Mit den Kieler Adlern und Grashof Essen mussten zwei Teams den bitteren Gang aus der Liga zwei antreten.
Knapp sieben Jahre nach der ersten großen Ligareform und vier nach der sogenannten Reform der Ligareform hat sich zumindest im Rugby-Oberhaus der Spielbetrieb unter Deutschlands 16 besten Klubs weitestgehend eingependelt. Doch darunter bröckelt es, trotz weiterhin steigender Mitgliederzahlen beim DRV, zusehends. In den letzten Wochen haben sich mit Kiel und Essen gleich zwei Klubs aus dem Spielbetrieb zurückgezogen, nachdem letzten Sommer bereits mit Potsdam ein Traditions-Standort sein Team zurückgezogen hatte Damit spielen aktuell nur 24 Teams in den vier Staffeln der zweiten Bundesliga, acht weniger als die angedachte Sollstärke. Lediglich im Süden spielen aktuell die acht vorgesehenen Teams in Liga zwei.
Gerade im Norden, wo aktuell nur noch vier Teams die dortige Staffel des Unterhauses bilden, schränkt dies den Spielbetrieb erheblich ein und bereitet den Sieger und potenziellen Aufsteiger nur unzureichend auf den harten Alltag im Rugby-Oberhaus vor. Bereits zu Beginn der Saison waren hier nur fünf Teams am Start und seit dem Rückzug der Kieler Adler sind es gar nur noch vier.
Bei den Kieler Adlern sah es vor nicht ein Mal ganz drei Jahren noch deutlich rosiger aus, als die Rugger von der Förde in der Relegation um den Aufstieg ins Rugby-Oberhaus standen. Sportlich ging es seitdem leider stetig bergab: Seit knapp zwei Jahren konnte Kiel kein Spiel in Liga zwei mehr gewinnen und so vollzogen die Adler nun den „längst überfälligen Rückzug“, wie Trainer Daniel Michel die Situation gegenüber TR erläutert.
Denn eigentlich hatte man nach acht Abgängen von Leistungsträgern im Sommer sowieso den Neuanfang in der Regionalliga wagen wollen, sei aber von den anderen Teams „bekniet“ worden, den Spielbetrieb doch noch zu ermöglichen und ein weiteres Jahr in Liga zwei dranzuhängen.
„Wir haben also versucht diese Mammutaufgabe zu stemmen, fanden jedoch sehr schnell heraus, dass wir nur als Kanonenfutter dienen würden diese Saison“, wie Kiels Coach Michel weiter erklärt. Bei den erfahrenen Spielern habe sich mehr und mehr Frust eingeschlichen, was zu Abgängen und geringerer Trainingsbeteiligung geführt habe. Die Spielerbasis sei dadurch „immer überschaubarer“ geworden - da konnten den Kielern auch zahlreiche neu angeworbene Spieler nicht weiter helfen.
Zwei harte und physische Spiele nach der schier endlos langen Winterpause gegen Bremen 1860 und Odin/Döhren, die beide verloren gingen, hätten dann ihr Übriges gegeben. Weitere Verletzungen und ein mehr und mehr demotivierter Kader - Kiel zog die Konsequenzen und sich mit zwei ausstehenden Spielen aus dem Unterhaus zurück.
Auch im Westen läuft es nicht rund
Der Rückzug der Ruhrpott-Rugger aus Essen, dem Grashof RFC dagegen, erfolgte nicht freiwillig. Die Männer aus der Ruhr-Metropole hatten seit 2016 ihre sportliche Heimat in der West-Staffel der zweiten Bundesliga. Der Verein war erst 2007 aus einer Schul-AG entstanden und hatte sich jahrelang prächtig entwickelt - doch zuletzt wurde der Kader, wie Vereins-Präsident Frank Haberland im Gespräch mit TR bestätigt, immer kleiner.
Die Spieler-Fluktuation im Verein sei einfach zu groß gewesen und nicht immer habe man Spieler-Verluste adäquat ausgleichen können. Dazu habe man traditionell viele Schicht-Arbeiter und Polizisten im Kader, zudem zuletzt Probleme mit Verletzten, weswegen man in dieser Saison zwei Spiele absagen musste und mit dem Zwangsabstieg bestraft wurde. Dabei hatten die Essener sportlich zumindest mit den Teams in der unteren Tabellenhälfte mithalten und bereits einen Sieg einfahren können.
Sowohl für Kiel, als auch für Essen soll es in der kommenden Saison in der Regionalliga weitergehen. Während zumindest im Westen, mit seinen drei in die West-Liga führenden Regionalligen und deren 19 Teams Ersatz zu finden sein dürfte, wird es im Norden wohl weiterhin bei einer Liga unter Sollstärke bleiben. Denn bereits vergangenen Sommer weigerten sich mehrere Regionalligisten den Sprung ins Unterhaus zu wagen.
Das Potsdamer Modell als Lösung?
Einen gänzlich anderen Weg wählten im vergangenen Jahr die Potsdamer Adler. Der Traditions-Klub zog sich im Sommer 2018 trotz eines zweiten Platzes in der Abschlusstabelle der Ost-Liga komplett aus dem Fünzehner-Spielbetrieb zurück und konzentrierte sich aufs Siebener in der Berlin-Brandenburger-Liga.
Potsdam-Urgestein und TR-Redakteur Christof Hannemann erklärt den damaligen Schritt wie folgt: „Der Rückzug aus dem Fünfzehner war in der damaligen Situation richtig. Wir hatten wirklich kaum noch Spieler. Zu den Auswärtsspielen konnten wir gerade einmal 12-15 Mann aufbringen. Eine Besserung der Personalsituation war auch nicht zu erkennen, da unsere Mannschaft schlicht und ergreifend überaltet war und wir vermehrt frisch gebackene Familienväter in unseren Reihen hatten.“
Das Siebener habe den Potsdamern indes schon immer im Blut gelegen und durch den Schritt habe sich, so der Potsdam-Hakler weiter, die Trainingsbeteiligung deutlich verbessert. Ob dieser Schritt nun aber eine Blaupause für andere Vereine sei, da will man sich in Potsdam nicht anmaßen zu urteilen. Zumal der Wiederaufbau des Fünfzehner-Spielbetriebs noch immer das erklärte Ziel des Vereins sei und Spieler, die weiterhin Fünfzehner spielen wollen, das in der Zwischenzeit bei der RU Hohen Neuendorf mit Doppellizenz machen können.
Blick über den Tellerrand
Wie wichtig der Ligaspielbetrieb für die Vorbereitung der Spieler auf höhere Weihen, also Einsätze in den Nationalteams ist, ist selbst für Rugby-Laien unverkennbar. Bei Deutschlands Konkurrenten in der Rugby Europe Championship gibt es derlei Probleme in den Ligen momentan nicht. In Belgien besteht allein durch die überschaubare Größe des Landes nicht die Notwendigkeit den Ligabetrieb regional zu staffeln. So existieren drei landesweite Divisionen, die jeweils noch eine Liga ihrer zweiten Teams haben. Erst darunter ist der Spielbetrieb regional aufgeteilt.
In Spanien sieht die Situation in Sachen Distanzen und Bevölkerungsverteilung derweil schon ein wenig ähnlicher aus, wie diejenige in Deutschland, weswegen der Vergleich sinnvoller ist. Unterhalb der zwölf Teams umfassenden landesweiten División de Honor (aus Sponsoring-Gründen Liga Heineken genannt) gibt es die División de Honor B - die aus drei regionalen Gruppen mit jeweils zwölf Teams besteht. Rückzüge von Teams in der laufenden Saison und Spielausfälle sind hier laut Kennern der Szene eigentlich nie ein Problem.
Jedoch muss man auch beachten, dass insgesamt vier Mal so viele Aktive in Spanien dem ovalen Leder nachjagen, wie hierzulande. Dazu wagt der Spanische Verband ab der kommenden Saison den Schritt, den Spielbetrieb im Oberhaus in der sogenannten „Liga Nacional de Rugby“ auszulagern, um ihn sukzessive zu professionalisieren.
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