Stars & Stripes auf dem Vormarsch: Auf dem Weg zur Rugby-Supermacht USA?
Geschrieben von TotalRugby Team
Donnerstag, 2. Mai 2019
Wird bald in den USA dem ovalen Leder nachjagen - Mathieu Bastareaud
Die USA gelten seit Jahren als der schlafende Gigant im Welt-Rugby. Mit mehr registrierten Vereinsspielern als Schottland und Wales zusammen, einem riesigen Markt mit unzähligen potenziellen Sponsoren und beeindruckenden Wachstumszahlen gilt es als ausgemachte Sache, dass die USA sich zunehmend zu einer Rugby-Supermacht entwickeln. Zwei Entwicklungen könnten diesen Prozess jetzt noch beschleunigen.
Als Anfang der Woche die Meldung durchsickerte, dass Mathieu Bastareaud in der kommenden Saison für Rugby United New York auflaufen wird, hielten dies einige für einen verspäteten April-Scherz. Doch der XXL-Innen wird kommendes Jahr tatsächlich für das New Yorker MLR-Team auflaufen, erst in ihrer zweiten Saison überhaupt. Dort wird der Franzose auf den ehemaligen England-Schluss Ben Foden treffen, der allerdings weit nach dem Ende seiner England-Karriere in die USA gewechselt war.
Manche mögen Bastareaud als ein Auslaufmodell abtun und tatsächlich ist der Toulon-Spieler schon 30 Jahre alt und hat demnach nur noch ein paar Jahre Rugby auf allerhöchstem Niveau vor sich. Doch abgeschrieben hat ihn in Frankreich niemand - noch während der diesjährigen Six Nations machte er vier von fünf Spielen, war letztes in Abwesenheit von Guilhem Guirardo Jahr Kapitän der XV de France und zählt zu den Bestverdienern der Liga.
Dass sich ein Spieler des Kalibers Bastareaud aufmacht in der amerikanischen Major League Rugby zu spielen, ist durchaus eine Ansage. Denn noch letztes Jahr betrug die Gehaltsobergrenze der MLR kolportierte 500.000 $ - und zwar für das gesamte Team. Das allein verdient Bastareaud aktuell in Toulon von seinem Verein, plus Zulagen für Frankreich-Einsätze und persönliche Sponsoren, wie Adidas.
Bastareaud wird in New York wohlmöglich Gehalts-Abstriche machen müssen und auch die Stimmung im umfunktionierten Baseball-Stadion von Coney Island, der aktuellen Heimat von RUNY, versprüht weniger Glamour als der Name New York City das vermuten ließe. Der Reiz USA scheint für den Franzosen aber dennoch da gewesen zu sein, nach zehn Jahren Top 14 nicht nach England oder in die Südhemisphäre zu wechseln.
Für die Liga jedenfalls ist die Verpflichtung ein Coup - die renommierte New York Times widmete Bastareaud einen ausführlichen Artikel und zog gleich den Vergleich mit Beckham und Pele heran, die auch in den USA ihre letzten Karriere-Jahre verbrachten.
Die US-Profiliga expandiert kommende Saison zum zweiten Mal
Doch die MLR ist auf einem strammen Expansiv-Kurs - nach der letztjährigen Debütsaison mit lediglich sieben Teams wurde die Liga in diesem Jahr um New York und Toronto erweitert. In der kommenden Saison werden mit Washington DC, Atlanta und Boston drei weitere Standorte hinzukommen und die Liga wird erstmals im typisch amerikanischen Conference-System ausgetragen mit sechs Teams im Osten und sechs im Westen.
Die Verpflichtung von Mathieu Bastareaud mag zwar die meisten Schlagzeilen generiert haben, doch die expandierenden Liga zieht unbemerkt von den meisten Beobachtern in Europa noch mehr Talente ans Land. Ex-All-Blacks-Flanker Adam Thompson, der immerhin 29 Spiele im schwarzen Trikot Neuseelands absolviert hat und sich Weltmeister von 2011 nennen darf, geht aus der japanischen Top League zu den Utah Warriors. Dort heuert auch Vatemo Ravouvou an, 2016 Goldmedaillen-Gewinner mit Fidschi bei Olympia in Rio.
Die MLR ist noch kein perfektes Produkt, aber eine aufstrebende Liga mit erfolgreichen Teams, wie Seattle
Dazu versammeln die Amerikaner ihre Top-Talente mittlerweile in der aufstrebenden Liga. Sturm-Star Samu Manoa wechselt kommende Saison nach Seattle, den sportlich und vom Zuschauer-Interesse her erfolgreichsten Franchise der MLR. Mit Ryan Smith wechselt ein ehemaliger NFL-Profi der Green Bay Packers zum neuformierter Washingtoner Team Old Glory. Seit Jahren versuchen die US-Verantwortlichen mehr Football-Spieler, die es in der NFL nicht zum Star schaffen, aufzufangen.
Die Liga MLR steckt zwar weiterhin in ihren Kinderschuhen und sicher wird es weiter viele Änderungen in der Zusammensetzung geben. Denn während beispielsweise Seattle sein Stadion regelmäßig ausverkauft ist der aktuelle Tabellenzweite New Orleans nicht mit dermaßen viel Zuschauerinteresse gesegnet. Doch im Schatten der großen Ligen braut sich momentan etwas zusammen und Mathieu Bastareaud könnte irgendwann als Vorreiter gelten. Für das amerikanische Rugby und die Qualität der Nationalmannschaft dürfte es nur hilfreich sein. Für Europas Ligen und Super Rugby dagegen könnte die MLR zur Gefahr werden.
USA-Rugby-Vorstand Clever verrät: USA bewerben sich auf WM 2027
Eine absolute Initialzündung könnte dem amerikanischen Rugby aber eine WM sein. Dass Denkspiele in die Richtung existieren erklärte Todd Clever. Der Rekordnationalspieler sitzt aktuell im Aufsichtsrat des US-Rugbyverbandes und erklärte kürzlich der South China Morning Post: „Die Ausrichtung der WM 2027 könnten die USA in den Kreis der weltbesten Rugby-Nationen katapultieren und unsere Liga zur wichtigsten der Welt machen.“
Der mittlerweile 36-jährige, der als Profi in Englands Premiership, im Super Rugby und in der japanischen Top League gespielt hat, zieht gegenüber der Hongkonger Zeitung den Vergleich mit der Fußball-WM 1994. Diese habe Amerikanern, Fans wie Sponsoren, die Augen geöffnet. Die vollen Stadien und die tolle Atmosphäre seien damals wie eine Initialzündung für den Fußballsport in den USA gewesen. Genau dieses Modell verfolge man auch mit den USA.
Im Vergleich mit der Major League Soccer, seien die Fortschritte gar noch schneller als die US-Fußball-Liga in ihren Anfangsjahren. Clever jedenfalls, der als Teilhaber des MLS-Teams Austin Elite persönlich investiert hat, lehnt sich bereits jetzt weit aus dem Fenster: „Wenn wir die richtigen Schritte unternehmen, haben wir in zehn Jahren die beste Liga der Welt hier in den USA.“