Das deutsche Team hatte gegen Spanien zwar gute Ansätze gezeigt, aber war schlussendlich nicht in der Lage die Iberer länger unter Druck zu setzen. Foto (c) Kessler
Die fünfte Niederlage im fünften EM-Spiel schmerzt. Deutschland konnte auch gegen Spanien nicht die erforderlichen Punkte einfahren, um den Gang in die Relegation zu vermeiden. Am Ende stand ein 10:33 auf der Anzeige des Kölner Sportparks Höhenberg. Woran hat es gelegen und wie geht es weiter? Wir analysieren das Geschehen von Köln.
Es war ein frustrierender Nachmittag aus deutscher Sicht, der insgesamt fünfte im Verlaufe dieses EM-Frühlings und er fing an, wie er schließlich enden sollte. Schon vor dem Anpfiff musste das deutsche Team den ersten dicken Rückschlag verkraften. Kapitän Sebastian Ferreira, der eigentlich hätte als Nummer acht auflaufen und den deutschen Sturm anführen sollen, war unter der Woche erkrankt und in letzter Minute wurde entschieden, dass er heute nicht spielen würde können. Ohne den starken Gasse-Springer, Ballträger und Paket-Spezialisten blieb das deutsche Sturmspiel heute weit hinter den Leistungen der letzten Wochen zurück.
So sollte Gedrängehalb Tim Menzel im Verlauf der achtzig Minuten Tim Menzel nicht einen einzigen brauchbaren Ball aus einem deutschen Lineout erhalten. Gleich drei Mal gingen Gasse-Bälle direkt an Spaniens Fünf-Meter-Linie verloren - in aussichtsreichere Positionen kann man im Endeffekt schlecht kommen. Doch es haperte heute nicht nur an der Gasse. In den entscheidenden Momenten fehlte, wie im gesamten Verlauf der EM, die Kaltschnäuzigkeit.
Gute Ansätze im deutschen Team führen nicht zu Punkten
Spielerisch gab es zeitweise aus deutscher Sicht durchaus Lichtblicke: Ein wunderschöner Cross-Kick von Verbinder Klewinghaus auf Außen Soteras-Merz, der zwei Spanier umkurven konnte, brachte das deutsche Team Mitte des ersten Durchgangs tief in die 22. Doch aus dieser tollen Feldposition schlug die deutsche Mannschaft keinerlei Kapital, auch weil Spanien den Angriff in einem Offenen nur zwei Meter vor per Linie Bodenspiel zynischerweise beendete, wofür es Straftritt, aber nicht die fällige Gelbe gab.
Ein weiteres Mal war es Marcel Coetzee, der mit einem tollen Lauf an mehreren Spaniern vorbei bis an die 22 der Gäste kam. Doch auch diese Chance versandete im Nichts. Über gute Ansätze ging das deutsche Spiel in der Offensive meist nicht hinaus. In der Defensive war der Einsatz da und über weite Strecken saßen die Tackles. Die eigenen Anstrengungen untergruben unsere Adler aber Mal für Mal durch ihre eigene Disziplinlosigkeit. Der italienische Unparteiische Piardi bestrafte unsere Adler mindestens doppelt so oft für eine ganze Reihe von Vergehen, wie die Gäste.
Spanien profitiert anfangs von deutscher Disziplinlosigkeit
So gelangten los Leones ein ums andere Mal bis tief in die deutsche 22. Anders als bei unseren Jungs, funktionierte die Gasse der Iberer nach anfänglichen sturmbedingten Schwierigkeiten aber verlässlich, weswegen es den Gästen einfacher fiel zu punkten. In der ersten Hälfte zeigte sich Spanien dann auch gnadenlos effektiv, obwohl die Iberer optisch nicht sonderlich felbüberlegen waren. Nach nur wenigen Minuten schoben die Iberer eine Strafgasse mit viel Wucht in das deutsche Malfeld - Top-14-Profi Xerom Civil von Agen trug das Leder die letzten Zentimeter über die Linie.
Auch Spaniens zweiter Versuch war Folge einer Strafgasse in Deutschlands 22 - der erfahrene Prop Civil hatte Deutschlands Youngster Emil Rupf nahe der Mittellinie im Ruck auf der falschen Seite eingeklemmt, so dass dieser nicht wegrollen konnte und den Straftitt kassierte. Deutschlands Sturm konnte Spaniens schwere Jungs zwar noch einmal aus dem Malfeld halten, schlussendlich war es aber dann aber Spaniens südafrikanischer Verbinder Andrew Norton, der das Leder über die Linie brachte.
Zur Pause beim Stand von 3:12 konnte man ein ähnliches Fazit ziehen, wie zwei Wochen zuvor gegen Russland in Heidelberg. Man war im Spiel, konnte durchaus mithalten, es fehlte jedoch die rechte Initialzündung. Doch während diese gegen Russland in Form eines großartigen 80-Meter-Laufs durch Marcel Coetzee erfolgte, blieb sie heute in Köln aus. Im Gegenteil: Der zweite Durchgang gestaltete sich viel eindeutiger.
Deutsches Team baut ab, Spanien nach der Pause dominant
Vielleicht lag es daran, dass einige Schlüsselspieler bereits ihr drittes Spiel am dritten Wochenende in Folge und insgesamt das fünfte in sechs Wochen absolvieren mussten. Im zweiten Durchgang hatte das deutsche Team nicht mehr viel zuzusetzen. Spanien setzte sich nun in der deutschen Hälfte fest - die Standards waren klar in spanischer Hand und bereits der dritte Gäste-Versuch nach einem starken spanischen Gedränge durch die Nummer acht Manu Mora kurz nach der Pause wirkte wie eine Art Vorentscheidung.
Hatte es das deutsche Team es in der ersten Hälfte noch geschafft, die spanischen Bälle im Ruck zumindest ab und an langsam zu machen, um den Spielfluss zu stören - allen voran Dasch Barber mit einem wichtigen Turnover und Jaco Otto, der einige offene der Spanier langsam machte - hatte Spanien nun freie Fahrt sein Spiel aufzuziehen. Los Leones kombinierten nun auch mehr, wobei das Paket der Gäste die stärkste Waffe blieb.
Hatte Deutschland mit dem Maul noch gegen Belgien, Russland und zum Teil auch gegen Rumänien Meter gemacht, wurde die eigene Waffe nun gegen unsere Adler eingesetzt. Den spanischen Versuchen vier und fünf folgten jeweils auf deutliche Raumgewinne durch das Sturm-Paket der Leones. Erst in der Schlussphase kämpfte sich das DRV-Team noch ein Mal in die 22 der Gäste vor und nun folgte endlich auch der benötigte Abschluss. Jaco Otto konnte aus kurzer Distanz mit der letzten Aktion zumindest ein wenig Ergebniskorrektur betreiben.
Ausblick - es geht in der Relegation ums Überleben
Die bittere Bilanz nach der EM: Der letzte Platz und damit der Gang in die Relegation. Spanien war heute zu stark, als dass man die heutige Niederlage als Ursache für das Abschneiden hätte ausmachen können. Die Spiele in Belgien und daheim gegen Russland waren im Nachhinein weitaus eher zu gewinnen, als das Duell mit Spanien. Belgien, das während der EM-Saison lediglich gegen uns ihr Top-Team aufgeboten hatte, verbleibt damit sicher in der Rugby Europe Championship.
Für Deutschland wird es gegen Portugal oder die Niederlande um den Klassenverbleib gehen. Dass man zuletzt gegen beide Teams gewinnen konnte - gegen Portugal in der WM-Quali und die Niederlande in der EM-Vorbereitung - sollte den deutschen Fans Mut machen.
Vieles hängt auch an der Terminierung, den Deutschland wird seinen kompletten Kader mit allen Frankreich-Profis brauchen, um gegen Portugal zu bestehen. In den vergangenen beiden Jahren wurde das Relegationsspiel erst im Mai und dann im November ausgetragen - der Termin für dieses Jahr steht noch nicht fest.
Für „os Lobos“, wie die das Fünfzehner-Team Portugals genannt wird, ist es bereits der dritte Gang in die Relegation in Folge. Gegen Belgien (18:29 im Mai 2017) und Rumänien (6:36 im November 2018) reichte es jeweils nicht. Das deutsche Team wird in jedem Falle Heimrecht genießen und es wird kein Rückspiel geben - die Chance auf den Klassenerhalt ist durchaus da, wenn nun weitere Arbeit auf Trainer und Team warten.
Wenn man aus diesem EM-Frühjahr etwas Positives ziehen will, dann sind es eine Reihe von Youngstern, die ins kalte Wasser geworfen wurden und dabei ihr Potenzial angedeutet haben. Der erst 21-jährige Nikolai Klewinghaus wirkte heute als Verbinder souverän, obwohl der Job als Spielmacher mit so viel Druck durch den gegnerischen Sturm kein einfacher ist. Emil Rupf hat mit seinen erst 18 Jahren heute in der Gasse so seine Probleme gehabt - aber gegen Georgiens Monster-Sturm bewiesen, dass er für dieses Metier gemacht ist. Vielleicht geht diese EM ja auch als großer Umbruch mit einer neuen Spieler-Generation in die deutsche Rugby-Geschichte ein.
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