TR-Vorschau Rugby Championship: Los Pumas sinnen auf Revanche
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 24. August 2018
Nicolas Sanchez, Spielmacher der Argentinier, wird einen Sahne-Tag erwischen müssen, damit Argentinien Favorit Südafrika stürzen kann.
Die zweite Runde der Rugby Championship startet morgen früh um 9:35 deutscher Zeit - Neuseeland empfängt in der Festung Eden Park den australischen Erzrivalen. Am Sieg des Weltmeisters gegen Australien, die auch noch auf Superstar Israel Folau verzichten müssen, zweifeln nur ganz wenige. Spannender dürfte da das Duell der Argentinier gegen Südafrika werden. Los Pumas empfangen die Boks in Mendoza und dürften dabei durchaus Chancen haben die favorisierten Gäste zu übertölpeln.
Neuseeland - Australien Samstag 25. August 9:35 Uhr, Eden Park Auckland
Seit Wochen ist Neuseelands größtes Stadion ausverkauft und die Erwartungshaltung der kleinen Rugby-verrückten Nation könnte nicht klarer sein: Die Festung Eden Park verteidigen. Seit 1994 haben die All Blacks in ihrer traditionellen Heimat nicht mehr verloren und der letzte australische Sieg im WM-Finalort von 1987 und 2011 ist mittlerweile 32 Jahre her. Australiens ältester Spieler, Hakler Polota-Nau, war zum Zeitpunkt des letzten Wallabies-Sieges gerade einmal ein Jahr alt. Neuseelands bekanntester Musik-Export, die Sängerin Lorde, wurde gar erst zehn Jahre nach dem damaligen 22:6 Triumph geboren, wird morgen jedoch im Stadion ihre All Blacks lauthals unterstützen.
Australiens Aufgabe ist nach dem desaströsen 13:38 von Sydney noch einmal schwieriger geworden. Star-Schluss Israel Folau wird nach einer Knöchelverletzung nicht rechtzeitig fit. Coach Michael Cheika bringt dafür den vielversprechenden Youngster Jack Maddox, der letzte Woche beim Debüt direkt einen Versuch legte. Größere Sorgenfalten dürften Cheika aber die Standardsituationen bereiten. Nach ganzen sieben verlorenen Gassen und zahlreichen Straftritten gegen die Wallabies im Gedränge muss sich hier dringend was tun. Cheika wechselt nun gleich beide Props in der Hoffnung Parität bei den Standards zu erreichen.
All-Blacks-Kapitän Read traf Neuseelands bekanntesten Musik-Export Lorde, die selbst riesiger All-Blacks-Fan ist
Haupt-Verursacher der neuseeländischen Sturm-Dominanz in der Vorwoche war Owen Franks. Der Tighthead-Prop der All Blacks wird morgen sein 100. Spiel im Schwarz seiner neuseeländischen Heimat absolvieren und steht trotz all seiner Expertise vor einem kleinen Rekord: Als erster im Klub der Nationalspieler mit dreistelligen Länderspielen auf dem Konto überhaupt, hat er noch nicht einen Versuch für die All Blacks gelegt. Klar ist dies auch nicht seine Aufgabe als Prop, doch auch für die ganz schweren Jungs fällt im Normalfall Mal ein Try aus kurzer Distanz per Pick&Go ab.
Die einzige Änderung im All Blacks Team vollzieht Weltmeister-Coach Steve Hansen im Mittelfeld: Ryan Crotty muss nach wiederholter Gehirnerschütterung wohl eine ganze Weile aussetzen. Der Crusaders-Star musste bereits in Sydney vorzeitig vom Feld und droht nun eine längere Weile auszufallen. Ihn ersetzen wird, wie schon in Sydney, sein Crusaders-Kollege Jack Goodhue. Der 23-jährige feierte seinen zweiten Einsatz gleich mit einem Versuch und wird an diese Leistung anknüpfen wollen. Immerhin steht Sonny Bill Williams nach seiner Verletzung in den Startlöchern und will bald seinen angestammten Platz im Neuseeland-Mittelfeld zurückerobern.
Auf dem Feld dürfte Australien morgen alles versuchen, um den Erzrivalen endlich vom Thron zu stoßen - bis an den Rande der Rugby-Legalität und mit dem Mut der Verzweiflung. Doch schon vor dem Ankick wurde bekannt, dass die Wallabies eine Einladung der All Blacks zum gemeinsamen Bier während den Feierlichkeiten zu Owen Franks 100. Spiel annehmen werden. So wie es sich im Rugby gehört - 80 Minuten harte Rivalität auf dem Feld und gemeinschaftliches brüderliches Miteinander danach - auch zwischen den Erzrivalen.
Festung Eden Park: Wohl nirgends sonst im Rugby-Universum ist es schwieriger auswärts zu gewinnen
TR-Prognose: Neuseeland wird sich vor voller Hütte in Auckland nicht die Butter vom Brot nehmen lassen wollen. 2017 hatten die Neuseeländer nach überragender Leistung im ersten Bledisloe-Cup-Spiel das darauffolgende auf heimischen Boden fast aus der Hand gegeben. Das wird den All Blacks sicher nicht noch ein Mal passieren, gerade gegen eine verunsicherte Wallabies-Mannschaft. Die All Blacks werden erneut dominant im Sturm auftreten und mit ihrer Hintermannschaft junge Wallabies vor heimischen Publikum auseinandernehmen. Australiens Coach Cheika wird um seinen Job fürchten, Neuseeland gewinnt mit +27 Zählern.
Für Argentinien ist es die Rückkehr an den Ort ihres ersten Rugby-Championship-Spiels im Jahr 2012 - damals reichte es in Mendoza für ein 12:12 Unentschieden gegen eben jene Südafrikaner, die es am morgigen Samstag-Abend zu bezwingen gilt. Die argentinische Weinstadt am Fuße der Anden, deutlich näher an der chilenischen Hauptstadt Santiago, als an Buenos Aires gelegen, soll den Pumas dabei als gutes Pflaster gelten. Der Nordwesten Argentiniens gilt als besonders Rugby-verrückt und auch morgen werden um die 40.000 Gauchos ihre Pumas nach vorne treiben wollen.
Neu-Trainer Mario Ledesma kann auf die Leistung aus der Vorwoche aufbauen, jedoch hatte vor allem Südafrikas Sturm-Dominanz dafür gesorgt, dass Argentinien zwar phasenweise gut mitspielen, aber schlussendlich chancenlos war. Kein Wunder, dass der ehemalige Weltklasse-Hakler und jetzige Pumas-Coach Ledesma von seinen Jungs mehr Härte im Kampf um jeden Meter erwartet. Ledesma attestierte den Südafrikanern das härteste Team im Welt-Rugby zu sein. Mit Hakler Facundo Bosch ist ein weiterer Europa-Profi zum Team hinzugestoßen, sitzt morgen zuerst auf der Bank und wird Kapitän Agustin Creevy in der Schlussphase ersetzen. Sonst setzt Ledesma auf die gleiche XV, wie in der Vorwoche, fordert aber deutlich mehr in der Defensive zu geben - sonst werde man auch daheim keine Chance haben.
Schlüsselspieler wird einmal mehr Nicolas Sanchez sein - der Argentinien-Spielmacher ist ein Meister seines Faches und stellte das auch bei der Niederlage in der Vorwoche unter Beweis. Trotz der Niederlage gegen die Boks glänzte Sanchez mit perfekter Kickleistung, Spielorganisation und nicht zuletzt auch durch einen eigenen Versuch. Auch nach seinem Wechsel zu Stade Français wird man bei den Pumas nicht auf den Weltklasse-Verbinder verzichten wollen. Denn erst seit diesem Monat bekam Neu-Trainer Ledesma die offizielle Erlaubnis in Europa aktive Profis zu nominieren. Mit einer besseren Defensiv-Leistung und einem erneut groß aufspielenden Sanchez könnte den Pumas der seltene Sieg über Südafrika gelingen.
Südafrikanische Nachlässigkeit, gnadenlos ausgenutzt von los Pumas - so könnte es laufen, wenn Argentinien daheim in Mendoza gewinnen will
Bei den Boks wird Coach Rassie Erasmus wenig überraschend auch mit einer sehr ähnlichen Mannschaften auflaufen, wie in der Vorwoche in Durban. Lediglich Lions-Lock Franco Mostert rückt für Pieter-Steph du Toit ins Team. Südafrika hatte in Durban sowohl im Sturm mit vielen dominanten Läufen, als auch in der Hintermannschaft tolles Offensiv-Potenzial gezeigt. Woran es aber wie schon gegen England im Juni gehapert hat, war die Defensiv-Leistung: Zu einfach ließen sich die Boks auf den Außenpositionen überrumpeln. So aufregend die Dreiviertelreihe mit Esterhuizen, Am und Mapimpi offensiv auch ist, defensiv zeigten sich die jungen Wilden zu oft anfällig.
Südafrikas Rugby-Wunderkind Damien Willemse, der schon als Schüler und Teenager als kommender Boks-Verbinder gefeiert wurde, bekommt nach seinem durchwachsenen Debüt von der Bank eine weitere Chance. Der startenden Verbinder Handre Pollard hatte in Durban vor eine Woche seine wohl schlechteste Leistung seit langem abgeliefert - sollten beide Spielmacher erneut enttäuschen, dürfte die scheinbar beendete Diskussion um das Südafrika-Trikot mit der Zehn eventuell erneut aufflammen.
TR-Prognose: Südafrika geht erneut favorisiert in das zweite Duell mit Argentinien, die Wahrscheinlichkeit eines Ausrutschers dürfte in Argentinien allerdings bedeutend höher sein. Nach der dominanten Sturm-Leistung mit den unglaublich starken Ballträgern Etzebeth, Marx, Kolisi und Mtawarira werden die Boks auch morgen wieder auf ihren Sturm setzen und dabei hoffen, dass die Spielmacher Pollard und Willemse einen besseren Tag erwischen. Argentinien hat in Mendoza durchaus eine Chance, wir sehen die Springboks aber mit +6 vorne.