Nur noch gut 4 Wochen bis zur WM-Quali Marseille: Was macht die Konkurrenz?
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 10. Oktober 2018
Lediglich gegen Kenia hat unsere DRV XV zuletzt gespielt und im Sommer 2017 hauchdünn gewonnen.
Im Stade Delort von Marseille entscheidet sich in gut einem Monat über drei Wochenenden, welches Team das letzte Ticket für die Weltmeisterschaft 2019 in Japan ziehen wird. Deutschlands Fünfzehner-Auswahl steckt mitten in den Vorbereitungen, aber auch die Konkurrenz schläft nicht. Wir blicken auf die drei DRV-XV-Konkurrenten, die unserer Mannschaft das Japan-Ticket streitig machen wollen.
Kenia: Vorbereitungsspiele und Siebener-Stars als Verstärkung
Die Ostafrikaner, deren Fünfzehner-Auswahl „Simbas“ genannt wird, haben sich als Zweiter des Afrika Gold Cups dieses Jahres für das Repechage-Turnier in Marseille qualifiziert. Den alljährlichen Wettbewerb der afrikanischen Top-Mannschaften schlossen die Männer des neuseeländischen Coaches Ian Snook hinter den alles überagenden Namibianern ab. Dabei hätten Kenia gleich zum Auftakt in Marokko beim späteren Schlusslicht Marokko fast wichtige Punkte liegen lassen und damit Rang zwei gefährdet. In der absoluten Schlussphase der Partie in Casablanca mussten die Simbas in Unterzahl ihre hauchdünne 28-24 Führung mit Mühe und Not verteidigen.
Insgesamt ist Rugby in Kenia ein äußerst populärer Sport, nicht nur aber ursprünglich sicherlich wegen der britischen Kolonialvergangenheit des Landes. Zuletzt hat gerade die hocherfolgreiche Siebener-Mannschaft, die 2016 erstmals ein Turnier der World Series gewonnen hat, zur Popularität des Sports im knapp 50 Millionen Einwohner zählenden Land beigetragen.
Gerade auf das starke Siebener-Kontingent wollen die Simbas nun auch bei der WM-Quali setzen. Siebener-Stürmer Willy Ambaka, mit 1,94 und weiter über 100 kg eine imposante Figur im Siebener-Circuit, hatte sich bereits im Afrika Gold Cup auf Außen unerbarmlich seinen Weg gebahnt und zahlreiche wichtige Versuche für Kenia gelegt. Auch bei der Repechage zählen die vielen Fans der Simbas auf den schnellen Siebener-Hünen.
Kenias Siebener-Star Willy Ambaka dürfte im November auch im Fünfzehner eine der besten Waffen Kenias sein
Zum erweiterten Trainingskader in der Vorbereitung sind nun mit Andrew Amonde, Dennis Ombachi, Samuel Oliech und Nelson Oyoo vier weitere Siebener-Stars hinzugestoßen. Speziell Amonde hatte sich als Kapitän der Kenia-Mannschaft, die vor zwei Jahren die Singapore Sevens und damit Kenias allerstes auf Turnier der World Series überhaupt gewann, ein Denkmal gesetzt. Der 34-jährige stand auch im Olympia-Kader Kenias in Rio und gilt mit seiner Erfahrung als wichtiger Pfeiler des Kenia-Teams.
In der Vorbereitung hält Kenia gleich vier Testspiele ab, um am 11. November zum Marseille-Auftakt im Rhythmus zu sein. Erst ging es daheim am vergangenen Wochenende gegen eine britische Armeeauswahl, als nächstes am 21. Oktober gegen Namibia, danach gegen das Super-Rugby-Team Blue Bulls, bevor die Kenianer dann bereits in Europa Anfang November gegen Rumänien antreten.
Im November wird Kenia in Marseille der letzte der drei DRV-Gegner sein. Unsere Jungs werden in dem Wissen, Kenia schlagen zu können, gegen die Simbas antreten. Immerhin hatte unsere DRV XV erst vor gut einem Jahr in Nairobi vor gut 10.000 Zuschauern bei ungewohnten Bedingungen in der heißen Höhenluft (Nairobi liegt auf 1800 Metern über dem Meer) gegen Kenia gewonnen - wenn auch erst mit einem Last-Minute-Dropgoal von Verbinder Christopher Hilsenbeck.
Hongkong: Kaum Konkurrenz in Asien, Auslese via HK-Premiership
Die Fünfzehner-Nationalmannschaft Hongkongs hatte sich souverän über die Asia Rugby Championship gegen Südkorea und Malaysia sowie ein „cross regional play-off match“ gegen die Cook Islands durchgesetzt. Tatsächlich ist Hongkong als Nummer 21 der Weltrangliste, diejenige Mannschaft mit dem besten Ranking-Platz unter den Teilnehmern des Repechage-Turniers in Marseille. Und auch das Lokalblatt South China Morning Post, bekannt für seine hervorragende Berichterstattung von den Hong Kong 7s, sieht die eigene Mannschaft zusammen mit Kanada als Favoriten. In einem Meinungsartikel werden Siege gegen Deutschland (Kostprobe: „der Sport steckt dort in seinen Kinderschuhen und das Team dürfte froh sein, überhaupt im Repechage-Turnier zu sein") und Kenia geradezu vorausgesetzt. Lediglich zwischen Kanada und Hongkong werde sich entscheiden, wer das WM-Ticket löst.
Hongkongs Siebener-Stars wie XVer-Kapitän Cunningham oder Kado Lee spielen bei den Asiaten eine Schlüsselrolle
Das Team um Kapitän James Cunningham, einem in Hongkong geborenen ehemaligen Rugby-League-Profi beim NRL-Team Manly, setzte sich ausschließlich aus den Spielern der semiprofessionellen Hong Kong Premiership zusammen. Diese ist vom Niveau her sicherlich deutlich über der deutschen Bundesliga anzusiedeln. Zudem hat Hongkong den Luxus alle Spieler konzentriert in der Metropole beisammen und dementsprechend bei regelmäßigen gemeinsamen Trainings-Sessions am nagelneuen Rugby-Leistungszentrum in Chai Wan auf Hong Kong Island zu haben.
Doch die Konkurrenz durch andere asiatische Nationalmannschaften ist momentan mehr als nur dürftig. Kein Wunder, dass Hongkongs walisischer Trainer Leigh Jones, der bei der letzten WM Eddie Jones Assistent bei Japan war, betont, dass er seinen Kader vor allem aufgrund der Form seiner Spieler in den ersten fünf Runden der Premiership selektieren werde.
Auch bei Hongkong spielt die eigene Siebener-Mannschaft eine wichtige Rolle im Fünfzehner-Kader. Der aufgrund der alljährlichen Hong Kong 7s sehr wohlhabende Verband der asiatischen Metropole leistet sich seit Jahren einen komplett professionellen Siebener-Kader und bereits in der Asia Rugby Championship hatten die Siebener-Stars Salom Yiu Kam Shing und Max Denmark bereits mitgewirkt. In Marseille dürften auch andere prominente Namen wie Ben Rimini oder Jamie Hood mitwirken.
In der Vorbereitung lässt Hongkong derweil nichts unversucht, um den Wettbewerbsnachteil in Sachen Spielpraxis wettzumachen und spielte bereits im August eine Partie gegen das ehemalige Super-Rugby-Team Western Force, aus Perth/Australien. Die sogenannte Dragons-Auswahl hatte aber zahlreiche nicht für Hongkong spielberechtigte Akteure an Bord. Doch für zahlreiche Spieler war es eine Möglichkeit Spielpraxis auf hohem Niveau zu erhalten.
Kurz vor dem Repechage-Turnier wird Hongkong dann in Wales ein Trainingslager abhalten und gegen die Pro-14-Mannschaft Dragons testen, wie DRV-XV-Coach Mike Ford im Gespräch mit TR erklärt. Erst dann könne man mehr Rückschlüsse auf die Spielweise der Asiaten ziehen, da das Cook-Islands-Spiel zu lange her und das Western-Force-Spiel mit einem gänzlich anderen Kader gespielt worden sei, wie Ford weiter erläutert.
Kanada: Chaos und Spielerstreik, dennoch Marseille-Favorit
Dass Kanada, bisher bei jeder WM vertreten und 1991 gar Viertelfinalteilnehmer, dazu in der Vergangenheit bereits gegen Weltklasse-Teams wie Frankreich und Italien siegreich und Anfang des Jahrzehnts noch auf Rang elf der Weltrangliste, überhaupt den Umweg Repechage gehen muss, ist schon eine riesige Überraschung. Kanada galt lange als diejenige Nation, die am ehesten in den Klub der etablierten Top-Mannschaften eintreten könnte.
Doch in den letzten Jahren erlebten die Canucks einen kontinuierlichen Abstieg, der in der Playoff-Niederlage gegen Uruguay daheim in Vancouver vor 17.000 Zuschauern kulminierte. Seitdem herrscht beim kanadischen Verband Panik, denn ein Verpassen der Qualifikation für die WM wäre mit massiven finanziellen Einbußen in Sachen Förderung durch World Rugby verbunden. So wurde nach der Uruguay-Niederlage im Januar die gesamte erst vor gut einem Jahr geschaffene Struktur des Hochleistungszentrums in Langford, British Columbia umgekrempelt.
Damals hatte man die Siebener- und Fünfzehner-Kader getrennt und nur noch wenige designierte Spieler die Chance eingeräumt für beide Teams aufzulaufen. Als Neunter der World Series ist Kanada im Siebener zuletzt deutlich erfolgreicher gewesen, als im traditionellen Fünfzehner. Doch nun hat Rugby Kanada vor wenigen Monaten den Beschluss gefasst beide Kader zusammenzulegen und auch das Entlohnungssystem zu modifizieren.
Da dies für die World-Series-Spieler mit einer de facto mit Gehaltskürzungen, sowie verminderter Siebener-spezifischer Trainingszeit im Olympia-Vorbereitungsjahr verbunden war, traten dreizehn Spieler des Siebener-Kaders Anfang bis Mitte letzten Monats in einen Streik. Darunter auch Kapitän Harry Jones und Nathan Hirayama, der sowohl die Siebener-Mannschaft in der World Series, als auch die Fünfzehner-Mannschaft bei der letzten WM als Verbinder angeführt hatte. Kanadas erfolgreiches Siebener-Programm, das mit jährlich über 80.000 Zuschauern beim Heimturnier Vancouver Sevens auch ein großer Geldbringer für Rugby Kanada ist, werde zu sehr unter diesen Maßnahmen leiden, so die öffentlichen Statements der Streikführer.
Ende September dann versuchten die kanadischen Rugby-Cracks eine Spielergewerkschaft zu gründen, was der Verband versuchte zu verhindern. Mittlerweile wird hinter verschlossenen Türen verhandelt. Derweil spielt Kanadas A-Nationalmannschaft - also ohne die Siebener-Stars und Kanadas Auslandsprofis - gegen Uruguay A, die USA Select und Argentina XV in der sogenannten America’s Challenge. Im ersten Spiel mussten sich die Kanadier, übrigens mit dem in Hannover geborenen und aufgewachsenen Deutsch-Kanadier Dustin Dobravsky auf der Bank, geschlagen geben.
Wenn Kanada sich dann Anfang November in seinem Trainingscamp in Coventry England einrichtet, werden auch Kanadas Auslands-Profis mit an Bord sein. Allen voran Chiefs-Achter Tyler Ardron, Newcastle Zweite-Reihe-Stürmer Evan Olmstead und der brandgefährliche Glasgow-Außen DTH van der Merwe. Dieser ist mit seinen 32 Jahren nicht mehr der jüngste, konnte aber in den ersten fünf Spielen dieser Saison für die Warriors gleich fünf Versuche in der Guiness Pro 14 legen. Mit diesen Stützen verstärkt dürfte Kanada trotz aller Querelen Favorit auf den Turniersieg in Marseille sein. Das sieht auch Nationaltrainer Mike Ford so: „Sie waren bisher bei jeder WM und in Marseille sind sie in meinen Augen Favorit."
Schon bei der WM in England 2015 war DTH van der Merwe ein absoluter Leistungsträger für Kanada
Tickets für das Repechage-Turnier gibt es seit dieser Woche unter folgendem Link
Kein Dilemma 7er oder 15er
Gute Fleißarbeit mal wieder, sehr lesenswert. So fundiert bestätigt sich, dass es sich lohnt, die Linie von den Pflichtspielen gegen Portugal und Samoa fort zu setzen: Nämlich nicht das 7er-Programm der 15er WM-Qualifikation zu opfern. Auch wenn sicher nicht nur für das Kanadaspiel Stimmen laut werden sollen, über Robin Plümpe und Ben Ellermann hinaus Spieler vom 7er-Kader ab zu ziehen. Sondern – fälschlicher Weise – auch die Top-Leute frei nach Schnauze der XVer-Verantwortlichen (nichts gegen die Qualitäten der beiden beispielhaft genannten Spieler.) Das nicht zu machen hat sich aus gezahlt. Portugal war als Gegner zu leicht, Samoa zu schwer. Und so haben beide Lager ihren Fokus. Bei beiden geht es um viel. Aber die 7er haben bewiesen, wie hoch die Erfolgswahrscheinlichten bei ihnen sind.
Oktober 11, 2018
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Letzte Aktualisierung ( Mittwoch, 10. Oktober 2018 )