7er-Magie in Kapstadt: Wenn 60.000 Südafrikaner ihre Blitzboks nach vorne schreien
Geschrieben von TotalRugby Team
Montag, 10. Dezember 2018
Das stimmungsvollste Stadion im Welt-Rugby?
Es gibt Orte auf dieser Welt, die für das ovale Leder leben. Dessen Bewohner der Rugby-Sport heilig ist und wo er, wie kaum anderswo, zelebriert wird. Einer dieser Orte ist Kapstadt und an keinem Wochenende im Jahr wird Rugby dort mehr zelebriert, als während der Cape Town 7s.
Das Green Point Stadium, der Austragungsort des am gestrigen Sonntag zu Ende gegangenen Sevens-World-Series-Turniers, zählt nicht zu den traditionsreichen Arenen unseres Sports - wenn man als Rugby-Fan vom Eden Park, Twickenham oder dem Ellis Park hört, denkt man an große Rugby-Tradition und legendäre Schlachten der Vergangenheit. Das im Jahr 2010 zur Fußball-WM errichtete Stadion dagegen schreibt gerade erst die ersten Kapitel seiner Rugby-Geschichte.
Für einen Fan unseres Sports könnte es dennoch kaum einen besseren Ort geben, um Rugby zu verfolgen. Malerisch gelegen zwischen dem nur wenige hundert Meter entfernten Hafen und dem weltberühmten Tafelberg, bietet die Arena 60.000 Zuschauern Platz.
Dafür waren die Bok-Fans gekommen: Blitzboks-Versuche
Die 120.000 Tageskarten, die es für das Turnier der World Series zu erwerben gab, wurden in diesem Jahr verlost, um allen Interessenten gleiche Chancen zu gewähren. Noch im Vorjahr waren die Tickets nach dem Prinzip „wer zuerst kommt, malt zuerst“ rausgegangen und damals hatte es keine zwei Stunden nach Vorverkaufsbeginn gedauert, bis das Turnier restlos ausverkauft war.
Die Vorfreude in der Millionen-Metropole am südlichsten Ende Afrikas auf das Event war dementsprechend schon in den Tagen vor Turnier-Beginn zu spüren. Die Zeitungen, sowie Radio und TV kannten gefühlt kein anderes Thema - spätestens als die Blitzboks genannte Siebener-Nationalmannschaft Südafrikas Samstag Mittag gegen Samoa erstmals unter dem ohrenbetäubenden Lärm der nun komplett gefüllten Ränge der Arena einliefen, wurde klar, mit wie viel Leidenschaft die Kapstädter unseren Sport verfolgen.
Dezibel-Werte, die man sonst in keinem Rugby-Stadion erlebt
Sechs Mal sollte sich dieses Schauspiel im Verlauf des zweitägigen Turniers vollziehen: ACDCs „Thunder“ zum Einlauf und dann gab es für die Bok-Fans kein Halten mehr. Jede noch so kleine Aktion wurde bejubelt - ob es ein krachendes Clean-Out oder Tackle des Bok-Sturms, oder ein guter Run der schnellen Dreiviertel in der Offensive war. Und sobald die Heim-Mannschaft auch nur in die Nähe des gegnerischen Malfelds gelangte, wurden Dezibel-Werte erreicht, die man sonst wohl in keinem Rugby-Stadion der Welt zu hören bekommt.
Die emotionale Achterbahn endete für den lautstarken Blitzboks-Anhang und seine Helden zu früh - in der Vorschlussrunde, als die Führung während des nur 14 Minuten dauernden Spiels zum dritten Mal wechselte, hatte der spätere Turniersieger Fidschi das Stadion mit einem glücklichen Versuch in der Nachspielzeit verstummen lassen. Nur das kleine mitgereiste Fidschi-Kontingent am Spielfeldrand hatte nun noch Grund zu jubeln.
Dem Spektakel insgesamt tat dies keinerlei Abbruch. Kaum irgendwo auf der Welt lässt sich Rugby derart intensiv verfolgen. Über zwei Tage,16 Stunden und 45 Spiele hinweg wurde alles geboten: Ob nun Siebener-typische Offloads vom späteren Sieger Fidschi, schnelle Steps von den Südafrikanern Specman und du Preez, oder Bulldozer-Läufe wie der vom US-Amerikaner Danny Barrett - die zwei Tage von Kapstadt produzierten einige magische Momente.
So ein Turnier der World Series bietet all das, was Rugby großartig macht, an nur zwei Tagen, kondensiert, intensiver als sonst nirgends. In Kapstadt findet all dies dazu noch vor einer einzigartigen Kulisse statt, die im ovalen Universum ihresgleichen sucht. Dieses Turnier sollte auf jede Rugby-Bucket-List von Orten, die man als Fan einmal gesehen haben sollte, stehen.
Ob schnelle Hände oder krachende Hits - ein World-Series-Turnier bietet beides
Für so manchen Rugby-Puristen der alten Schule ist all dies vielleicht ein wenig zu viel Spektakel: Zu viele schnelle Pässe, Läufe, vielleicht auch zu viel buntes Treiben um den Platz herum und zu wenig Gedränge und Paket. Doch wenn sich selbst das Land, das am meisten für seine eisenharten Stürmer im Fünfzehner bekannt ist, derart für dieses Turnier und diese Mannschaft begeistern kann, muss das schon etwas heißen.
Beim Siebener-Rugby feiern die Fans den Sport und sich selbst und dieses Konzept ist für Neulinge viel verdaulicher, als ein zum dritten Mal angesetztes Gedränge im Herbst-Regen von Twickenham. Das zeigen die Events um den Globus - ob in Hongkong, Vegas oder Vancouver - an all diesen Orten, außerhalb der Rugby-Kernländer, so auch München 2017.
Ein deutsches Rugby-Mekka nach Kapstadt-Vorbild?
Am vergangenen Freitag erfuhren deutsche Fans, dass Deutschlands größtes Rugby-Event, die Oktoberfest 7s, vorerst kein Teil der World Series werden. Aber auch, dass das Turnier in den nächsten Jahren wieder stattfinden wird. Schon im vergangenen Jahr waren die Oktoberfest 7s ein Rugby-Event, wie es in Deutschland noch nicht gegeben hat.
Wir, als deutsche Rugby-Fans, haben damit die Chance unser eigenes Rugby-Mekka zu kreieren. Bis es wie in Kapstadt 60.000 Fans lautstarke Fans sind, die ihr Wolfpack nach vorne schreien, dürfte es noch eine Weile dauern. Aber ein Ort wie die Cape Town 7s verleiten nun Mal zum träumen, warum nicht vom deutschen Rugby-Mekka alljährlich während der Wiesn?