Kann sich Frankfurt das erste Finale daheim seit zehn Jahren sichern? Foto (c) Seufert-Chang
Noch vier Titelanwärter gibt es in Deutschlands höchster Rugby-Spielklasse. An diesem Samstag werden die beiden Finalisten ermittelt und beide Halbfinalspiele versprechen hochinteressante Duelle zu werden. Drei Teams, die seit einigen Jahren nicht mehr in der Endrunde dabei waren, wollen ins Endspiel von Frankfurt. Gerade für die 1880er wäre das Heimspiel um den Titel die vorläufige Vollendung des Frankfurter Comebacks an die Spitze des deutschen Vereinsrugbys.
SC Frankfurt 1880 - Berliner RC Samstag 1. Juni, 14:00 Uhr
Dem SC Frankfurt 1880 winkt das Finale daheim. Genau zehn Jahre nachdem sich die Frankfurter das letzte Mal den Lorbeerkranz an der heimischen Feldgerichtsstraße gesichert haben, könnte es nun wieder soweit sein. Einzig der Berliner RC steht zwischen dem SC 80 und seinem Traumfinale daheim. Obwohl die Hauptstädter sicherlich als Underdog in Frankfurt antreten, will man sich bei 1880 komplett auf den Gegner einlassen.
„Wir verschwenden noch überhaupt keinen Gedanken ans Finale“, so 1880-Coach Byron Schmidt im Gespräch mit TR. Natürlich sei das Finale daheim eine riesige Motivation, aber davon werde man sich nicht blenden lassen, wie der Südafrikaner weiter erklärt: „Nachlässigkeit wird bei uns kein Problem werden - die Jungs wissen, dass dies nicht einfach nur ein weiteres Spiel ist, verlieren wir hier, war es das. Unser Fokus liegt einzig und allein auf dem Samstag!“
Was man jedoch vom BRC zu erwarten habe, weiß man bei 1880 nicht so recht. Seit den Zeiten, in denen sich beide Teams regelmäßig duellierten, ist viel Wasser den Main hinuntergeflossen. Im September 2011 gewann 1880 in der eingleisigen Bundesliga daheim mit 30:15 gegen die Berliner Gäste. Aus dem Frankfurter Trainer-Team ist zu hören, dass man sich trotz ausreichend Video-Material über die Stärken und Schwächen der Berliner nicht ganz im Klaren sei.
Ob Frankfurt auch gegen den BRC jubeln darf, steht Samstag gegen 16 Uhr fest
Dafür fühlt man sich gleichwohl aber perfekt vorbereitet. Coach Byron Schmidt lobt dafür ausdrücklich den vor Saisonbeginn verpflichteten neuseeländischen Fitness-Coach Pete Joblin. Dieser habe das Team genau zum Saisonende zu 100% fit bekommen. Dazu betont Trainer Schmidt auch, dass man im Saisonverlauf auch spielerische Fortschritte gemacht habe. Lediglich müsse man sich kaltschnäuziger zeigen, denn mit der Chancenauswertung gegen Handschuhsheim sei man alles andere als zufrieden, trotz des klaren Ergebnisses.
„Wenn wir unser Spiel zu 100% durchziehen, sind wir schwer zu stoppen“, ist sich Byron Schmidt sicher. Bis auf Prop Mthunzi Moloi, der sich gegen Handschuhsheim den Kiefer brach, treten die Frankfurter in voller Stärke an. Doch mit Samy Füchsel hat man ja noch einen anderen Erste-Reihe-Stürmer erster Güte an Bord, der in diesem Spiel besonders motiviert sein dürfte - Füchsel tritt erstmals seit langem gegen seinen Jugendverein BRC an.
Die von Coach Uwe Maaser trainierten Gäste sehen Frankfurt als klaren Favoriten, Maaser selbst erklärt im Gespräch mit TR: „Frankfurt ist dieses Jahr der Maßstab für Rugby in Deutschland. Die werden wohl alle Meistertitel im Schüler- und Jugendbereich holen und sind auch bei den Herren der Topfavorit.“ Dennoch habe man sich vorgenommen den Favoriten ein bisschen zu ärgern.
Im letzten für die Tabelle bedeutungslosen Spiel beim Hamburger RC konnte man eine Reihe von Stammspielern schonen und hat sich seitdem gewissenhaft auf diese Partie vorbereitet. Bereits am Freitag werden die Berliner in Frankfurt eintreffen, damit die Reisestrapazen die Leistung auf dem Feld nicht beeinträchtigt.
Berlin reist als Underdog, aber durchaus mit Selbstbewusstsein nach Frankfurt
Dass man tendenziell als Underdog antritt, ist den Berlinern dabei durchaus bewusst, die Coach Uwe Maaser betont: „Unser großes Ziel war es gegen die besten Mannschaften in Deutschland zu spielen und selber mitzuerleben was der Standard von Rugby hier ist. Deshalb freuen wir uns sehr auf das Spiel.“
Einziger Wehrmutstropfen aus BRC-Sicht sind die Abstellungen von Philip und Anton Gleitze sowie Chris Umeh für das Development-Team der Siebener-Nationalmannschaft. Die drei Youngster werden in Frankfurt fehlen, dennoch wird der BRC versuchen auch in Frankfurt sein typisches Spiel aufzuziehen. Maaser, der genau vor einem Jahr die U-18 des BRC zum Meisterschaftstitel coachte, beschreibt den Spielplan wie folgt: „Wir wollen das Spiel sehr schnell und organisiert halten. Wenn technisch alles passt und wenn wir es schaffen, unser schnelles Angriffsrugby aufzuziehen, müssen sie uns erst mal stoppen.“
TotalRugby-Prognose: Für beide Teams ist der erste Playoff-Auftritt seit Jahren. Bei den Frankfurtern hat man die eigene Jugendarbeit im letzten Sommer jedoch mit einigen hochklassigen Neuverpflichtungen garniert und sich so zur aktuell besten Rugby-Mannschaft entwickelt. Die Süd-Saison hat 1880 bis auf den Ausrutscher beim HRK in der Rückrunde dominiert. Die Berliner dagegen haben durchaus ein Mal Schwankungen gezeigt, was bei einer derart jungen Mannschaft aber auch alles andere, als verwunderlich ist. Es dürfte spannend zu sehen, wie der BRC mit dem extrem organisierten und taktisch disziplinierten Spiel der 1880er klarkommt. Sollte es dem BRC gelingen sich aus dem Würgegriff der 1880er zu befreien, die versuchen werden über ihren Kick-Spezialisten Parkinson das Spiel immer wieder in die BRC-Hälfte zu verlagern, könnte es ein interessantes Duell werden. Insgesamt sehen wir bei TR aber die Frankfurter Gastgeber vorn, die mit mehr Erfahrung und taktischer Reife am Ende mit +13 Zählern vorne liegen und sich das Endspiel daheim sichern.
Hannover 78 - TSV Handschuhsheim Samstag 1. Juni, 15:00 Uhr
Im zweiten Halbfinale des Samstags empfängt Nord-Meister Hannover 78 den Süd-Zweiten TSV Handschuhsheim am schnellen Graben der niedersächsischen Landeshauptstadt. Nur einen Steinwurf vom Maschsee entfernt wollen die Gastgeber den ersten Finaleinzug seit 1993 klarmachen. Es wäre die 17. Finalteilnahme in der langen und ruhmreichen Geschichte des Hannoveraner Traditionsklubs.
Bei den 78ern ist die Vorfreude entsprechend groß und bei vorhergesagten 25 Grad und strahlendem Sonnenschein dürfte es auf dem Gelände der Hannoveraner auch eine mehr als ordentliche Kulisse für das bisher wichtigste Saisonspiel geben. Das Ziel, so ist aus dem Hannoveraner Trainer-Team zu hören, sei klar der Finaleinzug. Nach einer perfekten Rückrunde gehen die 78er mit breiter Brust in das Duell mit dem Heidelberger Klub, der für den Nord-Primus natürlich auch eine gewisse Unbekannte darstellt.
Das letzte Duell beider Klubs an gleicher Stelle datiert noch aus Zeiten der eingleisigen Bundesliga, als 78 und die Löwen sich im Jahr 2011 34:34 Unentschieden trennten. Im Vorjahr hatte es an gleicher Stelle ebenso im Halbfinale eine 24:32 Niederlage gegen die RGH gegeben, die damals mit ihren Siebener-Nationalspielern in voller Stärke angetreten war. Auf die Frage, wie man den Handschuhsheimer Angriff stoppen wolle, betonte 78-Coach Krause gegenüber TR: „Wir werden nichts anderes machen, als bereits die gesamte Saison - hart verteidigen, Druck machen und ihre Schlüsselspieler kontrollieren!“
Im Endeffekt sei es „ein Spiel auf Messers Schneide“ zweier „gleichwertiger Gegner“, ist sich Krause sicher. Man habe die Niederlage der Löwen gegen Frankfurt 1880 analysiert und wisse um die Spielweise der Löwen. „Wir haben an unseren Paketen gearbeitet und dass es im Gedränge knüppelhart wird, ist uns auch klar - aber gerade da haben wir uns diese Saison gesteigert.“
Für die Hannoveraner ist klar - so nah wie in diesem Jahr waren sie ihrem großen Ziel seit langem nicht. Der letzte Titel liegt 28 Jahre zurück, da will man sich auch über die personellen Schwächungen nicht aufregen. Phil Sczcesny und Rafael Pyrasch fehlen aufgrund von Verpflichtung mit dem Siebener-Team, Pascal Fischers Saison ist seit seinem Beinbruch Ende April gegen den RK 03 beendet. Er wird am Samstag lediglich der größte Fan der 78er am Spielfeldrand sein. Dennoch betont Coach Krause: „Wir haben für Samstag eine gute Mannschaft zusammen, es wird ein enges Spiel!“
Die Gäste mussten vor knapp zwei Wochen eine herbe Enttäuschung hinnehmen, denn eigentlich hatte man bei den Löwen gehofft, das Halbfinale daheim austragen zu können. Doch die Pleite gegen 1880 im Spitzenspiel bedeutet, dass die Löwen nun am Samstag früh gut fünf Stunden im Bus sitzen werden, bevor es in Hannover zur Sache geht. Immerhin bringen die Löwen einen weiteren Bus mit Fans mit, die dem Auswärts-Team zumindest ein wenig Atmosphäre, wie im Lions Park beschert.
Nach der Niederlage im letzten Heimspiel der Saison müssen die Löwen nun in Hannover antreten
Trainer Gordon Hanlon jedenfalls will sich vom Ausrutscher gegen Frankfurt 1880 nicht aus dem Konzept bringen lassen. Im Gespräch mit TR unterstreicht der irische Löwen-Dompteur: „Wir glauben an unsere Abläufe und an die Arbeit, die wir die letzten Monate gemacht haben. Man schmeißt nicht einfach alle Pläne um innerhalb von zwei Wochen, nur weil man ein Spiel verloren hat.“
Stattdessen, so der Ire weiter, werde man schlicht unter Druck eine bessere Leistung abliefern müssen. Hanlon ist sich dabei sicher: „Wenn wir unsere Leistung bringen, sind wir das beste Team im Wettbewerb!“ Und wenn man das volle Angriffs-Arsenal zum Einsatz bringe, sei dies für 78 zu viel, ist man sich beim TSV sicher.
Deshalb werde man von der ersten Minute an versuchen den Gastgebern das eigene Spiel aufzudrücken. Dennoch weigert sich Hanlon die eigene Mannschaft die Favoritenbürde aufzuerlegen, was jedoch angesichts der langen Anreise durchaus verständlich sein dürfte.
TotalRugby-Prognose: Es dürfte ein hart umkämpftes unglaublich enges Duell in Hannover werden. Die 78er haben die Nordserie in diesem Jahr dominiert und sind sicher noch Mal ein Stück besser vorbereitet, als vor einem Jahr gegen die RGH. Die Hannoveraner spielen mannschaftlich geschlossen, diszipliniert und wollen über schnelle Kontakte und Rucks das Spieltempo hoch halten. Da sind sie dem TSV gar nicht Mal so unähnlich, der unter Gordon Hanlon eine weitere Facette zu seinem einst sturmdominierten Spiel hinzugefügt hat. Mit Spielmacher Nikolai Klewinghaus ist gewissermaßen ein zusätzliches Überraschungsmoment eingekehrt in das Spiel der Löwen, die natürlich weiter von ihrem tollen Paket und Gedränge profitieren. Für 78 gilt es die überragenden Individualisten Klewinghaus auf der Dreiviertelreihe und Jaco Otto im Sturm unter Kontrolle zu bringen und ihren Wirkungskreis einzuschränken. Sollte ihnen das gelingen wird es tatsächlich ein Spiel auf Messers Schneide, wie es Coach Krause prognostiziert hat. Mit dem Heimvorteil im Rücken und der langen Anreise für die Löwen, sehen wir 78 knapp mit +4 vorne.
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