Dass Rugby ein ganz besonderer Sport ist, muss man den Anhängern des ovalen Leders hierzulande nicht vermitteln, sie wissen es bereits. Sowohl auf der ganz großen Bühne, wie auch lokal vor Ort, wie man am Wochenende feststellen konnte.
Ein Blick auf die Schuhe vieler internationaler Rugby-Stars am Samstag hat gereicht, um sich dessen zu vergewissern - bei ganz vielen großen Namen im internationalen Rugby zierten regenbogenfarbene Schnürsenkel das Schuhwerk. Der Hintergrund ist ein trauriger: Vor gut einer Woche war die walisische Rugby-Legende Gareth Thomas Opfer eines Überfalls geworden.
Der ehemalige walisische Kapitän hatte sich als erster prominenter Rugby-Spieler im Jahr 2009 als homosexuell geoutet und sich seitdem für die Rechte der LGBT-Gemeinschaft eingesetzt. Anders als von ihm im Voraus befürchtet, war das Feedback der Rugby-Community und darüber hinaus uneingeschränkt positiv und Thomas wurde zu einem prominenten Kämpfer gegen die Benachteiligung und Diskriminierung von sexuellen Minderheiten - unter anderem auch mit einem Auftritt im ZDF Sportstudio.
Am vorvergangenen Wochenende wurde Thomas in seiner Heimatstadt Cardiff dann aber Opfer eines gewalttätigen Überfalls. Der Haupttäter, ein 16-jähriger der aus dem Motiv Schwulenhass Thomas tätlich angriff, konnte noch am gleichen Abend polizeilich ermittelt werden. Doch hier beginnt der inspirierende Teil dieser Geschichte: Zuerst verzichtete Thomas ausdrücklich auf eine strafrechtliche Verfolgung des Jugendlichen und entschied sich stattdessen für eine Art Opfer-Täter-Mediation.
Regenbogen-Schnürsenkel als Zeichen der Solidarität
So entgeht der Täter einer ihm sonst drohenden Gefängnisstrafe - Thomas, wie er später erklärte, geht es vielmehr darum, dass der Täter aus diesem Vorfall lerne - dies sei dadurch viel eher gegeben, als mit einem Strafverfahren. Im überwachten Dialog treten so beide nun erneut gegenüber.
Thomas veröffentlichte schließlich eine Video-Botschaft per Twitter: Noch mit den sichtlichen Schrammen des Angriffs bedankte er sich bei der Polizei und der Bevölkerung Cardiffs, die ihm geholfen haben. Der ehemalige Innen der British and Irish Lions betonte, dass dies eine positive Botschaft sein soll und erreichte dieses Ziel auch. Dieses Video allein erreichte allein auf Twitter 3,5 Millionen Menschen und löste eine beispiellose Welle der Solidarität aus.
Zuallererst ging Frankreich voran und kündigte an, beim Länderspiel gegen Fidschi mit regenbogenfarbenen Schnürsenkeln aufzulaufen. Die Regenbogenflagge wurde Ende der 70er-Jahre von Künstler Gilbert Baker in San Francisco als Symbol der Bewegung zur Gleichberechtigung der LGBT-Gemeinschaft erschaffen - nun nutzten Rugby-Stars allerorts die Farben des Regenbogens, um ihre Sympathie mit Thomas und der LGBT-Gemeinschaft auszudrücken.
Auch mehrere deutsche Spieler liefen vergangenen Freitag in Marseille mit regenbogenfarbenen Schnürsenkeln auf, unter anderem Sean Armstrong und Raynor Parkinson. Genauso taten es die All Blacks um Kapitän Kieran, zahlreiche England-Spieler, die walisische Mannschaft oder auch die Spanier. So traurig es ist, wenn man im Jahr 2018 noch betonen muss, dass man für die Gleichberechtigung von Homosexuellen ist und gegen deren Diskriminierung ist - die Rugby-Gemeinschaft stand am Wochenende zu 100% hinter diesem guten Zweck. Dazu kamen noch Millionen an Spendenfür die gemeinnützige Stonewall Foundation zusammen.
Solidaritäts-Welle mit friesischem Rugby-Team
Bereits in diesem Sommer hatten wir über Sparta Werlte berichtet. Das relativ junge Team aus der friesischen Kleinstadt Werlte und die Anstrengungen des dortigen Sportlehrers Michael Ungermanns den ovalen Ballsport in der Diaspora zu etablieren (http://www.totalrugby.de/content/view/9552/169/). Seit dieser Saison tritt Sparta in einer Spielgemeinschaft mit den Niederländern aus Emmen an. Deshalb hat man nunmehr sowieso schon nur noch halb so viele Spiele auf der heimischen Anlage und als das heißersehnte Heimdebüt nur noch Tage entfernt war drohte, wie so oft in den unteren Ligen, die Absage wegen Spielermangels. Die Niederländer von den Big Bulls hatten die Partie abgesagt und das einzige Heimspiel, bereits per Plakat, Flyer und in den sozialen Medien beworben, drohte ins Wasser zu fallen.
Kein ganz normales Rugby-Spiel: Sparta Werlte trat an diesem Wochenende gegen eine in letzter Minute zusammengewürfelte Auswahl an
Doch was dann passierte, spricht für den Charakter der Rugby-Community: Nach einem Aufruf in den sozialen Medien fanden sich innerhalb von nur 48 Stunden Spieler aus dem ganzen Nordwesten zusammen, die den Rugby-Anhängern in Werlte doch noch ihr ersehntes Spiel bescherten. Selbst aus dem drei Autostunden entfernten Braunschweig fanden sich Spieler, die das Heimspiel retten wollten.
Sechs Vereine stellten eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft und verschafften den Werltern so zumindest Spielpraxis und eine tolle Geschichte für die Lokalmedien. Bereits seit Vereinsgründung war Gründer Ungermanns nach dem Motto „man muss den Knochen zum Hund bringen“ verfahren - hätten viele nach der kurzfristigen Gegner-Absage einfach aufgegeben, wurde so noch eine tolle Rugby-Geschichte draus.
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