Ein ums andere Mal rannte unsere DRV XV an und Portugals Defensive gab nur einmal nach. Foto (c) Keßler
Der 16:13 Sieg unserer DRV XV bringt sie einen Schritt näher an die Rugby-WM in Japan. Bei sommerlichen Temperaturen gab es auf dem Feld reichlich Drama, jedoch erfreulicherweise nur aus rein sportlicher Sicht. Wir blicken auf das Spiel der deutschen Mannschaft am heutigen Samstag und auf die kommenden Wochen in Sachen DRV XV voraus.
1. Spielerisch war es kein Feuerwerk, doch unterm Strich zählt nur der Sieg
Es war ein Abnutzungskampf und nicht das von einigen erhoffte Feuerwerk im mit 2300 Zuschauern ordentlich besuchten Rugby-Wohnzimmer in Heidelberg. Portugal hat heute mit Haut und Haaren verteidigt, die DRV XV allein vier Mal kurz vor der eigenen Mallinie gestoppt und war dazu auch in der Offensive zeitweise gefährlich. Was am Ende zählt ist lediglich der Sieg, so der Tenor im deutschen Team. Für Nationaltrainer Pablo Lemoine war es ein „Endspiel“ und in solchen, so der Uruguayer weiter, komme es auf die „Einstellung“ an - genau diese habe er bei seinen Jungs gesehen.
Die ersten zehn Minuten dominierte unsere DRV XV und kam zwei Mal der portugiesischen Linie ganz nah. Die Verteidungsleistung der Gäste jedoch war, was die zuvor harmlosen Gäste erst so richtig ins Spiel brachte, wie Portugal-Kapitän Salvador Santos nach dem Abpfiff bestätige: „Wir konnten da den Kopf aus der Schlinge ziehen und solche kleinen Siege, wie als wir zwei Mal unser Malfeld sauber gehalten haben, hat uns geholfen ins Spiel zu kommen.“
Die deutsche Mannschaft entschied sich nach dem dritten Straftritt schließlich Punkte mitzunehmen und zu den Stangen zu kicken. Nach der frühen 3:0 Führung jedoch, wirkte sie aber mehr und mehr verunsichert. Uncharakteristische Fehler schlichen sich mit zunehmender Häufigkeit ein, dazu kassierte die deutsche Mannschaft über weite Teile des Spiels viel zu viele Straftritte. Genau diese mangelnde Disziplin führten sowohl Spieler als auch das deutsche Trainer-Duo Lemoine-Potgieter als einen der Gründe für das zerfahrene Spiel an.
Dazu kam das Frankreich-Kontingent in der DRV XV mitten aus der Sommerpause in diese Partie. So fehlte es dem halben Dutzend Legionären auch an Match-Fitness und Spiel-Rhythmus, wie RC-Vannes-Profi Tim Menzel im Gespräch mit TR bestätigte. Bei sommerlichen Temperaturen kein Zuckerschlecken für diejenigen DRV-XV-Spieler, die seit einigen Wochen aus dem Training sind. Dazu sei das Training unter der Woche, so war es der Mannschaft zu hören, durchaus anspruchsvoll gewesen.
Der Druck sich mit diesem Spiel die größte bisherige Chance auf den Rugby World Cup jemals sichern zu können, dürfte sein Übriges zur Ausgangslage beigetragen haben. Portugal wiederum konnte gegen beherzt verteidigende deutsche Spieler selten beständig Meter machen - doch ein Durchbruch von Portugals Achter Jacques Roux zum einzigen Gäste-Versuch, brachte die DRV-Auswahl früh in Durchgang zwei endgültig in eine extrem schwere Ausgangsposition.
Doch woran es der deutschen Mannschaft zu keinem Zeitpunkt mangelte, war Kampfgeist. Angetrieben von Gedrängehalb Sean Armstrong, der das portugiesische Spiel immer wieder mit seiner aggressiven Spielweise störte und dazu noch krachende Hits setzte, kämpfte sich die deutsche Mannschaft zurück ins Spiel. In den Phasen, in denen es die DRV XV schaffte einige Phasen aneinander zu reihen, machte man auch durchaus Meter und zwang Portugal zu Fehlern.
Von Selbstzufriedenheit keine Spur - die Reaktionen aus der DRV XV
Tatsächlich schaffte es die deutsche Mannschaft im weiteren Verlauf des zweiten Durchgangs die Fehler zu unterbinden und prompt gab es auch Resultate. Ein clever gespieltes Paket, bei dem die Portugiesen nicht gegendrücken wollten und Jarrid Els dann mit dem Ball vorne im Paket befindlich wertvolle Meter machte, resultierte in einem DRV-Straftritt. Diesen kratzte Sean Armstrong in beeindruckender Manier im vollen Lauf an und überraschte die Gäste damit vollends. Sein Pass auf Jarrid Els führte somit zum DRV-Versuch an der Eckfahne.
Der zweite Sieggarant war Raynor Parkinson, der anders als sein Gegenüber mit einer 100% Kickleistung als zuverlässiger Punktelieferant glänzte. Nach seinem Straftritt zur Führung nur wenige Minuten vor Spielende bewies die DRV-XV weiter Charakter, beschränkte sich nicht aufs Verteidigen und wollte endgültig den Sack zumachen. Portugal hatte keine Antwort mehr auf den deutschen Druck und so endete das Spiel Zentimeter vor dem Malfeld der Portugiesen mit einem Vorball und dem erleichterten Jubel von Mannschaft und Fans.
Kobus Potgieter formulierte es dem Team gegenüber treffend: „Wir haben scheiße gespielt, aber am Ende trotzdem gewinnen, das ist das Wichtigste!“
2. Diese Energie-Leistung, trotz aller Ablenkungen, nötigt Respekt ab
Kapitän Julius Nostadt formulierte es sehr diplomatisch, als er nach Abpfiff von einem „besonderen Spiel“ unter „besonderen Umständen“ sprach. Tatsächlich ist ein Großteil des DRV-Kaders von der Entscheidung des Rugby-Mäzens Hans-Peter Wild, sich ausschließlich auf die Förderung des französischen Klubs Stade Français zu beschränken, betroffen. Diese Unsicherheit, eventuell gar Zukunfsängste, werden niemandem im Team geholfen haben, sich auf diese 80 Minuten gegen Portugal zu konzentrieren.
Umso mehr muss man anerkennen, welche Energie- und Willensleistung diese Jungs für den Adler auf der Brust gegeben haben. Bei heißen Temperaturen gegen einen stark verteidigenden Gegner, der in dieser Saison bisher ungeschlagne war, hat sich niemand in der Mannschaft hängen lassen. Selbst nach dem zwischenzeitlichen 10-Punkte-Rückstand war der unbändige Wille dieser Mannschaft spürbar. Diesen Willen muss man in der Analyse hervorstreichen und darauf aufbauen.
Der Faktor Rugby World Cup, der Traum vom größten Turnier unserer Sportart überhaupt, wird zweifelsohne auch eine Rolle in der Motivation unserer Jungs gespielt haben und wird dies auch künftig spielen. Die Perspektive auf den Rugby World Cup ist mit dem heutigen Sieg realistischer denn je und wird viele der Spieler hoffentlich durch diese schwierigen Zeiten bringen. Das Spiel in Samoa kann ja gewissermaßen für den einen oder anderen auch ein Schaulaufen sein, um eventuell weiterhin unter professionellen Bedingungen Rugby zu spielen.
3. Die Zukunft des deutschen Rugby war heute in Heidelberg zu sehen
Und zwar nicht nur vor großem Publikum im Fritz-Grunebaum-Sportpark. Vor und nach dem Länderspiel wird auf der anderen Straßenseite beim HRK, sowie im Rugby-Wohnzimmer selbst, die U-14 Meisterschaft ausgetragen. Zehn Teams aus der ganzen Republik kämpfen um die Nachwuchskrone im deutschen Rugby. Einige der Nachwuchs-Spieler, die heute vor und nach der DRV XV gespielt haben, werden eines Tages selbst im DRV-Dress auflaufen, soviel steht fest. In den Nachwuchs zu investieren und diesem mehr Spielpraxis, wie auf diesem Turnier zu garantieren, muss künftig die absolute Priorität sein.
Doch ist es ebenso wichtig diesen Kindern- und Jugendlichen Idole zu geben, zu denen sie aufschauen können. Eine Rugby-World-Cup-Teilnahme der deutschen Mannschaft könnte da durchaus ein betrachtlicher Faktor sein. Für die jetzige Spieler-Generation ist sie das sowieso. Bei vielen aktuellen Nationalspielern steht momentan nicht einmal fest, wo sie in der kommenden Saison spielen werden.
Genauso wenig kann niemand die mittelfristige Zukunft des Teams vorhersagen, wie beide Trainer auf der Pressekonferenz freimütig einräumten. Erst einmal wartet ein Flieger, oder besser gesagt drei verschiedene nacheinander, auf die DRV XV. Es geht nach Samoa, wo unsere Jungs stolz die deutschen Farben vertreten wollen. Alles weitere wird sich erst in den kommenden Wochen und Monaten klären. So viel aber steht fest: Es bleibt spannend im deutschen Rugby.
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