Traum vertagt: Auch mit der besten Turnierleistung reicht es knapp nicht gegen Irland
Geschrieben von TotalRugby Team
Sonntag, 7. April 2019
Tim Lichtenberg legt zur zwischenzeitlichen 10:5 Führung gegen Irland ab - es sollte nicht reichen. Foto (c) Perlich
Der große Favorit Irland spielt in der kommenden Saison auf der World Series. Für Deutschland reicht es auch im vierten Anlauf in Folge bei den Hong Kong Sevens nicht, sich für die Turnierserie der 15 weltbesten Teams zu qualifizieren. Das sind die bitteren Fakten nach drei Turniertagen in Hongkong - doch das sind nicht die einzigen Erkenntnisse nach dem berühmtesten Rugby-Turnier der Welt. Dieses deutsche Team hat an diesem Wochenende nicht nur spielerische Klasse und eisernen Willen unter Beweis gestellt, sondern auch, dass ihr Aufwärtstrend keineswegs zu Ende ist. Mit Olympia, den Oktoberfest 7s und ja, auch Hongkong im nächsten Jahr, stehen große Aufgaben für das deutsche Wolfpack auf dem Programm.
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Gegen Irland war die deutsche Mannschaft über fast die gesamte Partie das bessere der beiden Teams. An den Kontaktpunkten ultra-aggressiv, mit zahlreichen geklauten Bällen in den Offenen und einigen überragenden Spielern. Jordan Conroy hatte bei den Gastspielen der Iren auf der World Series, unter anderem in London wie sie als Dritter das beste Ergebnis eines Gast-Teams jemals einfuhren, auch den Top-Teams der Welt riesige Probleme bereitet. Der blitzschnelle Ire mit französischen Wurzeln hatte unter anderem Carlin Isles und Dan Norton, zwei Superstars der Serie, abgehängt. Gegen Tim Biniak sah er heute kein Land.
John Dawe war, wie bereits im gesamten Turnierverlauf der Herr der Kontaktpunkte und konnte neben knallharten Hits ein ums andere Mal Bälle klauen. Anjo Buckman und Sam Rainger standen ihm in der Hinsicht kaum nach. Auch wenn Deutschland keinen gelernten Außen im Kader hatte, zeigte Tim Lichtenberg, dass er fast wieder die großartige Form der Oktoberfest 7s 2017 hat - sein Antritt zum zweiten deutschen Versuch war unwiderstehlich und ganz nebenbei räumte er Irlands Supersprinter aus dem Weg, als sei er ein Jugendspieler.
Individuell wie kollektiv glänzend
Aber auch kollektiv konnte das deutsche Team glänzen. Die Defensiv-Leistung gegen Irland war die beste im Turnierverlauf - kein anderes Team im Qualifier-Feld hatte die Iren mit ihren brandgefährlichen Außen derart gut unter Kontrolle. Die Raumaufteilung des deutschen Teams saß, die Defensive arbeitete kontinuierlich nach vorne, so dass Irland nicht in dem derart atemberaubenden Tempo auf die Defensive zulaufen konnte, wie im vorherigen Turnierverlauf.
Offensiv zeigte man taktische Variabilität - statt dem weiten Spiel von Seitenlinie zu Seitenlinie, dass die Iren perfekt beherrschen, spielte Deutschland viel physischer und machte mit harten Ballvorträgen schwer erkämpfte Meter, ohne dabei Turnover zu kassieren - was bei einer solchen Taktik immer die Gefahr ist.
Deutschland kämpfte sich nach dem 0:5 Halbzeitrückstand, der in Unterzahl nach einer berechtigen Gelben für Tim Biniak fiel, in Durchgang zwei zurück. Vuyo Zangqas Halbzeitbotschaft war eindeutig: „Haltet euch an den Plan, setzt sie weiter unter Druck“. Erst brach Tim Biniak zwei Tackle zum 5:5 Ausgleich und dann beschleunigte Fabian Heimpel nach einem weiteren geklauten Ball das Spiel zum richtigen Zeitpunkt und bediente Tim Lichtenberg zur 10:5 Führung.
Das gesamte Halbfinale gegen Irland im Relive
Deutschland verpasst den entscheidenden Schlag, Irland ist Nutznießer
Deutschland schien auf der Siegerstraße zu sein und als ein weiterer Straftritt für uns am Ruck gepfiffen wurde, setzte unser Wolfpack zum entscheidenden Schlag an. Fabian Heimpel setzte diesen zu den Stangen - eine mutige Entscheidung, die unseren Jungs den Sieg hätte bringen können - doch der Ball rutschte ihn über den Schlappen. Es wäre eine Acht-Punkte-Führung mit nur noch zwei Minuten auf der Uhr gewesen. Es sollte jedoch zum Wendepunkt werden - Irland fand den Glauben an den Sieg wieder, während unsere Jungs ihn zu verlieren schienen.
Zwei Versuche in weniger als zwei Minuten besiegelten das deutsche Schicksal - Irland hatte am Ende vielleicht auch ein paar Körner mehr, da sie den bis dahin viel einfacheren Weg ins Viertelfinale hatten. Deutschland konnte zwei Restarts der Iren nicht fangen und Irland schlug eiskalt zu. Wieder waren es Tränen und nicht der erhoffte Triumph. Wieder hatte Deutschland unter Beweis gestellt zurecht seit Jahren ein heißer Kandidat auf die World Series zu sein, ohne dass es am Ende gelangt hätte.
Der Blick nach vorne: Olympia, Oktoberfest 7s und wieder Hongkong
Die Teamleistung unserer Jungs war über das gesamte Wochenende großartig. Dabei hatte man es sich ein zwei Mal unnötig schwer gemacht. Sebi Fromm war wieder viel zu früh mit einer Schulterverletzung ausgewechselt worden. Die Leistung gegen Irland heute war die beste seit dem letzten Sieg über die Boys in Green beim GPS-Turnier von Moskau 2017.
Neben der erneut verbesserten Leistung ist auch das Potenzial dieses Teams riesig. Man denke nur an die Spieler abseits des jetzigen Zwölfer-Kaders - da warten zahlreiche Spieler auf ihre Chance - Carlos Soteras-Merz, Max Calitz, Zani Dembele oder Phil Szczesny, um nur ein paar zu nennen. Die Jungs werden in den kommenden Tagen eine verdiente Auszeit erhalten - doch die nächsten beiden großen Ziele stehen schon vor der Tür.
Im Juli können sich die deutschen Jungs im französischen Colomiers (bei Toulouse) das Olympia-Ticket sichern und nur wenige Monate später steht das größte deutsche Rugby-Event, die Oktoberfest 7s, vor der Tür. Und mit dem Turnier in München beginnt auch bereits der nächste Hongkong-Zyklus. Ohne die Iren dürften unsere Jungs im kommenden Jahr die absoluten Top-Favoriten auf den Aufstieg sein. Russland und der Absteiger (Japan, Kenia oder Wales) die größten Konkurrenten. Diese Spieler-Generation arbeitet seit Jahren auf dieses Ziel hin und wird sich, davon sind wir bei TR überzeugt, diesen Traum verwirklichen.