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Nach erneutem Todesfall in Frankreich: Diskussionen über Sicherheit des Rugbysports
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 27. Dezember 2018

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Gedenk-Minute für den verstorbenen Nicolas Chauvin bei einem Erstliga-Spiel in Frankreich..

Frankreichs Rugby-Gemeinde befand sich in den letzten Tagen vor Weihnachten und über die Feiertage hinweg in einer Art Schockzustand. Die gestrigen Spiele am 2. Weihnachtsfeiertag standen unter besonderer Beobachtung. Was war passiert? Ein junger Stade-Français-Spieler war Mitte Dezember während eines Spiels der U-21 der „Soldats Roses“ gegen Bordeaux verstorben - nachdem erst vor drei Monaten ein ähnlicher Vorfall das Land aufgerüttelt hatte, sorgte dieser Fall für hitzige Diskussionen über die Gefährlichkeit des Rugby-Sports.

Der erst 19-jährige Flanker Nicolas Chauvin aus der Akademie von Stade Français Paris, war in besagtem Spiel von zwei Bordeaux-Spielern gleichzeitig, heftig und dazu noch deutlich zu hoch am Kopf getacklet worden. Chauvin brach sich dabei das Genick und verstarb noch an Ort und Stelle. 

Der Vorfall schockt umso mehr, nachdem bereits im Oktober ein weiterer U-21 Spieler von Aurillac verstorben war. Louis Fajfrowski, der beim Klub von DRV-XV-Prop Julius Nostadt unter Vertrag stand, war nach seiner Auswechslung in einem Freundschaftsspiel noch auf den eigenen Beinen in die Kabine gelaufen, dort aber an einem Herzstillstand verstorben (TR-Bericht zu diesem Vorfall).

Der jetzige Fall um den Paris-Spieler war, im Gegensatz zum Tod von Fajfrowski, eindeutig die Folge eines illegalen Tackles. Chauvins Eltern zufolge waren die letzten sechs Monate, seitdem er in die Akademie von Stade aufgenommen wurde, die glücklichsten seines Lebens. Nun musste seine Familie die Festtage ohne den jungen Dritte-Reihe-Stürmer und Jura-Studenten verbringen.

Hitzige Diskussionen, steile Thesen und Forderungen nach Konsequenzen

In den französischen Medien wurde der Vorfall indes detailliert und zum Teil hitzig diskutiert - sogar Sport-Ministerin Roxana Maracineanu schaltete sich in die Debatte ein und erklärte: „Es gibt Fragen über die Art wie die Schiedsrichter Vorfälle bewerten, in welche Richtung sich das Spiel entwickelt und wie es gespielt wird.“

Ein Meinungs-Artikel mit dem Titel „Notfall“ in der größten Sportzeitung L’Équipe polarisierte dann mit der Schlussfolgerung aus beiden Vorfälle, die laut l’Équipe jeweils Folge eines Tackles gewesen seien, mit der Aussage: „Niemand kann mehr so tun, als gäbe es Zweifel, Rugby tötet!“ Dies, so der Author, sei die schreckliche Folge der Professionalisierung, die aus einem rauen Spiel ein gewalttätiges gemacht habe.

Was dieser Meinungsartikel aber geflissentlich unterschlägt, ist die Tatsache, dass die abschließende Autopsie des ersten Todesfalls in Aurillac im Oktober eine ganz andere Schlussfolgerung zog: Der Tod des jungen Louis Fajfrowski sei ein „Unfall“ gewesen. Fajfrowskis Herzstillstand in der Kabine sei „nach einem Tackle, nicht aufgrund eines Tackles passiert“ und wahrscheinlich eine Folge eines Herzfehlers.

Zudem müssen die beiden Fälle im Gesamtkontext des Sports in unserem Nachbarland gesehen werden: In Frankreich gibt es momentan etwa 360.000 Vereinsspieler, die Woche für Woche auf dem Platz stehen. Dazu noch unzählige Kinder und Jugendliche, die in den Schulen von Calais bis Carcassone dem ovalen Ballsport nachgehen.

Todesfälle sind im Sport generell leider keine Seltenheit

Außerdem sind Todesfälle im Sport generell leider keine Seltenheit und das nicht nur bei Kontaktsportarten, wie Boxen, UFC, oder Football. So sind nach einer Zählung der BBC in den letzen zehn Jahren 64 professionelle Fußballer auf dem Feld verstorben und der häufigste Grund lautet demnach, wie bei Aurillac-Spieler Fajfrowski, Herzstillstand.

Zugegeben, es spielen weitaus mehr Menschen weltweit aktiv Fußball, als Rugby - jedoch käme wohl kaum jemand auf die Idee „Fußball tötet“ zu skandieren, trotz einiger Dutzend Todesfälle. Selbst beim Skifahren und Reiten kommt es regelmäßig zu Todesfällen - 2012 kamen laut Zahlen der Krankenversicherungs-Wirtschaft zwölf Menschen in Deutschland bei Reitunfällen ums Leben. Beim Skifahren sind die Zahlen noch höher: In Österreich waren es beispielsweise im Winter 2010/2011 63 Menschen, die ihr Leben auf den Brettern verloren.

Man sollte die Gefahr des Rugby-Sports also im Kontext sehen und dennoch ist es wichtig, darüber zu diskutieren, wie man ihn sicherer machen kann. Dass die Kollisionen auf Profi-Ebene in den letzten 20 Jahren seit der Professionalisierung des Sports weitaus härter geworden sind und beim Rugby ein erhebliches Verletzungs-Risiko besteht, kann niemand in Zweifel ziehen. Deshalb wird es umso wichtiger sein, gerade zu hohe Tackles auszumerzen.

Wie kann man Rugby sicherer machen?

Darum dreht sich auch die aktuelle Diskussion in Frankreich. Wobei FFR-Präsident Laporte, der zuletzt selbst als Trainer von Toulon und Frankreich tätig war, einige radikale Vorschläge parat hat: Tackles sollen nur noch auf Hüfthöhe und darunter möglich sein und nur noch ein Spieler darf den Ballträger attackieren. Insgesamt solle Rugby wieder zu einem Spiel werden, dass auf Ausweichen statt auf Kollision wert lege, so Laporte.

World-Rugby-Geschäftsführer Brett Gosper erschien kurz vor Weihnachten im französischen Fernsehen und betonte, welch ein Schock dieser Tod sei, aber ebenso wie selten solche Vorfälle seien. Er betonte darüber hinaus, wie wichtig die Werte sein, die der Rugby-Sport vermittele. Sein Auftritt, so kurz nach dem Ableben Chauvins, wurde aber von einigen Kommentatoren als pietätlos und ablenkend empfunden.

Wichtiger wäre es gewesen zu betonen, dass World Rugby bereits erhebliche Anstrengungen unternimmt, um zu hohe Tackles aus dem Spiel zu eliminieren und Spieler mit den geringsten Anzeichen von Gehirnerschütterungen vom Feld zu nehmen. Diese müssen fortgeführt und eventuell intensiviert werden - da kann man dem sonst zu reißerischen l’Équipe-Artikel „Notfall", der dies ebenso betont, recht geben.

Zurecht führt die sonst eher auf Fußball spezialisierte Sport-Tageszeitung an, dass Trainer, Spieler, Kommentatoren und Zeitungs-Schreiber (wir schließen uns da explizit mit ein) zu schnell kritisieren, wenn Schiedsrichter hart durchgreifen. Zu oft hört man in Rugby-Kreisen „früher wäre das völlig in Ordnung gewesen“, oder „heute darf man ja auf dem Feld nichts mehr machen.“

Doch diese Denkweise unterschlägt die Risiken, den ein Kontaktsport wie Rugby mit sich bringt. Sogenannte Seatbelt-Tackles beispielsweise, wenn der Tackler lediglich über die Schulter des Ballträgers greift, um diesen zu Boden zu reißen, wirken für Rugby-Spieler harmlos. Doch der Kopf und die Schultern müssen beim Rugby künftig schlicht einfach einfach tabu sein. Auch wenn fast alle hohen Tackles vergleichsweise glimpflich ausgehen, haben sie einfach keinen Platz im Rugbysport.

Die Absenkung der Tackle-Höhe auf unterhalb der Nippel, wie von World Rugby momentan in einigen Wettbewerb probeweise eingeführt kann ein Anfang sein. Wenn dies in einer Anpassungphase mehr Platzverweise und gelbe Karten zu Folge hat, lässt sich das nicht vermeiden. Rugby muss ein physisch harter und ehrlicher Sport bleiben, Fälle wie der von Nicolas Chauvin dürfen sich aber nicht wiederholen.

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