Nur mit nachhaltiger Nachwuchsarbeit blüht dem Deutschen Rugby eine erfolgreiche Zukunft - (c) Miriam May
In unserem heutigen Teil der Interviewreihe “Deutsches Rugby” geht es um das Nachwuchsrugby in Deutschland und wie wir durch gezielte Aktionen auch im Herrenbereich erfolgreicher werden können.
Wie sieht die Situation in Deutschland denn derzeit aus?
Seit Jahren tragen nur wenige Vereine unser internationales Nachwuchsrugby. In Heidelberg die Clubs RGH, TSV Handschusheim und HRK. In Hessen der RK Heusenstamm. In Hannover der DSV 1878. In Berlin der BRC und der RK 03. Also maximal 7 Clubs produzieren unsere U16 + U18-Nationalspieler. Noch hervorzuheben ist die über Jahre kontinuierliche Nachwuchsarbeit des FC St. Pauli, der meistens mangels Konkurrenz in der eigenen Stadt nach alternativen – und teuren – Spielmöglichkeiten suchen muss. Die Basis für unsere Auswahlteams besteht damit in der Regel aus ca. 100 Spielern pro Altersklasse, wenn überhaupt. Für große internationale Sprünge eindeutig zu wenig. Wenn wir im Konzert der „Großen“ in Europa, also der A-Gruppe mit Frankreich, Italien, Rumänien, Russland etc., in diesen Altersklassen mitspielen wollen, dann benötigen wir unter anderem eine größere Breite in diesen Spielklassen. Von ca. 10 spielenden Juniorenteams müssen wir auf mindestens die doppelte Anzahl kommen.
Doch wo fängt die Nachwuchsarbeit an? Wo liegen die Probleme?
Ganz unten. Aber dort spielen wir mit 6 bzw. 8, dann 10 und 12 Spielern, bevor wir endlich in der Jugend (U16) das 15er-Spiel beginnen. Unser Nachwuchs lernt also alle 2 Jahre ein neues Spiel und einige lernen gar nichts mehr, weil nicht mehr genügend Spieler für das Team zur Verfügung stehen. Der 1. Knackpunkt ist der Übergang zu den A-Schülern (U14). Nach zuvor sechsjähriger erfolgreicher Schülerarbeit ist dann Feierabend. Nächster Knackpunkt ist dann der Übergang zur Jugend. Und wenn dann Spieler die Ochsentour durchlaufen haben, dann stellen sie spätestens bei den ersten internationalen Vergleichen fest, wie hoch die Trauben hängen. Dann, und meistens erst dann, fangen unsere Spieler an, Rugby zu lernen und zu begreifen.
Wie kann man denn unser Niveau erhöhen?
Rugby lernt man unter anderem durch spielen, spielen, spielen. Doch die wenige Anzahl an Spielen pro Saison für unsere Schüler und Jugendlichen/Junioren fördert nicht die athletische und technische Ausbildung und das Spielverständnis. Apropos technische Ausbildung. Was ist mit der individuellen Förderung von Spielern? Arbeiten wir kontinuierlich an der Verbesserung ihrer Skills mit einzelnen Spielern? Fordern wir von unseren Nachwuchstrainern Trainerscheine? Haben wir Nachwuchszentren für alle Altersklassen?
Was hältst du von den Rugby-Akademien des DRV?
Die Idee von regionalen Rugby-Akademien ist richtig. Aber ohne eine Verbindung zum Leistungsrugby nur ein halber Schritt. Und ohne die Einbeziehung von Schulrugby zu kurzsichtig. Wir benötigen in unseren Rugbyhochburgen/-ballungsgebieten (Hamburg, Hannover, Berlin, Köln, Frankfurt, Heidelberg usw.) dringend Rugby-Akademien in dieser Ausprägung. Ich rede nicht über die Wild-Akademie, deren Ziele und Einbindung in die DRV-Strategie mir nicht klar sind. Mir fehlen dazu Informationen. Ich rede über regionale Akademien der Landesverbände und somit deren Vereine mit dem DRV. Mit einem klaren Konzept, mit einer klaren Organisation und Zuständigkeit. Inhalte: Leistungsrugby, Trainerausbildung, Schiedsrichterausbildung, Schulrugby, Universitätsrugby, Lehrerausbildung. Also einem weitreichenden Aufgabengebiet, das Schritt für Schritt gefüllt werden kann.
Was wären also konkrete Dinge, die man verändern sollte?
Um mehr Teams aus dem Schüleralter in die Jugend und Junioren zu bekommen, könnten wir die Spielerzahl in den unteren Klassen überdenken. Die Steigerung könnte ja Schrittweise erfolgen. Können wir nicht gleich mit 10 oder 12 Spielern starten? In den Altersklassen U12 und U14 benötigen wir ergänzende „Rekrutierungsprogramme“ über Schulrugby oder Spielfeste.
Ab der U14 sollten wir uns spätestens um regelmäßigen internationalen Spielverkehr auf Leistungsebene (Landesverband und DRJ) bemühen. Der RBW ist hier vorbildlich. Regelmäßige Trainings in DRJ-/Landesverbands- Leistungszentren sind die Bedingung. Diese sollten in Richtung der voran beschriebenen Akademien ausgebaut werden.
Aber wo setzt da das Schulrugby an, was ja in Deutschland bisher nur in wenigen Landesverbänden überhaupt stattfindet?
Schulrugby muß stärker in den Fokus des DRV und der Landesverbände rücken. Wir benötigen ein praktikables Konzept und die Zusammenarbeit aller LV und der DRJ. Ziel muß es sein, in allen LV ein funktionierendes Schulprogramm zu installieren, regelmäßige Wettbewerbe von Schulen zu initieren und auch in „Jugend trainiert für Olympia“ landes- und bundesmäßig eingegliedert zu sein. Auch hier ist der RBW bereits vorneweg. Zur Finanzierung dieses Programms muß es zu einer konzertierten Aktion des DRV/der DRJ mit den Landesverbänden und den Vereinen kommen. Das eine Finanzierung möglich ist, zeigt das Beispiel des NRV, wo seit 4 Jahren mit öffentlichen/privaten Zuschüssen und Eigenbeteiligung der Vereine und des NRV ein in der Schule erfolgreiches Projekt läuft.
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