Wenn Owen Farrell auch an diesem Wochenende eine ähnliche Leistung abruft, dürfte Frankreich in London keine Chance haben. Foto (c) Perlich
Das zweite Wochenende der Six Nations steht an. Nach 19 Versuchen und einer faustdicken Überraschung zum Auftakt werden Fans des ältesten internationalen Wettbewerbs nun hoffentlich wieder mit Sahne-Rugby verwöhnt. Besonders Le Crunch zum Abschluss des Spieltags verspricht ein großes Duell zu werden. Bereits morgen, parallel zum Deutschland-Spiel entscheidet sich, ob Irland sich weiter Hoffnungen auf eine Titelverteidigung machen darf.
Schottland - Irland Samstag 9. Februar 15:15 Uhr, Murrayfield Edinburgh (live bei DAZN)
Wie schnell sich die Vorzeichen ändern können. Noch vor sieben Tagen galt Irland als überragender Turnierfavorit beim ältesten internationalen Rugby-Wettbewerb weltweit. Einige Experten hefteten den Boys in Green gar das Label „beste Mannschaft der Welt“ an. Doch nun stehen Joe Schmidts Männer gewaltig unter Zugzwang. Nachdem sie vor zwei Jahren an gleicher Stelle mit 22:27 verloren hatten, muss nun ein Sieg her, sonst ist der Traum von der Titelverteidigung bereits futsch.
Doch Schottland ist alles andere als Fallobst, wie die Männer von Trainer Townsend in den letzten Jahren immer wieder bewiesen haben, vor allem in der Festung Murrayfield. Unter den 67.000 im seit Monaten restlos ausverkauften Nationalstadion werden auch sicher dieses Mal viele Iren dabei sein - doch insgesamt erwartet die Iren eine feindliche Atmosphäre.
Sollte Schottlands Verbinder Finn Russel wieder einen weiteren Zaubertag erwischen, droht auch den Iren Ungemach. Doch gerade die Tatsache, dass die Schotten neben ihrem Hurra-Stil vermeintlich keinen echten Plan B haben, könnte sich als Chance für die Iren erweisen. Ein Kick-Bombardement à la Owen Farrell dürfte sie nicht erwarten.
Zudem ist der in der Vorwoche oftmals nicht optimal positionierte Aushilfs-Schluss Robbie Henshaw mit einem Eisbein aus der Start-XV geflogen. Die Engländer hatten den auf diesem Niveau als Fullback unerfahrenen Henshaw mit ihren Kicks ein ums andere Mal überspielt. Für ihn rückt der erfahrene 32-jährige Rob Kearney zurück ins Aufgebot - seine Sicherheit unter dem hohen Ball dürfte den Iren gut tun.
Weit weniger willkommen sind die verletzungsbedingten Wechsel von Garry Ringrose, den Munsters Chris Farrell auf der 13 ersetzen wird, sowie der Ausfall CJ Standers. Irlands Achter hatte gegen England hatte bereits in der ersten Hälfte eine doppelte Gesichtsfraktur erlitten, dann aber dennoch 60 Minuten lang zu Ende gespielt. Ihn ersetzt Leinsters Jack Conan.
Die Schotten wiederum haben von der Verletzungsfront erfreuliche Nachrichten erhalten. Mit Johnny Gray und Sean Maitland kehren zwei ganz wichtige Stützen in die Start-XV zurück. Gray gilt als einer der besten Zweite-Reihe-Stürmer weltweit und Maitlands Finisher-Qualitäten werden von Coach Townsend derart hoch eingeschätzt, dass Hattrick-Held Blair Kinghorn, der Italien fast im Alleingang auseinandernahm, auf die Bank weichen muss.
TotalRugby-Prognose: Wer der Favorit in diesem Spiel ist, darüber herrscht Uneinigkeit. Doch Schottland geht mit breiter Brust in dieses Duell. Ihrer Heimstärke bewusst, könnten sich die Schotten erstmals seit dem Jahr 2000 vom Gewinn des Wettbewerbs träumen, auch wenn dies mit kommenden Auswärtsspielen in London und Paris sicher weiter hochspekulativ wäre. Doch Schottland wird in dieser Partie nichts unversucht lassen und England hat den Schotten einen Plan mit an die Hand gegeben, wie die Iren zu knacken sind. Ob sich die Gastgeber auf ein derartig kicklastiges Duell einlassen werden, bleibt abzuwarten.
Irland dagegen hatte eine demoralisierende Niederlage zu verkraften und dazu noch einige Ausfälle. Sie werden nach einer Niederlage nicht von ihrem erprobten Konzept abweichen und auch ohne Stander und Ringrose könnten die Iren damit Erfolg haben. Murray und Sexton kontrollieren ein Spiel besser als jedes andere Spielmacher-Paar und das muss ihnen am Samstag wieder gelingen. Schottland wird daheim zu Punkten kommen, die Iren müssen mit ihrem Sturm einfach effektiver sein und das Risiko besser dosieren. Irland findet in Edinburgh zur alten Souveränität zurück und setzte sich knapp aber verdient mit +6 durch.
Runde eins der Six Nations hatte einige Highlights zu bieten
Italien - Wales Samstag 9. Februar 17:45 Uhr, Stadio Olimpico Rom (live bei DAZN)
Italien steigert sich, Italiens Pro-14-Teams werden besser, Italien bringt Talente hervor. Jahr für Jahr hört man die gleichen Meldungen, aber schlussendlich schneiden die Italiener nicht besser ab. Ihre 20-33 Niederlage in Edinburgh wurde nur durch drei ganz späte Versuche in Überzahl erträglicher. Wenn man einen Indikator dafür sucht, wie weit Italien hinter der Konkurrenz hängt, braucht man nur auf die Aufstellung der Waliser zu schauen für ihr morgiges Duell in der ewigen Stadt: Ganze zehn Wechsel nimmt Coach Warren Gatland vor.
Außen Jonah Holmes, Flanker Thomas Young und Aaron Wainwright sowie Gedrängehalb Aled Davies starten erstmals bei den Six Nations. Flügelstürmer Young wird in Wales hochgehandelt und sein Debüt ist mit einiger Erwartung verbunden. Der einzige früh feststehende Wechsel ist der auf der Verbinder-Position: Dan Biggar ersetzt Gareth Anscombe. Der als spielfreudiger aber unberechenbarere Anscombe hatte in Paris vor einer Woche eher mit Fehlern und Unkonzentriertheiten von sich Reden gemacht, weswegen mit dem als konservativer geltenden Biggar gerechnet wurde.
Für Wales ist die Erwartungshaltung eine klare: In Italien muss trotz der vielen Wechsel ein Sieg her. Dann darf sich der Geheimfavorit tatsächlich Hoffnung auf einen Turniersieg machen. Gegen Erzrivale England geht es nämlich im heimischen Cardiff, in der auch von den Engländern gefürchteten Festung Millennium Stadium. Ein ähnlich fehlerbehaftetes Spiel, wie in Paris, dürfte im frühlingshaften Rom nicht zu erwarten sein. Immerhin zählt mit Liam Williams Wales bester Spieler aus der Vorwoche zu den fünf übriggebliebenen.
Bei den Azzurri versucht man sich an den drei späten Versuchen in Schottland aufzurichten und zu vergessen, dass man vorher 70 Minuten lang kein Mittel gegen die nicht als bombenfeste geltende Defensive der Schotten gefunden hatte. Lediglich zwei Wechsel nimmt Coach Conor O’Shea für das erste Heimspiel vor:
TotalRugby-Prognose: Immerhin gab es vor dem Spiel etwas Kontroverse. Wales-Coach Warren Gatland sah sich gar gezwungen seine Rotation zu rechtfertigen - „dieses Team hat immer noch tonnenweise internationale Erfahrung“, betonte der Neuseeländer, der seine Waliser zum letzten Mal bei den Six Nations trainiert. Gleichwohl würde sich Gatland eine derartige Rotation gegen kein anderes Team bei den Six Nations erlauben. Er kann sich sicher sein, dass auch seine B-Auswahl gegen Italien schlussendlich überlegen sein wird. So sehr Italien sich auch verbessert haben mag. Wales setzt sich trotz aller Wechsel mit +13 Zählern durch.
England - Frankreich Sonntag 10. Februar 16 Uhr, Twickenham Stadium London (live bei DAZN)
Für England-Fans ist die Welt wieder in Ordnung. Nach der Demütigung bei den letztjährigen Six Nations haben die als nicht gerade demütigen Fans des Mutterlandes wieder ihr Selbstbewusstsein gefunden. Und anders als die Iren, haben die Engländer mit dem Label Favorit kein Problem. Da scheinen auch die Franzosen, speziell nach ihrer hochdramatischen Niederlage zum Auftakt gegen Wales, gerngesehene Gäste zu sein.
Bei England muss Coach Eddie Jones auf Sturm-Star Maro Itoje der mit einem Bänderriss im Knie bei diesem Turnier keine Rolle mehr spielen wird. Mit Courtney Lawes hat England aber mehr als adäquaten Ersatz, schon in der Vorwoche hatte Lawes Itoje in der Schlussphase ersetzt. Außerdem bekommt Chris Ashton einen Startfünfzehn-Einsatz - auf Kosten von Jack Nowell, der für ihn auf die Bank rückt.
Sollte Englands Spiel in Dublin ein Indikator sein, ist die Favoritenrolle klar verteilt. Mit ihrem hochintensiven Spiel, das Irland-Coach Schmidt mit einer Tracht Prügel verglich, dürften auch die Franzosen haben. Owen Farrell hatte dazu einen absoluten Sahnetag und spielte klar besser als Weltspieler 2018 Johnny Sexton. Eddie Jones hatte bereits nach dem Spiel gedroht, dass sein Team nur noch besser werde. Aus Frankreich-Sicht sollte man davor Angst haben.
Aber vielleicht liegt den Gästen auch der Spielstil der Engländer. In keiner anderen Liga wird derart physisch gespielt, wie in der französischen Top 14 und keiner kann das besser als Mathieu Bastareaud.
Der XXL-Innen hatte es vor einer Woche nicht Mal in den Kader geschafft und ist nun wieder zurück in der Start-XV. Ex-Frankreich-Neuner Thomas Castaignède sah sich vor einigen Tagen gar genötigt, Bastareaud einen Wechsel in den Sturm nahezulegen. Für die Dreiviertelreihe sei er zu langsam im modernen Rugby. Nun ist Frankreich-Coach Brunel aber davon überzeugt, dass ihm Bastareaud helfen kann, zurück in die Zukunft.
Nachwuchs-Star Ntamack muss trotz gutem Einstand auf die Bank. Yoann Huget wiederum darf trotz seiner Horror-Show bei George Norths erstem Versuch bleiben und startet als Schluss. Ebenso Sebastien Vahaamahina, der 135 kg schwere Zweite-Reihe-Stürmer hatte in der Schlussphase, bei eigener Führung in der gegnerischen Hälfte gedacht, dass ein doppelter Überpass eine tolle Idee sei. George North bedankte sich mit einem Intercept - dieser Lapsus kostete seinem Team den Sieg.
Außerdem verwunderte Vahaamahina im Nachgang mit einer Aussage: Er sei vom Schiedsrichter Barnes überrascht worden, als er ihn als Kapitän angesprochen habe. Dass er nach der Auswechslung von Guirado Spielführer wurde, habe ihm niemand gesagt. Das, sowie die Tatsache, dass Vahaamahina und Huget ihre Plätze behalten, bereitet einem Sorgen um das Coaching in Frankreichs Nationalteam.
TotalRugby-Prognose: England ist Favorit, darüber muss man eigentlich nicht diskutieren. Doch nichts wäre dem Klischee des Rugby-Franzosen entsprechender, als wenn les Bleus am Sonntag auf einmal eine 80-Minuten-Leistung abrufen und England schlagen würden. Man weiß nie, welches englische Team auflaufen wird, so die Binsenweisheit in England. Was dagegen spricht? Frankreich hat seit Jahren nicht mehr über 80 Minuten so gespielt, wie ihnen das gegen Wales im ersten Durchgang gelungen war. Könnte Frankreich eventuell auf dem richtigen Weg sein, wie einige Kommentatoren suggerieren? So sehr wir bei TR gerne daran glauben würden, es scheint nicht so zu sein. Zu panisch scheinen die Wechsel, die Rückkehr von Mathieu Bastareaud. England in der aktuellen Form scheint eine Nummer zu groß für les Bleus, zumal daheim. England gewinnt mit +11 Zählern.
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