TR-Gegneranalyse Portugal: Gefährlich aber alles andere als unschlagbar
Geschrieben von TotalRugby Team
Freitag, 15. Juni 2018
In der Rugby Europe Trophy ging Portugal ungeschlagen mit 5 Siegen als Meister hervor.
Morgen wartet mit Portugal ein wirklich unangenehmer, aber gleichwohl nicht unschlagbarer Gegner auf die DRV XV. Die Iberer standen als WM-Teilnehmer im Jahr 2003 und als Kern-Team über Jahre hinweg auf der World Series einst deutlich besser da. Seit dem Abstieg aus der Rugby Europe Championship im Jahr 2016 versuchen die „Wölfe“ den Neuaufbau und Wiederaufbau - mit einer ungeschlagenen Saison in der zweitklassigen Rugby Europe Trophy besteht weiterhin die Chance auf einen Aufstieg. Doch auch im portugiesischen Rugby gab es zuletzt Skandale und öffentlich ausgetragene Querelen: Eines der beiden Halbfinalspiele um die Meisterschaft musste nach immer wieder ausbrechenden handfesten Auseinandersetzungen zwischen zwei der Top-Mannschaften des Landes abgebrochen werden. Der Zwist um die daraus resultierenden Zwangsabstiege und Sperren dominierte zuletzt das portugiesische Rugby.
Im letzten direkten Duell hatte Deutschland mit 50:27 in Hannover für sich entscheiden können und damit damals im Jahr 2016 den Grundstein für den Klassenerhalt gelegt. DRV-XV-Trainer Pablo Lemoine hat sich nun die letzten Spiele der „Wölfe“ genannten Auswahl Portugals in der zweiten EM-Klasse angeschaut und analysiert. Der dreimalige WM-Teilnehmer mit Uruguay rechnet morgen mit einem gefährlichen Gegner, „der uns durchaus Probleme bereiten kann“, so Lemoine im Gespräch mit TR. Die Portugiesen hatten nach ihrem Abstieg zwei perfekte Spielzeiten hingelegt, waren aber im vorherigen Sommer im Relegationsspiel an Belgien gescheitert. In dieser Trophy-Saison (der Spielklasse unterhalb der Championship) hatte Portugal alle fünf Partien gewinnen können - DRV-XV-Coach Lemoine: „Portugal spielt eine großartige Saison, sie haben viele gefährliche Siebener-Spieler.“
Tatsächlich profitiert Portugal noch von seiner jahrelangen Teilnahme an der Sevens World Series. Nuno Sousa Guedes konnte auf der World Series schon sein Können unter Beweis stellen und wird gegen die DRV XV ein Gefahrenherd sein. Einige weitere Leistungsträger der Mannschaft Portugals, wie Zweite-Reihe-Stürmer und Montauban-Profi Jean Sousa, sind in der französischen zweiten und dritten Liga professionell angestellt. Doch ein Großteil des Kaders spielt in der höchsten Spielklasse des Landes bei den Lissabonner Top-Klubs CDUL, Direito, oder Belenenses. Dort wird auf semiprofessionellem Niveau gearbeitet - irgendwo zwischen dem Leistungsniveau des HRK und der restlichen deutschen Bundesliga.
Wie man gegen Portugal durchaus erfolgreich sein kann, haben die Polen bewiesen, die am Ende in der Rugby Europe Trophy knapp hinter Portugal landeten. Das EM-Spiel in Lodz war das knappste der gesamten Saison für die Portugiesen - der harterkämpfte 27:25 Erfolg sicherte Portugal schlussendlich auch die Meisterschaft. Gleichwohl zeigten die Polen, wo Portugal verwundbar ist: Mit ihren schweren Sturm-Hünen rissen die Polen immer wieder Lücken rund um die Rucks und machten wertvolle Meter, was schließlich zu Versuchen führte. Auch die DRV XV hat im Sturm einige Brocken dabei, die mit dem Ball hart in den Kontakt gehen können. Das dürfte eines der Erfolgsrezepte am morgigen Tag sein.
Seit dem Polen-Spiel im Spätwinter hat allerdings auch in Portugal Rugby ein Skandal die dortige eingeschworene Rugby-Gemeinde erschüttert. Beim Halbfinale um die Meisterschaft zwischen Direito und Agronomia brachen im Spielverlauf gleich drei Massenschlägereien aus, zum Teil mit Beteiligung des Publikums. Dieses Skandalspiel schaffte es sogar in die Hauptnachrichten des portugiesischen Fernsehens. Deshalb sah sich der Verband gezwungen zu handeln und bestrafte die involvierten Teams mit einem Zwangsabstieg in die dritte Liga. Daraufhin drohten einige der involvierten Spieler mit Boykott, was sich aber mit Blick auf das WM-Qualispiel noch abwenden ließ.
Portugals ehemaliger XVer- und VIIer-Kapitän Pedro Leal, mit immerhin 76 Spielern einer der erfahrensten Spieler des Landes, nannte den Vorgang eine Schande. Allerdings bezog sich der World-Series-erfahrene Neuner auf das Urteil, nicht die Schlägereien auf dem Feld, bei denen er involviert war. Nuno Sousa Guedes zählte ebenso zu den Beteiligten, darf allerdings morgen in Heidelberg auflaufen. Die Fehde sollte auf dem Feld keine grossartigen Auswirkungen haben - doch festzuhalten bleibt: Auch Portugal hatte perfekte Vorbereitung.
Polen hat es vorgemacht: Mit starken Sturmläufen kann man gegen die Portugiesen Meter machen