Samoa war unseren Jungs meist einen Schritt voraus.
Am Ende stand nach 80 Minuten im tropisch-heißen Apia ein klares 66:15 gegen den zweimaligen WM-Viertelfinalisten und haushohen Favoriten Samoa zu Buche. Die Chancen der DRV-XV auf eine direkte WM-Quali im Rückspiel in Heidelberg sind damit nur noch von theoretischer Natur. Während Samoa in fast allen Bereichen überlegen war, hat die deutsche Mannschaft gute Ansätze, sowie unendlich viel Mut und Kampfgeist bewiesen.
Nervosität und mangelnde Chancenverwertung zu Beginn
Schon bei den Hymnen konnte man es den deutschen Jungs anmerken: Dies war kein normales Spiel und sie waren unglaublich stolz darauf, das deutsche Rugby auf dieser Bühne vertreten zu dürfen. Zu Beginn der Partie war dann durchaus auch ein wenig Nervosität bei den Gästen zu spüren und leichte Fehler kosteten das DRV-Team früh Meter und die Chance auf den ersten Versuch: Ein abgefangener Pass von Maxime Oltmann und dessen Offload hätten uns fast den ersten Versuch beschert, doch Chris Hilsenbeck konnte das hastig geworfene Offlaod nicht verwerten.
Insgesamt kam der deutschen Mannschaft die mangelnde Chancenverwertung im ersten Durchgang teuer zu stehen. Die ersten drei Ausflüge tief in die 22 Samoas vor der Pause blieben allesamt ohne Erfolg: Einmal ließ sich die deutsche Mannschaft im Malfeld Samoas hochhalten und zwei Mal ging der Ball wenige Meter vorm Versuch verloren. Zu gut verteidigte Samoa die deutschen Pick-and-Go-Phasen in der Gefahrenzone und zu wenig effektiv zeigte sich die DRV XV dabei vorm Loch.
Lediglich ein früher Parkinson-Straftritt, herausgeholt im Ruck von Samy Füchsel, bescherte Deutschland Zählbares. Zu oft kosteten der deutschen Mannschaft selbst kassierte Straftritte wertvolle Meter und aussichtsreiche Angriffspositionen. Ob nun wegen Abseitsstellungen oder Ruck-Vergehen - der neuseeländische Referee Mike Fraser hatte wenig Mitleid mit dem deutschen Team. Das konstatierten auch die beiden neuseeländischen Kommentatoren des World-Rugby-Streams, als Julius Nostadt vor einem Samoa-Versuch seine Hände scheinbar legal mehrere Sekunden am Ball hatte. Doch anstatt Deutschland den Straftritt zu geben, gab er Samoa den Vorteil und kommentierte später flapsig zu Nostadt: „unlucky!“
Samoas Kapitän Chris Vui spielte den Referee da geschickter - Fraser ließ sich von Vui immer wieder beraten und selbst als Vui laut hörbar zwei Mal innerhalb von wenigen Minuten Gelb für deutsche Spieler forderte, bot Fraser dem Kapitän der Gastgeber keinen Einhalt. Kollektive Vorball-Rufe der Samoaner wurden bei einem flachen und ebenso vielversprechenden Ball von Verbinder Hilsenbeck auf Liebig vom Unparteiischen erhört, während augenscheinlich Vorbälle der Samoaner mehrmals ungeahndet blieben. Doch das wird man wohl unter internationale Erfahrung verbuchen müssen.
Samoas Sturm wurde von unserer DRV XV nur unzulänglich gebändigt
Samoa jedoch glänzte in erster Linie mit seinen Stürmern, die im Schnitt locker 10-15 kg schwerer als ihre Gegenüber waren und immer wieder mit Dampf auf die deutsche Linie anrannten und wertvolle Meter machten. Dabei gelangen den Sturm-Tanks der Samoaner um Leicester-Prop Mulipola und London-Irish-Achter Trevoranus immer wieder halbe und ganze Durchbrüche. Die Statistik der verpassten Tackles sprach am Ende Bände - 36 Mal konnten die Samoaner deutsche Tackles brechen, genau vier Mal so häufig, wie die DRV XV .
Dadurch war die deutsche Defensive ein ums andere Mal im Rückwärtsgang und so boten sich den Samoanern weite Räume auf Außen, die sie mit ihren pfeilschnellen Wingern Sinoti Sinoti und Ed Fidow, dem ein Hattrick gelang, gnadenlos zu nutzen wussten. Mehr als ein Dutzend Durchbrüche gegenüber nur zwei auf deutscher Seite: So brachte es der Favorit und Gastgeber bis zur Pause auf fünf Versuche und führte klar mit 35:3.
Dass Samoa, als traditionell stärkstes der drei Pazifik-Team im Fünfzehner-Rugby, überhaupt über den Umweg Relegation in der WM-Quali gehen muss, war schon eine Überraschung. Die heutige Mannschaft der Samoaner bestand bis auf die Bank hin aus gestandenen Erstliga-Profis - verdeutlicht dadurch, dass mit Joe Tekori ein 1,98-Mann mit knapp 270 Erstliga-Einsätzen in Frankreich für Castres und Rekordmeister Toulouse von der Bank als Verstärkung aufs Feld kommt. Ironischerweise war es Samoas Gedrängehalb Matavao, der einzige nicht professionelle Spieler der Samoaner, der zu den Besten der Gastgeber zählte.
Mit ebensoviel Kampfgeist und mehr Effektivität in Durchgang zwei
Davon, dass die deutsche Mannschaft die letzten Minuten vor der Pause an Samoas Linie kampierte, ohne jedoch den längst überfälligen ersten Versuch zu legen, ließ sich die DRV-Auswahl nicht entmutigen. In Durchgang zwei bewiesen die deutschen Jungs noch mehr Kampfgeist und wurden dafür schlussendlich auch belohnt. Der unermüdlich kämpfende Jaco Otto hatte sich im Spielverlauf mehr als jeder anderer Spieler auf dem Platz in dermaßen viele Rucks geworfen und dazu die allesamt deutlich größeren und schwereren Samoa-Stürmer immer wieder von den Beinen geholt. Ein toller Pass gegen die Spielrichtung von Chris Hilsenbeck brachte Otto dreißig Meter vor der Linie durch die Lücke und mit einem großartigen Step entledigte sich der Flanker vom erfahrenen Tusi Pisi, der als Schluss verteidigte.
Über einen längeren Zeitpunkt konnte die deutsche Mannschaft sich im zweiten Durchgang auch mit ihren taktischen Kicks aus der Gefahrenzone halten und auch ein zwei Mal Kapital aus samoanischen Fehlern schlagen. Insgesamt sah die deutsche Mannschaft immer dann am besten aus, wenn sie sich durch clevere Kicks so weit, wie nur irgend möglich, von der eigenen Linie fern halten konnte. Dazu wählte das deutsche Team oftmals den richtigen Zeitpunkt, um in den offenen um den Ball zu kämpfen. Zahlreiche Turnover waren die Folge und einer davon brachte die deutsche Mannschaft erneut in aussichtsreiche Position: Nach einem Paket waren nur noch wenige Meter zu absolvieren - während die DRV-Auswahl zuvor noch mehrmals aus kurzer Distanz scheiterte, konnte sich Jaco Otto mit seinem tiefen Körperschwerpunkt und mit ein wenig Hilfe zweier Sturmkollegen über die Linie zu seinem zweiten Versuch wuchten.
Die Standards und die mangelnde Einbindung der Außen muss verbessert werden
Während das Paket durchaus einige Male wertvolle Meter machen konnte und die DRV XV auch das samoanische Paket unter Kontrolle hatte, waren die Standards mit das größte Problem der DRV-Auswahl. Die Gasse funktionierte zwar einige Male ganz gut, war aber insgesamt viel zu unzuverlässig, um als ordentliche Angriffsplattform zu dienen. Noch schlechter sah es im Gedränge aus: Den wuchtigen Sturm der Samoaner hatte unsere XV im angesetzten Gedränge nie unter Kontrolle und mehr als die Hälfte der eigenen Bälle gingen verloren. Dazu kassierte die deutsche XV einen Strafversuch, nachdem das Gedränge an der eigenen Linie rückwärts marschierte und Sean Armstrong die Situation aus einer Abseitsposition retten wollte.
Was dem deutschen Spiel zudem fehlte, war die Einbindung der Außen. Einer der Gründe dafür war sicherlich der Spielplan, der viele taktische Kicks vorsah - aber insgesamt wanderte der Ball viel zu selten durch die Hände: Gegen Samoas blitzschnell aufrückende Defensive und ohne vorher Meter mit dem Sturm gemacht zu haben, war das sicherlich auch keine einfache Aufgabe.
Die WM-Quali im Rückspiel ist utopisch, unsere DRV XV kann jedoch international ein Zeichen setzen
Realistisch gesehen war eine direkte WM-Quali gegen den siebenmaligen WM-Teilnehmer Samoa ziemlich utopisch - die bessere Chance das Japan-Ticket zu lösen bestand von Anfang an im Repechage-Turnier im November in Frankreich. Hauptkonkurrent Kanada ist, nach seiner Niederlage gegen Uruguay in der WM-Quali, viel eher unsere Kragenweite. Die Spiele gegen Samoa bieten den deutschen Jungs aber wichtige gemeinsame Spielzeit auf allerhöchstem Niveau zu sammeln und als Mannschaft weiter zusammenzuwachsen. Wer weiß, wie viel gemeinsame Trainingszeit das Team bis dahin noch haben wird.
Dennoch wird das Rückspiel gegen Samoa wichtig werden - auch um Zeichen zu setzen international. Immerhin hat heute eine deutsche Mannschaft, der Samoas Premierminister noch vor einer Woche jegliche Kenntnis über unseren Sport abgesprochen hat, dem zweimaligen WM-Viertelfinalisten gleich zwei Versuche eingeschenkt und war weitere drei Mal sehr nah dran. Deutschland auf der internationalen Rugby-Landkarte zu etablieren, daran arbeitet unsere DRV XV gerade.
Um Siegchancen im Rückspiel zu haben, müssen die angesprochenen Probleme verbessert werden: Chancenverwertung, weniger Durchbrüche für Samoa zulassen und die Standards unter Kontrolle bringen. Dann könnte die DRV XV in Heidelberg mit ihren Fans ein wahres Rugby-Fest feiern.
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