Im zweiten Teil unserer Serie über das deutsche Rugby haben wir unseren Rugby-Fachmann zum Thema “Deutsche Nationalmannschaften” befragt. Die 15er-Nationalmannschaft hat ja nach dem Aufstieg in die Six Nations B bereits ein Spiel der Hinrunde absolviert und die 7er-EM 2009 findet auch wieder im eigenen Lande statt. Ohne große Vorbereitung wurde ein achtbares Ergebnis der deutschen XV in Spanien erzielt. Aber wäre nicht mehr möglich gewesen?
Hallo zurück. Wie siehst du die Situation der deutschen 15er-Nationalmannschaft nach dem Aufstieg?
Es drängt sich der Eindruck auf, dass wir nicht auf den Aufstieg und die Bedingungen in der A-Gruppe vorbereitet sind. Wir arbeiten wie eh und je und ich möchte die ehrenamtlichen Aktivitäten nicht in den Schmutz ziehen, aber überlassen doch viele Dinge dem Zufall. Erfolg ist planbar. Doch wo ist der Masterplan des deutschen Spitzenrugbys? Wo wollen wir hin? Wie wollen wir es erreichen? Wer kennt ihn?
Vergleich doch einmal das deutsche System mit dem von anderen Nationen.
Wir erwarten von unseren Spielern, dass sie von heute auf morgen mit den Profis der A-Gruppe mithalten können. Aber welche Rahmenbedingungen treffen wir bzw. sie an? Es gibt weder vom Staat noch vom IRB mehr Geld, oder entschieden mehr Geld, um professionellere Vorbereitungen durchführen zu können. Auch stehen keine Sponsoren für die Nationalmannschaft Schlange! Die vorhandenen Sponsoren investieren lieber in ihre Clubs. Die Termine für die Spiele sind denkbar ungünstig. Viele Spiele (A. d. Red.: 3 im Februar 2009) müssen ohne Vorbereitung absolviert werden. Unsere Gegner kommen alle aus dem vollen Punktspielbetrieb, ohne Winterpause, und haben teilweise hochkarätige Vorbereitungsspiele abgeschlossen (A. d. Red.: Portugal gegen England Saxons). Und wir? Wir trainieren in 3 Trainingszentren (A. d. Red.: Heidelberg, Hannover und Berlin) separat auf die Spiele hin. Mit den Trainingszentren ist es schon ein Fortschritt, aber dort waren wir schon in den 70er und 80er Jahren.
Was können wir denn gegen einen drohenden Wiederabstieg tun?
Wir müssen mehr machen. Nicht alles kostet Geld. Die Spieler sind motiviert, aber müssen auch unterstützt werden. Mit amateurhaften Strukturen sind wir in der A-Gruppe nicht bzw. nur bedingt wie gegen Spanien konkurrenzfähig. Die erste Chance ist bereits vertan worden. Jetzt gilt es, neben der Abwicklung der Februarspiele und des Maispiels gegen Russland rechtzeitig eine gute Vorbereitung auf das Rückspiel gegen Spanien im Herbst 2009 zu planen.
Aber wo soll das Geld für solch eine Richtungsänderung herkommen?
Was ist mit den Sponsoren von 1880 Frankfurt und vom Heidelberger RK? Können die nur sechsstellige Beträge für ihre Clubs zur Verfügung stellen oder mehr? Vielleicht können diese auch etwas zur besseren Vorbereitung beitragen? Was ist mit dem farblosen und ziellosen Spendenaufruf des DRV-Präsidenten? Wofür sollen wir denn alles spenden oder Mitglied sein? Hier gibt es doch konkret ein Ziel! Der DRV benötigt im 1. Schritt ca. 50.000 €. Machen wir doch einen Wettbewerb. Wer spendet mehr? Sponsoren oder Privatleute? Wenn meine Spende konkret für die Vorbereitung der 15er-Nationalmannschaft oder 7er-Nationalmannschaft verwendet wird, dann bin ich mit 500 € dabei! Sind wir nicht alle Deutschland?!? Wer noch?
Es wird immer wieder über die Austragungsorte von Länderspielen diskutiert …
Vielleicht sollte das wirklich auch mal überdacht werden. Das viel gepriesene „Wohnzimmer“ scheint mir doch zu oft zu kühl. Hannover hat da mit seinen größeren und lautstärkeren Kulissen zur Zeit mehr zu bieten.
Wie schätzt du die Situation unseres 7er-Nationalteams ein?
Seit Jahren hat der DRV ein gutes und spielstarkes Team beisammen. Gute Ergebnisse wurden gegen zum Teil starke Konkurrenz erzielt. Während andere Länder aber konsequent ihre 7er-Teams weiterentwickelt haben und international für Furore sorgen, z.B. Portugal, Kenia oder Tunesien, ist das deutsche Team stehen geblieben.
Und weltweit?
7er-Rugby ist weltweit auf dem Vormarsch. Die IRB Sevens World Series ist die am stärksten wachsende Turnierserie im Rugbysport mit Zuschauerrekordzahlen, Fernsehübertragungen weltweit und spielstarken kleineren Nationen. Wie Hannover 2008 gezeigt hat, können wir mit dieser Spielform zahlreiche „Laien“, die erstmals Rugby gesehen haben, begeistern. Das deutsche Team war gut, aber insgesamt noch zu unerfahren, um in allen Spielen ein gutes Niveau durchgehend zu präsentieren.
Wie können wir den Anschluss wieder herstellen?
Um diesen Weg fortzusetzen, benötigen wir eine konkurrenzfähige Mannschaft. Das Spielermaterial ist vorhanden. Mit der einen oder anderen ausländischen Verstärkung, wir benötigen z. B. dringend einen Speedster, und einer zielgerichteten, längerwährenden Vorbereitung könnten wir für die eine oder andere Überraschung sorgen. Schon die EM 2009 bietet vor heimischer, und hoffentlich großer, Kulisse eine gute Plattform. Unsere Konkurrenten werden ihren Höhepunkt im März in Dubai bei der WM haben bzw. ihren Schwerpunkt auf die WM-Qualifikation ihres 15er-Teams legen. Nutzen wir die Chance?
Als wie wichtig siehst du das 7er-Rugby für uns?
7er-Rugby bietet die beste und schnellste Chance, international in der ersten Klasse Fuß zu fassen. Wir müssen es wollen und entsprechende Voraussetzungen, wie Geldetat und Saisonplanung, schaffen. Wenn im Oktober das IOC in Kopenhagen beschließen sollte, daß Rugby olympisch wird, dann müssen wir vorbereitet sein. Wo ist unser Konzept für ein A-Team, ein B-Team, Nachwuchsteams, nationale Spielsysteme, Trainerausbildungen, etc.? Wo sind unsere Ziele? Oder lassen wir unser bestes Pferd weiterhin im Stall versauern?
Im dritten Teil unserer Reihe werden wir auch andere Rugby-Persönlichkeiten zu Wort kommen lassen. Schaut also wieder vorbei und diskutiert fleissig weiter.
|