Nach einigen Tagen Pause ist unsere DRV XV voll in die Samoa-Vorbereitung eingestiegen. Foto (c) Grzanna
Nach der klaren 15:66 Niederlage im Hinspiel in Samoas Hauptstadt Apia wird es am Samstag realistisch nicht mehr um die direkte WM-Quali gehen. Das ist in Rugby-Deutschland sicherlich Konsens - denn gegen diese Samoanische Mannschaft mit 41 Zählern Differenz zu gewinnen wäre das wohl größte Rugby-Wunder der Geschichte. Viel mehr wird das letzte Länderspiel vor dem im November stattfindenden Repechage-Turnier für die deutsche Mannschaft auch eine Chance sein, noch weiter zusammenzuwachsen und sich mit einem großen Gegner zu messen.
Seit Mitte der fünfziger Jahre werden in Heidelberg Rugby-Länderspiele ausgetragen. Die gut 150.000 Einwohner zählende Stadt ist für zwei Sachen bekannt: Zum einen als Romantik-Stadt der Dichter Hölderlin, Brentano und Eichendorff. Zum anderen deutlich weniger romantisch, aber dafür umso spektakulärer, als Rugby-Hauptstadt der Republik.
In 44 Länderspielen über gut 60 Jahre haben dabei großes Teams, wie Italien, Spanien oder Rumänien ihre Wimpel und Insignien hinterlassen. Dennoch erwartet die Neckarstadt am Samstag eine Premiere: Mit Samoa tritt erstmals eine der drei großen Pazifik-Mannschaften an. Kein Wunder, dass die Vorfreude in Heidelberg groß ist und damit auch der Kartenvorverkauf sehr gut angelaufen ist.
Top-Gegner bei bestem Wetter im Rugby-Wohnzimmer
Es wird wohl die letzte Chance für deutsche Rugby-Fans sein, ihre Mannschaft vor dem Repechage-Turnier im November in Frankreich, wo es um den letzten verbliebenen WM-Platz geht, anzufeuern. Zudem tritt mit Samoa eine Mannschaft gespickt mit Stars der englischen und französischen Top-Ligen an - wie oft bekommt man schon Spieler dieses Kalibers zu sehen? Und dann noch in der intimen Atmosphäre des Rugby-Wohnzimmers.
Für die deutsche Mannschaft wird es, aufgrund der eindeutigen Ausgangslage, ein seltsames Spiel werden. Realistisch gesehen kann man das direkte WM-Ticket nicht mehr lösen. Kapitän Julius Nostadt will sich aber auch nicht dazu hinreissen lassen, dieses Spiel als reine Vorbereitung für November zu sehen. Viel mehr will der Frankreich-Legionär die Unzulänglichkeiten aus dem Hinspiel gerade zu rücken.
In Apia hatte es die deutsche Mannschaft trotz hartem Kampf stellenweise zu einfach gemacht. Die eigenen Chancen nicht konsequent genutzt, sich beispielsweise im Samoanischen Malfeld hochhalten lassen und in den wenigen Situationen vor der samoanischen Mallinie zu ineffizient gezeigt.
Dazu reichte der Druck in der Verteidigung gegen physisch imposante Samoaner selten aus, um diese wirklich in Schach zu halten. Zu oft konnten die schweren Ballträger mit Anlauf in die zu langsam aufrückende deutsche Verteidigung rennen und so Tackles brechen und Momentum kreieren.
Nationaltrainer Lemoine: "Unsere Stärken unter Beweis stellen"
Nationaltrainer Pablo Lemoine, der mit seinen drei WM-Teilnahmen mehr als genug über den schwierigen Prozess der Qualifikation sowie die Belohnung beim drittgrößten Sport-Ereignis der Welt weiß, sieht das Spiel am Samstag allerdings durchaus als Vorbereitung auf den November. Im Gespräch mit TR betont der ehemalige Stade-Français-Prop: „Wir haben mit den Jungs über die Wichtigkeit der November-Vorbereitung gesprochen. Ein gutes Spiel am Samstag kann uns unglaublich viel Energie geben und ein wichtiger Schritt Richtung WM sein.“
Seit der Ankunft aus Samoa am vergangenen Dienstag haben er und Kobus Potgieter die Mannschaft wieder auf die Beine kommen lassen. Regeneration war ein wichtiger Faktor, dennoch habe man, so ist im Trainer-Team zu hören, mit kurzen intensiven Einheiten gearbeitet. Dabei habe die Mannschaft genug Zeit gehabt um den Kopf frei zu bekommen und die Eindrücke aus Samoa zu verarbeiten.
Zusammen mit dem Partner DHL ermöglicht es der DRV 6-13-jährigen die Mannschaft kennenzulernen und als Einlaufkinder mitzuwirken
Der Zeitpunkt weit nach dem Ende der Saison ist sicherlich nicht optimal für die deutsche Mannschaft, aber das gehöre nun Mal dazu, wenn man auf diesem Niveau unterwegs ist - so die Losung im Trainerteam. „Dieses Spiel, sowie die viele gemeinsame Trainingszeit bietet uns die Chance die Mannschaft auf ein höheres Level zu hieven“, so Nationaltrainer Lemoine.
Der Uruguayer ist sich zudem sicher, dass noch viel Potenzial in der Mannschaft stecke. Man habe noch viele Stärken, die es jetzt am Samstag unter Beweis zu stellen gebe. Schließlich bestehe noch die realistische Chance im November das WM-Ticket zu lösen: „Wir wissen, dass wir Kanada, Hongkong und wahrscheinlich Kenia beim Repechage-Turnier als Gegner haben werden. Wir wissen ebenso: Wenn wir in den nächsten vier Monaten gut trainieren, uns richtig vorbereiten, werden wir eine große Chance haben bei der nächsten WM dabei zu sein. Das treibt die Jungs und uns alle im Umfeld der Mannschaft unglaublich an.“
Am Samstag in Heidelberg könnte der nächste Schritt in der Entwicklung dieser Mannschaft folgen. Ohne die ungewohnte Umgebung in Samoa und ohne den Druck wird es der deutschen Mannschaft hoffentlich länger gelingen den siebenmaligen WM-Teilnehmer und Viertelfinalisten von 91 unter Druck zu setzen und die Stärken, von denen Pablo Lemoine gegenüber TR sprach, unter Beweis zu stellen. Für die deutschen Fans wird es ein Rugby-Leckerbissen vor sicherlich großer Kulisse im Rugby-Wohnzimmer. Wie oft hat man das hierzulande schon?
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