Six-Nations-Vorschau: England fordert Irland heraus
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 1. Februar 2019
Titelverteidiger Irland steigt morgen in das Turnier ein - ob der Iren auch daheim gegen England jubeln dürfen?
Man könnte fast meinen die Six-Nations-Organisatoren hätten noch nie was von einem Spannungsbogen gehört - gleich beim Auftaktwochenende wartet auf die Fans des ältesten Rugby-Turniers der Welt das der auf dem Papier stärksten Teams. England, nach dem Katastrophen-Turnier 2018 auf Wiedergutmachung besinnt, gastiert beim Titelverteidiger in Dublin. Im ersten Spiel des Super-Samstags muss Schottland derweil seiner Favoritenrolle gegen Italien gerecht werden.
Der Wooden Spoon, die imaginäre „Belohnung“ für den Letztplatzierten, ist in den 19 bisherigen Six-Nations-Turnieren seit der Aufnahme Italiens nur zwei Mal an ein Team außer Schottland und Italien gegangen. Die Azzuri haben das Sechs-Nationen-Turnier zuletzt drei Mal in Folge als sechster abgeschlossen und gelten auch in diesem Jahr wieder als absolut heißer Kandidat auf den Wooden Spoon.
Paradoxerweise sitzt Italien-Coach Conor O’Shea fest im Sattel - mehr noch, dem irischen Coach wird gar gute Arbeit attestiert. Der ehemalige Schluss der Iren hat es sich zum Ziel gesetzt das italienische Rugby von Grund auf zu reformieren und zukunftsfest zu machen. Er arbeitet regelmäßig mit den beiden Pro-14-Teams und gerade das entfaltet langsam Wirkung. Die ehemalige Prügelknaben Benneton Treviso steht als Zweiter in der multinationalen Liga besser da denn je.
O’Shea würde man auch ein weiteres Jahr ohne Sieg verzeihen - der letzte liegt mittlerweile vier Jahre zurück und erfolgte im Murrayfield, wo die Azzuri morgen ihr Turnier beginnen werden. Eine Wiederholung dieses Triumphs scheint, da sind sich alle Experten einig, unwahrscheinlich. Zu stark haben sich die Schotten in den letzten Jahren entwickelt.
Schottland wird gegen Italien, nach den guten Leistungen im Herbst, Favorit sein
Bei Italien fehlen zudem mit dem blitzschnellen Schluss Matteo Minnozi und dem Gloucester-Flanker Jake Polledri zwei extrem wichtige Spieler. Umso mehr Verantwortung wird auf den Schultern von Sebastian Negri, dem zweiten Weltklasse-Flanker der Italiener liegen. Der in Simbabwe geborene Sohn eines Italieners wird zusammen mit dem erfahrenen Parisse die Kohlen aus dem Feuer holen müssen.
Dieser steht nach 134 Spielen für Italien mit 100 Niederlagen einsam an der Spitze der internationalen Rankings. Dennoch gibt sich der 35-jährige optimistisch. Sicher könne man auch in diesem Jahr Spiele gewinnen, gab der für einen Dritte-Reihe-Stürmer mit zu viel Können begabte Italiener bei der Pressekonferenz zu Protokoll. Es könnten seine letzten Six Nations sein und was wäre da besser als mit einem Sieg abzuschließen.
Die Schotten dagegen müssen morgen liefern, da gibt es keinen Zweifel. Seit Wochen sind alle drei Heimspiele der Bravehearts ausverkauft. Für schottische Verhältnisse ist der momentane Hype um die Mannschaft geradezu sensationell. Nach dem dritten Platz im Vorjahr hofft man im Norden der Insel auf eine ähnlich gute Leistung - da ist ein Sieg gegen die Italiener daheim Pflicht.
Mit Schluss Stuart Hogg, Gedrängehalb Greig Laidlaw und Verbinder Finn Russel sind die drei wichtigsten Dreiviertel-Spieler an Bord und auch der im Vorjahr überragende Huw Jones ist fit. Für Schottland nahezu eine luxuriöse Situation. Lediglich im Sturm fehlen mit Johnny Gray und Hamish Watson zwei wichtige Stützen.
TotalRugby-Prognose: Gegen die Azzuri dürfte die Mannschaft von Coach Gregor Townsend bei trockenen und kühlen Bedingungen ihr übliches breites und schnelles Spiel aufziehen. Die Azzuri werden alle Hände voll zu tun haben, den Angriffswirbel zu stoppen. Italiens alte Stärke bei den Standards ist mittlerweile keine Waffe mehr und es ist schwer zu sehen, wo die Azzuri den eingespielten Schotten gefährlich werden können. Schottland gewinnt daheim mit +15 Zählern und strebt dieses Jahr erneut nach höheren Weihen.
Irland - England Samstag 2. Februar, 17:45 Uhr, Landsdowne Road Dublin (live bei DAZN)
Showdown in Dublin. Im letzten Jahr sicherte sich Irland ausgerechnet am St. Patrick’s Day gegen die ungeliebten Engländer den Grand Slam. Seitdem hat Irland seine Klasse im letzten Juni auf der Australien-Tour, sowie mit dem November-Sieg über die All Blacks unter Beweis gestellt. England konnte zumindest ein wenig Wiedergutmachung betreiben.
Englands Coach Eddie Jones hat in den letzten Wochen zwar versucht tiefzustapeln, was man vom sonst meinungsstarken und selbstbewussten Japano-Australier nicht gewöhnt ist. Die WM sei das einzige Ziel, das Abschneiden bei den Six Nations Maximal zweitrangig. Insgeheim aber wird der eifrige Jones aber auf den Coup in Dublin hoffen.
Doch wie knackt man Irland, wenn es selbst die All Blacks mit ihrer blitzschnellen, physisch harten und unglaublichen intensiven Spielweise nicht schaffen? Jones Hoffnung ist Manu Tuilagi, der unglaublich kraftvolle und dennoch schnelle Innen ist seit Jahren immer wieder durch Verletzungen zurückgeworfen worden. Jetzt scheint Manu aber endlich wieder fit - pünktlich im WM-Jahr.
2018 sicherte sich Irland in London am St. Patrick's Day den Grand Slam
Zusammen mit dem spielfreudigen Henry Slade soll er auf Außen für Gefahr sorgen. Verbinder Owen Farrell ist rechtzeitig fit geworden, so dass George Ford, Sohn von DRV-XV-Coach Mike Ford, nur die Backup-Rolle auf der Bank bleibt. Für viel Verwunderung sorgte Eddie Jones dann aber wiederum mit der Nominierung von Elliot Daily als Schluss.
Denn noch vor wenigen Tagen meinte Jones, dass sich sein Team auf ein Kick-Feuerwerk der Iren einstellen müsse - nun lässt er den unter dem hohen Ball bombensicheren Mike Brown außen vor. Auch der zuletzt formstarke Außen Chris Ashton spielt nicht von Beginn an, ihm bleibt aber zumindest ein Platz auf der Bank.
Irlands Coach Joe Schmidt ist eigentlich nicht dafür bekannt, bei seinen Nominierungen große Überraschungen zu produzieren. Doch dieses Mal tat er genau das - statt dem erfahrenen Rob Kearney, der ebenso wie Brown als sichere Bank unter dem hohen Ball gilt, startet Robbie Henshaw. Der bullige 1,91-Mann ist normalerweise auf Innen daheim und hat kaum als Schluss gespielt.
Immerhin sprechen die guten Bedingungen dafür, dass morgen nicht sonderlich viel gekickt werden dürfte. Es sollte ein offener Schlagabtausch zweier Teams werden, die es beide auf den Webb-Ellis-Cup, der im übrigen nächste Woche in Berlin, Köln und Bonn gastiert, abgesehen haben. An Intensität dürfte dieses Duell kaum zu überbieten sein.
TotalRugby-Prognose: Der größte Vorteil der Iren ist, dass Joe Schmidt seit Jahren daran arbeitet eine erste XV zu etablieren. Mit dem Kern an super erfolgreichen Leinster-Spielern die in Europa alles abräumen, sowie einige Stars von Munster und Ulster wie Murray und Stockdale, hat er ein Weltklasse-Team geformt. Bei den Iren kennt jeder seine Aufgabe und spielt seinen Part in der gutgeölten Maschine.
Eddie Jones wiederum ist gefühlt seit seiner Amtsübernahme auf der Suche nach seiner besten XV und das spiegelt sich auch in der Verunsicherung einiger Spieler wieder. Den größten Fehler, die englische Mannschaft zu hart im Training ranzunehmen, der den Engländern im Vorjahr den vorletzten Platz beschert hatte, wird Jones sicher nicht noch einmal begangen haben.
Irland mit seinem harmonischen und eingespielten Kreativ-Duo Murray-Sexton und seinem brutal starken Sturm ist für diese englische Mannschaft zur Zeit eine Nummer zu stark, zumal in Dublin. Irland gewinnt mit +9 Zählern.