Russischer Bär auf dem Weg nach Heidelberg: Sich mehr gegen den Favoriten zutrauen
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 27. Februar 2019
Wie 2018 wird das deutsche Team wohl als Underdog in das Duell mit Russland gehen. Foto (c) Kessler
Russland befindet sich seit Monaten in der Vorbereitung auf den wohl größten Moment seiner Rugby-Geschichte - am 20. September 2019 eröffnen die Bären in Tokio gegen Japan die nächste WM. Seitdem dies feststeht, wird beim russischen Verband nichts unversucht gelassen, um das Team bestmöglich vorzubereiten. Der Besuch in Heidelberg am Samstag wird weit weniger glamourös sein, als das Spiel in der Millionen Metropole. Dennoch birgt das Spiel Stolpergefahr für den Gast. Deutschlands schwarze Adler wollen sich gegen die Russen mehr zutrauen, so Coach Ford.
Dass im russischen Rugby, trotz der auch im Riesenreich nur langsam steigenden Popularität des ovalen Ballsports, andere Verhältnisse als hierzulande herrschen, lässt sich an einer Zahl manifestieren. Knapp 1,1 Milliarden Rubel beträgt das Budget des russischen Rugby-Verbands im Jahr 2019 - das entspricht aktuell gut 14,6 Millionen Euro.
Nicht nur ist dies ein Vielfaches dessen, was dem der DRV jährlich zur Verfügung steht. In Russland verdienen Ärzte gut 500€ im Monat und Physiotherapeuten noch deutlich weniger - was man also mit derartigen Summen anstellen kann, ist weitaus mehr, als das in Deutschland der Fall wäre.
Es sollte also niemanden verwundern, dass die russische Mannschaft sich gezielt in einem langen Trainingslager im türkischen Antalya auf diese EM-Saison vorbereitet hat. Denn die Mittel sind vorhanden und im Zentrum des russischen Rugbys, dem sibirischen Krasnoyarsk, herrschen seit Monaten Dauerfrost mit zum Teil deutlichen zweistelligen Minus-Graden.
Alle Kräfte werden in Russland auf die WM hin gebündelt
Die Anstrengungen des Verbandes richten sich seit der überraschenden WM-Quali auf das Turnier in Japan diesen Herbst. Mit Lyn Jones wurde ein neuer walisischer Headcoach verpflichtet, der schon die Ospreys und Namibia trainiert hat. Bereits im November hatte Russland mit Blick auf Japan zwei hochklassige Länderspiele absolviert und dabei WM-Teilnahmer Namibia geradezu vom Platz gefegt und gegen WM-Gastgeber Japan lediglich mit fünf Zählern verloren.
Im November trafen Russland und Japan bereits aufeinander - mit dem knapp besseren Ende für den WM-Gastgeber
Traditionell startet die russische Mannschaft aber mäßig in die EM-Saison - denn im eisigen Russland ruht der Spielbetrieb schon seit Mitte Oktober und so haben bis auf die Sale-Sharks-Profis Ostrikov und Mozorov alle Spieler des EM-Kaders seit dem Herbst nicht mehr auf Vereinsebene gespielt. Die professionelle Premer Liga hat die wohl längste Winterpause und startet erst Mitte Mai wieder in die neue Saison.
Kein Wunder, dass die Russen gegen Spanien einen Stotterstart hinlegten, aber dennoch eigentlich hätten als Sieger vom Platz gehen müssen. Bei der 14-16 Niederlage in Madrid war den Spaniern ein Versuch zu Unrecht gegeben worden, während Siebener-Star Denis Simplikewitsch einen sicheren Versuch auf dem Weg ins Malfeld fallen ließ.
Insgesamt macht die Verstärkung des russischen Teams durch die im letzten Sommer aus der World Sevens Series abgestiegenen Siebener-Mannschaft deutlich gefährlicher. Gerade Vladimir Ostroushko, der im Fünfzehner meist als erster oder zweiter Innen zum Einsatz kommt, verleiht dem Team noch mehr X-Faktor.
Russlands Stärken: Schnelles Spiel
Die Stärken des russischen Teams, das vor zwei Wochen in Sochi den Belgiern gleich zehn Versuche einschenken konnte, liegt vor allem im schnellen und dennoch physischen Spiel. Wo die Russen in der bisherigen EM-Saison Schwächen gezeigt haben, ist im Gedränge. Ein sonst hoffnungslos unterlegenes belgisches Team, bei dem die Frankreich-Profis fehlten, konnte den Russen im Gedränge durchaus wehtun.
Da muss auch die deutsche Mannschaft am Samstag ansetzen, um sich gute Feldposition zu sichern. Zudem waren die Russen sowohl im Spiel gegen Belgien, als auch gegen Spanien ein paar Mal unaufmerksam in der Verteidigung der Seiten des Rucks, sowie der kurzen Seite. Es wird für die deutsche Mannschaft keine Aufgabe, doch auch Russland ist für unsere Jungs zu schlagen.
Coach Ford: Bisherige Leistungen schwach, Samstag mit mehr Mut spielen
Nationaltrainer Mike Ford äußerte sich derweil in der Rhein-Neckar-Zeitung über die Leistungen seines Teams in den bisherigen beiden Spielen - diese seien „deutlich schwächer“ gewesen, als erwartet. Die Abwesenheit erfahrener Akteure, wie Sean Armstrong und Michael Poppmeier seien einer der Gründe, warum das Team bisher nicht an die Leistungen aus Marseille anknüpfen könne.
Gleichwohl lobte Ford den neuen Adler-Kapitän Sebastian Ferreira. Dieser sei, gerade im Hinblick auf sein Alter von erst 25 Jahren, ein „sehr überzeugender Kapitän“ (Link zum RNZ-Interview mit Mike Ford). Um in den verbleibenden drei Spielen der Rugby Europe Championship bessere Chancen zu haben, brauche es genauso viel Kampfgeist, wie in den ersten beiden Spielen und noch mehr Mut seitens seiner Mannschaft sich etwas zuzutrauen.