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Rugby in der Diaspora: Das ovale Leder ins flache Emsland bringen
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 1. August 2018

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In unserer neuen TR-Serie „Rugby in der Diaspora“ wollen wir uns bei TotalRugby mit dem deutschen Rugby abseits der großen Zentren Heidelberg&Hannover, sowie den Großstädten der Bundesrepublik beschäftigen. Wie der neue DRV-Präsident Robin Stalker es nach seinem Amtsantritt treffend formuliert hatte: „Wir müssen dafür sorgen, dass Rugby in Deutschland mehr Verbreitung findet.“ Wer könnte zu diesem Thema mehr berichten, als die Pioniere, die unseren Sport in die entlegensten Winkel des Landes getragen haben. Gleichgesinnte anderswo in Deutschland sollen von ihren Erfahrungen profitieren und sich eventuell auch inspirieren lassen. Im ersten Teil geht es um den SV Sparta Werlte aus dem Emsland.

Die Vorraussetzungen für die Etablierung eines Rugby-Klubs hätten wohl kaum bescheidener sein können. Im äußersten Nordwesten der Republik, im zehntausend Einwohner zählenden Städtchen Werlte, gibt es weder eine lange Rugby-Tradition wie in Heidelberg, noch eine Universität, durch die regelmäßig Spieler im besten Alter aus den Rugby-verrückten Ländern der Welt zugespült werden und auch keine große Expat-Gemeinde, die den Verein auf und neben dem Feld unterstützen könnte. Dennoch hat sich mit Michael Ungermanns ein selbsterklärter „Verrückter“ gefunden, der aus dem Nichts einen Rugby-Klub aus der Taufe heben will und damit schon erste Erfolge erzielt hat, aber auch Rückschläge einstecken musste.

"Man braucht immer einen Verrückten, der den ersten Schritt macht"

„Man braucht immer einen Verrückten der den Anfang macht“, so beschreibt der Sport- und Französisch-Lehrer, der bei einem Erasmus-Aufenthalt im Rubgy-Mekka Toulouse seine Liebe zum Sport entdeckt hat, die größte Hürde, wenn es darum geht Rugby aufs Land zu bringen. Er ist als Lehrer in der privilegierten Position „direkt an der Quelle zu sitzen“, wie er es selbst im Gespräch mit TotalRugby formuliert. Vor drei Jahren begann er schließlich mit ein paar Freunden regelmäßig zu trainieren und brachte auch Schüler seiner Schule mit in die Gruppe - dabei musste die kleine Clique relativ schnell Vereins-Strukturen schaffen, um die städtischen Anlagen des Emsland-Ortes benutzen zu dürfen. Man dockte an den örtlichen Fußball-Klub an und etablierte eine eigene Vereins-Abteilung.

 

Gelungene Kooperation mit dem örtlichen Fußballklub

Dass dies nicht unbedingt eine Patent-Lösung mit Blick auf andere Regionen ist, dürfte jedem klar sein. Doch im beschaulichen Werlte zeigte man sich bei den Fußballern, so Ungermanns im Gespräch mit TR, kooperativ und gab sogar seitens des Fußballvereins gar eine kleine finanzielle Starthilfe. Die Mitgliedergewinnung lief dann für die Werlter auch erstaunlich gut. Vor allem die Mund-zu-Mund Propaganda habe im Emsland hervorragend funktioniert - „wir konnten selbst einen Südafrikaner im Exil finden, der es kaum glauben konnte, dass er nun endlich auch hier Rugby spielen kann“, wie Sportlehrer Ungermanns erklärt. Darüber hinaus habe der Exotik-Faktor der Sportart Rugby, sowie seine Werte dazu geführt, dass die Lokalpresse und das Lokalfernsehen regelmäßig berichten. Selbst postete man vor allem über Facebook von den eigenen Aktivitäten und erzielte dabei eine erstaunliche Reichweite.

Als dann nach einem Jahr der reguläre Spielbetrieb in der Verbandsliga Nord begann, war es sportlich für die Rugby-Neulinge zunächst nicht immer einfach. Das erste Heimspiel wurde gegen den Hamburger SV mit 0:79 verloren, aber immerhin fanden sich ganze 500 Zuschauer am Platz des Neulings ein. Auch die Sponsorensuche gestaltet sich für die Werlter mittlerweile mehr als nur zufriedenstellend - auf dem Land gehe es manchmal auch einfach darum Unternehmen anzusprechen, so Initiator Ungermanns. Die Mittel für Trikots, Trainingsmaterial und die nicht unerheblichen Anreisekosten zu den Auswärtsspielen habe man schnell zusammengehabt.

Sportlehrer und Vereins-Initiator Ungermanns zum Thema Jugendarbeit: "Man muss den Knochen zum Hund bringen"

Auch im Jugend-Bereich hat die junge Rugby-Abteilung direkt versucht sich zu etablieren und nimmt gemeinsam mit einem niederländischen Verein am dortigen Spielbetrieb teil. Genau dort sieht Ungermanns auch das größte Potenzial im deutschen Rugby, die „Krux“ sozusagen: „Man muss den Knochen zum Hund bringen“. Get into Rugby beispielsweise sei eine tolle Initiative, bei der sich Ungermanns künftig auch einbringen will, doch wenn man nicht aufpasst sind die Schultrainings nur ein einmaliger und schlussendlch verpuffender Effekt. Noch zielführender sei es in die Schul-Curricula zu kommen. Denn viele Lehrer, so beschreibt es Ungermanns, würden sich abseits der Schulpläne nur auf das konzentrieren, was sie selbst gut könnten. Die Spitzenförderung im deutschen Rugby, gute Leistungen in Hongkong und bei der Rugby Europe Championship sowie WM-Auftritte würden, so ist sich Ungermanns sicher, können einen großartigen Effekt haben. Das könne man auch der Lokalpresse mit örtlichem Bezug verkaufen. Ohne jedoch in den Schulen stattzufinden, hätte all dies aber einen lediglich limitierten Effekt.

Dass es mit der Entwicklung des Rugby-Sports auf dem flachen Land selbst mit genügend passionierten Ruggern nicht nur einfach zugeht, musste indes auch der junge Verein Sparta Werlte erfahren. Nachdem einige Spieler der Region den Rücken gekehrt hatten, oder die teilweise bis zu 45-minütige Anreise zum Training nicht mehr leisten konnten oder wollten, hat man sich beim SV schweren Herzens dazu entschieden in der kommenden Saison aus der Verbandsliga zurückzuziehen und stattdessen in einer Spielgemeinschaft mit dem benachbarten niederländischen Klub Emmen aufzulaufen. Es war die erste „Delle“ in der Entwicklung des Rugbys im Emsland. Es steht weiterhin viel Arbeit bevor, doch im Emsland will man den ovalen Ballsport fest etablieren.

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