Noch stockt die Rugby-Revolution bei Stade. Nur knapp 10.000 Zuschauer verliefen sich ins Stade Jean-Bouin beim letzten Top-14-Heimspiel gegen La Rochelle. Doch der Hauptstadtklub hat große Pläne.
Im Sommer verkündete Stade Francais Paris, nach jahrelangen finanziellen Schwierigkeiten, einem sukzessiven sportlichen Abstieg und der Übernahme durch den deutschen Capri-Sonne-Milliardär Dr. Hans-Peter Wild, die rosa Rugby-Revolution. Mit neuem Weltklasse-Personal, neuem Auftreten und Spielstil soll der Traditions-Klub zu alter Größe geführt werden. Nach gutem Auftakt stockte die Rosa Revolution in den letzten Wochen jedoch - mit dem Argentinier Nicolas Sanchez kommt nun ein absoluter Weltklasse-Verbinder an die Seine.
Stade Français war vor gut zehn Jahren der wohl ambitionierteste Rugby-Klub Europas. Mit seinen extravaganten grell-bunten Trikots und Top-Stars, wie „El Mago“ Juan Martin Fernandez, James Haskell oder George Smith zählte Stade in Europa zum absoluten Rugby-Adel. Regelmäßig füllte der vom Marketing-Experten Max Guazzini geführte Klub das 81.000 Zuschauer fassende Stade de France und galt als Vorreiter der kommerziellen Entwicklung im Profi-Vereinsrugby.
Von Europas Spitze nah an den finanziellen Abgrund
Drei Meistertitel und zwei Finalteilnahmen im Heineken Cup waren die Erfolge der goldenen Ära des Klubs in den 2000er-Jahren. Doch der Traditions-Verein geriet um die Jahre 2010 und 2011 in extreme finanzielle Schwierigkeiten und vermied dabei nur knapp den Zwangsabstieg ins Amateur-Rugby. Zwar ließ sich der Klub über einen Investor in allerletzter Minuten retten, doch der Glanz vergangener Tage war verblichen.
Stade wurde zu einem grauen Mittelfeldklub, während andere französische Vereine den Platz der „Soldats Roses“ einnahmen. Toulon finanziert vom Comic-Buch-Milliardär Mourad Boudjellal und umso mehr der Pariser Lokalrivale Racing, finanziert vom Immobilien-Magnaten Jacky Lorenzetti, liefen Stade den Rang ab.
Fusion, bzw. Übernahme durch den Erzrivalen als absoluter Tiefpunkt für Stade
Stade und Racing, die beiden großen Pariser Klubs, verbindet seit jeher eine Art Hassliebe. Im Jahr 1892 trugen die beiden alten Rivalen das allererste französische Meisterschaftsfinale aus - im Übrigen unter der Leitung von Schiedsrichter Pierre de Coubertin, dem Gründer der modernen olympischen Bewegung.
Umso überraschender waren Gerüchte im Frühjahr 2017, nach denen Racing und Stade fusionieren sollten. Als mehr und mehr Details publik wurden, war klar, dass es sich dabei eher um einen Übernahmeversuch des finanziell auf Rosen gebetteten Racing Clubs handelte, der den weiterhin unterfinanzierten Lokalrivalen aufkaufen wollte. Eine Presse-Konferenz mit Vertretern beider Klubs war bereits einberufen, doch in letzter Minute scheiterte der Versuch. Die Schmach für Anhang und Personal schien perfekt - vom größten Rivalen übernommen.
Fan-Proteste und ein Spielerstreik bei Stade verhinderten die ambitionierten Pläne in allerletzter Minute, doch Stade brauchtet nun dringend einen Retter. Dieser sollte schließlich in Form eines weißen Ritters aus Deutschland kommen - Capri-Sonne-Besitzer Dr. Hans-Peter Wild übernahm die Soldats Roses im Juni 2017 und installierte mit Robert Mohr einen für deutsche Rugby-Fans weiteren Altbekannten als Manager. Mohr, der mit Stade Rochelais einst selbst einen Top-14-Klub als Kapitän anführte, ist im französischen Rugby bestens vernetzt.
Dr. Wild als gerngesehener weißer Ritter
Wild wurde in Paris überaus positiv aufgenommen. Die Stade-Anhänger hatten genug von den ständigen Horror-Meldungen und der selbstbewusste forsche Auftritt vom neuen Eigner passte gut zum extravaganten Image von Stade. „Wenn wir den besten Spieler der Welt brauchen, werden wir ihn holen“ verkündete Wild im Interview mit der Rugby-Bibel Midi Olympique und legte im Frühjahr dieses Jahres in der Sportzeitung l`Équipe nach: „Innerhalb von drei Jahren werden wir Meister!“
Diese Aussage aus dem März 2018 war durchaus mutig, denn die erste Saison unter der neuen Führung war keine leichte. Die als Übergangssaison ausgerufene Spielzeit endete für Stade auf Rang zwölf, nur einen Platz und vier Zähler vor dem Relegations-Rang 13. Der Klassenerhalt konnte erst in allerletzter Minute gesichert werden.
Nach dem gesicherten Klassenerhalt rief Stade die Revolution aus
In diesem Mai schließlich, nur wenige Tage nach dem gesicherten Klassenerhalt, kam die Verkündung der Rugby-Revolution: Stade will sich neu erfinden und dabei zu altem Glanz zurückfinden. Besitzer Wild verkündete auf einem eigens eingerufenen Presse-Event: „Wir werden aus Stade den aufregendsten Rugby-Klub der Welt machen!“ Ein neues Logo sollte dabei auch eine neue Identität und einen aufregenderen Spielstil mit sich bringen.
Um dies zu erreichen wurde einiges an hochkarätigem Personal verpflichtet: Mit Heineke Meyer, dem ehemaligen Springboks-Coach, leitet ein äußerst prominenter Coach die sportlichen Geschicke des Klubs. Gerüchten zufolge hatte bereits Ex-Besitzer Guazzini versucht Meyer nach Paris zu lotsen. Gael Fickou und Yoann Maestri, beides hochdekorierte Frankreich-Nationalspieler, wurden vom Rekordmeister Toulouse weggelockt und damit wurde auch der französischen Rugby-Öffentlichkeit klar gemacht: Stade zählt wieder zu den besten Adressen des Landes.
Aufstieg in den Geldadel des französischen Rugbys
Die Presse und Fans im traditionell besonders Rugby-verrückten Süden Frankreichs unkte - „Um sportlich zu brillieren holt Stade das Scheckbuch raus“ oder „Wird Stade das PSG der Top 14“ hießen die Schlagzeilen in Var Matin und Dauphiné Liberé. Vom gefährdeten Übernahme-Kandidaten schnellte Stade mit einem Budget von geschätzten 35 Millionen Euro auf Rang zwei der Geldrangliste der Top 14.
Der Erfolg gab Stade zunächst jedoch Recht - Siege gegen die hochgehandelten Toulon und Montpelier früh in der neuen Spielzeit ließen auch die knappe 16-17 Niederlage im Derby gegen Racing vergessen lassen. Die Zuschauerzahlen im vor wenigen Jahren renovierten und 20.000 Zuschauer fassenden Stade Jean Bouin, einer großartigen Arena die direkt gegenüber vom Prinzenpark-Stadion liegt, zogen wieder an.
Die Revolution auf dem Platz stockt
Doch im Spätherbst 2018 stockt die Revolution erstmals. Mit nunmehr fünf Pleiten in Folge - 6-41 in Lyon, 12-14 daheim gegen La Rochelle, 20:49 in Toulouse und zuletzt 20:51 im Europacup gegen die Ospreys - fehlen Coach Meyer erstmals die Ergebnisse und die Pariser Öffentlichkeit wird ein wenig unruhig. Viel besorgender noch ist, dass Meyer zuletzt vom neuen aufregenden Spielstil absah und versuchte mit einem alten Erfolgsrezept auch bei Stade Ergebnisse einzufahren.
Meyer hatte die südafrikanischen Bulls einst im Jahr 2007 zu ihrem ersten Super-Rugby-Titel gecoacht. Der damalige Spielstil der Mannschaft wurde besonders in Australien und Neuseeland als „Bulls-Rugby“, oder „percentage Rugby“ tituliert und als todlangweilig und konservativ verschrien. Mit einem überwältigend starken Sturm und einem gut kickenden Verbinder verließ man sich einst in Pretoria auf Fehler des Gegners. So gut wie alle Bälle wurden, selbst aus aussichtsreicher Position in Gegners Hälfte, weggekickt, um Straftritte des Gegners zu provozieren und dann meist mit in Dreier-Schritten zu Zählern zu kommen.
Langweiliger Spielstil statt Revolution
Der damalige Verbinder der Bulls, Morne Steyn, ist heute auch der Spielmacher von Stade. Er stand damals ebenso wie Meyer für den Bulls-Erfolg - heute aber muss man sich fragen, ob dieser Spielstil noch angebracht ist. Mittlerweile behalten fast alle Teams im Welt-Rugby den Ball viel länger in der Hand und kicken weitaus weniger, als das noch vor wenigen Jahren der Fall war. Die erfolgreichsten Teams im Süden, wie im Norden erzielen viel mehr Versuche.
Der englische Erfolgs-Klub Exeter ist beispielsweise dafür bekannt, den Ball über dutzende Phasen in den eigenen Reihen zu halten und den Gegner damit zu überwältigen. Selbst die Saracens spielen mittlerweile weitaus expansiver und verlassen sich seit einigen Jahren nicht mehr auf den konservativen Spielstil der Vergangenheit.
So auch beim letzten Top-14-Heimspiel gegen La Rochelle. An einem bitterkalten Tag in Paris war die Arena der Pariser nur knapp zur Hälfte gefüllt und das, obwohl Tickets über einen Black Friday Deal bereits für 5€ zu erwerben waren. Den Zuschauern wurde ein eher maues Spektakel geliefert - mit dem Ball in der Hand konnte Stade wenig produzieren und so verließ man sich auf den Weltklasse-Huf vom mittlerweile 34-jährigen Steyn, der auch im Spätherbst seiner Karriere mit geschätzten 600.000€ im Jahr zu den Top-Verdienern zählt.
Über fast den gesamten Spielverlauf führte Stade durch vier Straftritte von Steyn, doch Gast La Rochelle, immerhin Robert Mohrs Ex-Klub, kam in Durchgang zwei noch einmal auf und zeigte sich weitaus offensiver. Als die Gäste dann zehn Minuten vor Schluss in Front gingen, fehlten Stade die Mittel um die Partie noch einmal zu drehen. Die knapp 10.000 Zuschauer traten frustriert den Weg nach Hause an und mokierten besonders den uninspirierten Spielstil ihrer Mannschaft.
Nico Sanchez als Heilsbringer?
Vielleicht kommt der absolute Königstransfer von Stade genau zum richtigen Zeitpunkt. Argentinien-Verbinder Nicolas Sanchez ist seit der vergangenen Woche Teil des Stade-Kaders und soll das Spiel der Hauptstädter umkrempeln. Der Pumas-Star steht in einer langen Tradition von Argentiniern bei Stade - vor ihm trugen bereits Juan Martin Hernandez, genannt „el Mago“ und Felipe Contempomi das Trikot der Soldats Rose.
In der Rugby Championship vor allem auch gegen die All Blacks, hat Sanchez immer wieder unter Beweis gestellt, dass er ein aufregender Spielmacher der neuen Generation ist. Er kann die ausgerufene Revolution vollenden und die Spielweise von Stade so aufregend gestalten, wie dies im vergangenen Sommer angekündigt wurde.
Ihm dabei unter die Arme greifen könnte ein alter Bekannter. Einem Bericht von Rugby Pass zufolge wird All-Blacks-Spielmacher Beauden Barrett nach der WM zumindest eine Saison lang in Europa spielen. Angeblich sind Stade und Racing die beiden heißesten Kandidaten auf seine Unterschrift und wollen ihm zum bestbezahlten Spieler der Welt machen. Sanchez und Barrett, zwei der weltbesten Spielmacher bei einem Klub - das wäre tatsächlich sehr aufregend.
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