Deutschlands Sturm muss morgen gegen Kanada 80 Minuten Schwerstarbeit verrichten. Foto (c) Kessler
Die 23 deutschen Spieler, die morgen mit dem Adler auf der Brust im Stade Delort von Marseille Rugby-Deutschland repräsentieren (16 Uhr auf ProSieben Maxx), können mehr erreichen, als all die DRV-Teams in den 118 Jahren vor ihnen getan haben. Ein Sieg gegen den Repechage-Topfavoriten Kanada wäre weit mehr als die halbe Miete in Sachen Japan-Ticket. Doch unseren schwarzen Adlern gegenüber steht der achtmalige WM-Teilnehmer Kanada, mit einigen absoluten Superstars und viel Selbstbewusstsein.
Unsere Berichterstattung aus Marseille mit freundlicher Unterstützung von Decathlon
Der Captain's Run des deutschen Teams fand heute, bereits wie vor dem Hongkong-Spiel, in der Nähe des Quartiers in Aix-en-Provence statt. Zum offiziellen World-Rugby-Termin im Stadion kamen, aufgrund der schwierigen Verkehrs-Lage, nur Kobus Potgieter und Hakler Dash Barber. Weit über eine Stunde brauchte das Duo, um die 35 km nach Marseille zurückzulegen. Morgen dürfte dies, trotz der angekündigten Autobahn-Blokaden kein Problem werden: Für die deutsche Mannschaft geht es per Polizeieskorte zum Spielort.
Die Stimmung im Team sei, so versicherten Potgieter und Barber, gut. Man blicke dem Spiel nach einer guten Trainingswoche optimistisch entgegen. Mit dem Gegner Kanada hat man sich intensiv auseinadergesetzt und weiß, was es für den ganz großen Coup bedarf.
Die Ausgangslage
Das Duell der beiden einzigen ungeschlagenen Teams im Vierer-Turnier von Marseille wird von allen Beobachtern als die Vorentscheidung in Sachen WM-Quali gesehen. Die Kanadier gehen durch ihren Bonuspunktsieg mit einem leichten Vorsprung in dieses Duell, der aber wohl nur im Falle eines Unentschiedens relevant werden dürfte.
Mit einem Sieg hätten unsere Jungs das Japan-Ticket auf dem Silbertablett. Es würde nur noch ein Sieg gegen die in der Vorwoche von Kanada klar mit zehn Versuchen geschlagenen Kenianer fehlen, um sicher zur WM zu fliegen. Je nachdem, wie Kanada gegen Hongkong spielt, wäre auch eine Niederlage gegen Kenia verkraftbar, sollte unsere Mannschaft morgen gewinnen.
Im Falle einer Niederlage gegen die Canucks, müsste unsere DRV XV auf einen Ausrutscher von Kanada, bzw. Schützenhilfe von Hongkong am dritten Wochenende in deren Duell hoffen. Dann wäre die Qualifikation noch immer möglich, gleichwohl ein großes Rechenexempel.
Die Aufstellung: Soteras-Merz für Ducau und Schulte für Dawes
Lediglich zwei Änderungen wird es im Spieltagskader unserer schwarzen Adler für das so wichtige WM-Qualispiel geben. Das Trainerteam um Mike Ford hat sich dazu entschieden die Aufstellung aus dem Auftaktspiel gegen Hongkong so weit wie nur möglich beizubehalten.
Der verletzte Mathieu Ducau wird von Carlos Soteras Merz ersetzt, wie bereits in der zweiten Hälfte gegen Hongkong. Der Siebener-Experte konnte bereits in der knappen halben Stunde gegen die Asiaten Akzente setzen. An ihm und dem auf erneut auf der 13 spielenden Wynston Cameron-Dow wird es liegen, die weiten Defensiv-Kanäle dicht zu halten. Weitere Durchbrüche, wie im Auftaktspiel, dürfen gegen Kanada zwangsläufig zu Gegenversuchen führen.
Auf der Bank ersetzt Hagen Schulte Dritte-Reihe-Stürmer John Dawe, der in der Schlussphase gegen Hongkong auf dem Feld war. Mit nunmehr drei Reihe-Spielern auf der Bank, hat Coach Ford morgen mehr Möglichkeiten das Dreiviertel-Spiel im Verlauf der Partie anzupassen. Schulte könnte als erster Innen, Schluss oder auf seiner Stammposition Verbinder ins Spiel kommen.
Bei den Kanadiern gibt es wenig Überraschungen im Kader. Der Zweite-Reihe-Stürmer Brett Beukeboom wird durch Mike Sheppard ersetzt. Der mit 1,92 für einen Fünfer relativ kleine Stürmer ist eigentlich in der dritten Sturmreihe beheimatet, wo Tyler Ardron auf der Acht den Kanada-Sturm anführen wird. Auf den Außen-Positionen bleiben mit DTH van der Merwe und Matt Evans die beiden brandgefährliche Winger im Team.
In der ersten Sturmreihe kommt Matt Tierney neu an Bord, der in Frankreich in der Top 14 bei Pau als Profi angestellt ist. Er bildet mit den beiden Veteranen Buydens (36) auf Prop und Hakler Barkwill (38) die erste Sturmreihe.
Deutsches Team erwartet einen knallharten Kampf
Kanadas Stärken sind bekannt - wie unser Team auch gelten die Canucks als sturmstark, haben darüber hinaus auf den Außenpositionen zwei brandgefährliche Jungs, die mit ihren Finisher-Qualitäten glänzen. DTH van der Merwe ist der wohl beste Spieler in diesem Repechage-Feld und gleichzeitig der gefährlichste Finisher der Kanadier in der Geschichte ihres Nationalteams (35 Versuche). Ihm auf den Außenbahnen möglichst wenig Platz zu geben, wird unglaublich wichtig sein, um Kanada wenig Chancen zu bieten.
Das kanadische Paket zu entschärfen wird ebenso wichtig sein. Sollte die deutsche Gasse morgen besser funktionieren, als gegen Hongkong, könnten wir hier sogar Vorteile ziehen. Darüber hinaus wird das deutsche Sturm-Phasenspiel wieder wichtig werden, um die Kanadier zu ermüden. Im deutschen Lager ist man davon überzeugt, dass man gegenüber den Kanadiern konditionelle Vorteile hat und will diese nutzen.
Sollte man mit den schweren Ballträgern die Kanadier, wie zum Auftakt gegen Honkong, weichklopfen, könnte man im letzten Viertel für die Entscheidung sorgen. Dafür müssen unsere schwarzen Adler aber in den 60 Minuten zuvor dafür sorgen, in Schlagdistanz zu sein.
Deutschland kann alles erreichen, Kanada sehr viel verlieren
Die psychologische Ausgangslage könnte unseren Jungs in die Karten spielen. Für unsere Spieler ist Japan 2019 ein absoluter Traum, den man seit dem Sensations-Sieg über Rumänien 2017 gemeinsam träumt. Nicht viele Beobachter hätten Deutschland, auch aufgrund der chaotischen Umstände im vergangenen Winter, vor wenigen Wochen noch eine Chance gegeben - jetzt ist sie zum Greifen nah.
Kanada dagegen hat viel mehr zu verlieren. Diese Mannschaft könnte als erste in die kanadische Rugby-Geschichte eingehen, die eine WM-Quali verpasst hat. Der Druck lastet auf den Canucks, die allerorts als Favoriten gelten. Ex-Kanada-Star Jamie Cudmore nannte die Aussicht auf ein Verpassen der WM „eine Katastrophe“. Dem Vernehmen nach müsste der Verband beim Scheitern auch herbe finanzielle Einbußen verkraften.
Doch Nervosität ist von den erfahrenen Kanadiern, die mehrheitlich schon WM-Erfahrung haben, nicht zu erwarten. Unsere schwarzen Adler werden die Gelegenheit beim Schopfe packen müssen - Rugby-Deutschland, ob am Schirm, oder morgen im Stade Delort, steht hinter ihnen.
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