Juni-Länderspiele Teil 3: Entscheidung in Sydney und die Rückkehr eines Magiers
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 22. Juni 2018
Sechs Niederlagen in Folge - gelingt England mit Cipriani als Spielmacher die Wende?
Am morgigen Samstag steht die dritte und letzte Runde der Juni-Länderspiele an - während Neuseeland und Südafrika ihrer Dreier-Serien gegen ihre europäischen Rivalen Frankreich und England bereits gewinnen konnten, entscheidet sich in Sydney die Serie zwischen Australien und Irland im ausverkauften Allianz Stadium. Argentinien hofft gegen Schottland die Juni-Bilanz noch zu retten (live bei DAZN) und die Duelle Japan-Georgien und USA-Kanada bieten einen interessanten Blick auf die Nationen knapp hinter den Top Ten.
Spiel drei der Serie Südafrika-England in Kapstadt: Im Englischen würde man von einem „dead rubber“ sprechen, einem Spiel, bei dem es eigentlich um nichts mehr geht. Südafrika feierte gegen England zwei überragende Comebacks und schickt sich an wieder in die absolute Weltspitze aufzurücken. Natürlich wollen die Boks nun den Hattrick gegen den ungeliebten ehemaligen Kolonialherren, während England die Blamage einer dritten Pleite auf südafrikanischem Boden vermeiden will. Es wäre die siebte Niederlage in Folge, nachdem Coach Eddie Jones noch im letzten Jahr mit seinen Engländern einen Allzeit-Rekord gefeiert hatte - es war die längste Siegesserie der Geschichte.
Dennoch richten sich nun all Blicke vor allem auf eine Person: Den alten und neuen England-Verbinder Danny Cipriani. Der wohl talentierteste englische Spielmacher feiert morgen seinen fünften Einsatz in der Start-XV Englands - „warum habe ich dann noch nichts von ihm gehört?“ werden sich nun einige jüngere Rugby-Fans fragen. Nun ja, bei Ciprianis viertem und letzten Einsatz als Start-Verbinder hieß der US-Präsident George Bush und Wales-Außen Shane Williams wurde zum Weltspieler des Jahres gekrönt. Cipriani hatte sein Debüt vor mehr als einem Jahrzehnt als Teenager gefeiert und ist heute mit 30 immernoch im besten Rugby-Alter.
Nach diesem Debüt galt Cipriani als Heilsbringer Englands - Verletzungen und Skandale warfen den Spielmacher wieder und wieder zurück
Doch was war geschehen? Cipriani gilt nicht nur als der talentierteste Spieler Englands, mit großartiger Übersicht und einer unglaublich kreativen Interpretation der Verbinderposition, er gilt auch seit damals als das Enfant Terrible des englischen Rugbys. Affären, betrunkene Unfälle und Erpressungsversuche gegen Cipriani - so sehr der gebürtige Londoner auf dem Feld wieder und wieder seine Klasse bewies, neben dem Feld ließ er sie zu oft vermissen. Doch nach Jahren der Läuterung und vorbildhaften Verhaltens hatte Eddie Jones Cipriani sozusagen begnadigt.
Samstag wird der alte und neue Verbinder im windigen und regnerischen Kapstadt die nicht sonderlich leichte Aufgabe haben, das englische Spiel anzukurbeln. Dabei muss Cipriani Fingerspitzengefühl beweisen, denn jeder Ballverlust könnte für die Springboks, deren Außen sich in den bisherigen beiden Spielen brandgefährlich gezeigt haben, ein gefundenes Fressen sein. Dazu wird er mit besonders viel ungewollter Aufmerksamkeit vom gigantischen Boks-Sturm rechnen müssen. Sollte sich Cipriani beweisen können und gut mit Innendreiviertel Owen Farrell harmonieren, könnte es durchaus einen Wechsel auf Englands-Verbinderposition geben.
Frankreich mit einer Chance gegen die All Blacks?
Die Franzosen wollen sich indes in Dunedin, trotz verlorener Serie, noch einen Sieg auf neuseeländischem Boden sichern. Das ist in diesem Jahrzehnt noch keiner Nationalmannschaft (die British and Irish Lions konnten im Vorjahr Spiel 2 für sich entscheiden) gelungen - zuletzt waren es 2009 die Springboks und nur Monate zuvor Frankreich, ebenso in der südlichsten neuseeländischen Großstadt Dunedin, die den All Blacks eine Pleite zufügen konnten.
Lediglich zwei Spieler von damals sind heute noch im Frankreich-Kader zu finden: Maxime Medard und Mathieu Bastareaud - doch während Letzterer in den beiden bisherigen Spielen als Kapitän aufgelaufen war, wird er nun geschont. Medard wird immerhin von der Bank ins Spiel kommen. Genau diesen Spirit von Dunedin wollen die Franzosen, die im letzten Spiel in Wellington nach der roten Karte gegen Benjamin Fall über 65 Minuten verdammt gut in Unterzahl mithalten konnten, nun wieder beschwören.
Mit dem neu installierten Innden-Duo Wesley Fofana und Remi Lamerat von Clermont, die mit dem explosiven Außen Teddy Thomas harmonieren dürften, haben die Franzosen definitiv die Waffen um die All-Blacks-Defensive zu knacken. Dort wird mit Jack Goodhue ein Debütant auf Innen auflaufen, der jedoch mit den Crusaders schon Super-Rugby-Sieger wurde. Während Beauden Barrett mit einer Gehirnerschütterung ausfällt, wird mit Sonny Bill Williams ein anderer Superstar in die Start-XV rücken.
Entscheidung in Sydney: Australien vs. Irland
Das sicherlich spannendste Spiel des Spieltages findet unterdessen in Sydney statt: Irland will nach dem starken Auftritt in Melbourne, der zum ersten Triumph auf australischem Boden seit 1979 führte, mit einem zweiten Sieg die Serie gegen Australien siegreich beenden. Unter den 46.000 Fans im ausverkauften Allianz Stadium werden sicher wieder zahlreiche lautstarke Unterstützer der Gäste sein, die ihre „Boys in Green“ siegen sehen wollen. Erfolgs-Coach Joe Schmidt hat sich dementsprechend für seine stärkstmögliche Aufstellung entschieden und der Versuchung Gedrängehalb Conor Murray eine Pause zu verschaffen widerstanden. Genau diesen hat Irland-Legende Brian O'Driscoll unter der Woche zu Irlands wichtigstem Spiele geadelt.
Die Wallabies müssen derweil auf Gedrängehalb Will Genia verzichten, der sich in der Vorwoche den Arm gebrochen hatte. Sein erfahrener Adjutant Nick Phipps wird dafür einspringen - zusammen mit Waratahs-Klub-Kollege und Verbinder Bernard Foley dürfte er das Wallabies-Spiel gekonnt steuern. Das wohl weltbeste Flanker-Duo David Pocock und Michael Hooper wird an die Leistung aus Spiel eins anknüpfen wollen, als man den Iren ihr geduldiges und effektives Angriffsspiel in den Offenen zunichte machte.
DRV-Bundestechniktrainer und Berliner Stützpunkttrainer Chris Lane, der noch bis zum vergangenen Sommer zusammen mit Chad Shepherd die DRV VII betreute, ist vor dem Entscheidungsspiel gegenüber TR nicht optimistisch: „Irland wird das Spiel mit seinem Sturm wieder gewinnen - ihre Fähigkeit den Ball Phase über Phase zu behalten und Druck aufzubauen war in Spiel zwei überragend.“ Dass Lane durchaus etwas von seiner Materie versteht, wurde vorgestern einmal mehr klar - Wallabies-Gedrängehalb und WM-Finalist von 2015 Will Genia nannte Lane als einen entscheidenden Einfluß auf seine Karriere. Genia wird hoffen, dass Lane mit seiner Analyse für das Entscheidungsspiel morgen falsch liegt.
Argentinien und Schottland dagegen wollen beide Beweisen besser als die Leistung der letzten Wochen zu sein. Argentinien war zuvor zwei Mal gegen Wales untergegangen, nachdem man durch gute Super-Rugby-Resultate der Jaguares im Super Rugby optimistisch in den Juni gegangen war. Vor der Rugby Championship brauchen die Pumas nun dringend Aufwind. Schottland will nach einer historischen Niederlage gegen die USA den Juni versöhnlich abschließen. Dieses Spiel wird es bei den Kollegen von DAZN live zu sehen geben.