auch eine Warnung. Nach einem Abstieg die Rückkehr in die höchste europäische Spielklasse zu schaffen, ist alles andere als einfach und selbst wenn man die Konkurrenz in der Trophy um Polen, die Niederlande und die Schweiz dominiert, ist der Rückweg noch lange nicht sicher.
Wie das deutsche Team den Spielfluss der Portugiesen unterdrücken und sein eigenes eher sturmlastiges Spiel durchziehen will, ist klar (Unser Artikel über die Taktik des deutschen Teams -> Link). Ob es ihm gelangt zeigt sich morgen erst. Eine vermeintliche Last-Minute-Änderung im Kader hat heute morgen noch Mal für Verwirrung gesorgt. Außendreiviertel Jarrod Saul, der bisher lediglich für Deutschlands Siebener-Nationalmannschaft aufgelaufen war, ist im Kader. Beim DRV hatte ihn jemand mit John Dawe verwechselt, ebenso Siebener-Crack des Wolfpacks, der es morgen nicht sein wird. Seine Sicherheit unter hohen Bällen und nicht zuletzt seine Schnelligkeit in Offensive wie Defensive könnten für die deutsche XV durchaus eine Waffe sein.
Die trockenen Bedingungen und das schnelle Geläuf dürfte tendenziell eher den Portugiesen schmecken. Doch dafür hat das deutsche Team sein Publikum im Rücken, das morgen hoffentlich eine ähnliche wenn nicht sogar bessere Atmosphäre kreieren wird, als vor einer Woche beim Bundesliga-Finale an gleicher Stelle. Die Frankfurter Gastgeber haben die Eintrittspreise für dieses entscheidende Spiel bei fanfreundlichen 5€ gelassen. Wer also noch zögert sollte unbedingt morgen nach Frankfurt fahren - es wird ernst in Frankfurt.
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