TR-Interview mit Kehoma Brenner - das „Kampfschwein“ verabschiedet sich
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 6. Juni 2018
Mit Stolz blickt Kehoma Brenner auf die 48 Einsätze in der DRV XV zurück, wie hier 2016 in Köln. Foto (c) Keil
Wohl kaum ein Gesicht hat das deutsche Rugby in den letzten zehn Jahren dermaßen geprägt, wie das von Kehoma Brenner. Der Dritte-Reihe-Stürmer hat nun, nach 48 Länderspielen, vier Einsätzen in der DRV VII und sieben Meistertiteln, am Samstag endgültig die Rugbystiefel an den Nagel gehängt. Wir haben uns mit „Keo“ über seine im deutschen Rugby nahezu einmalige Karriere unterhalten.
TotalRugby: Guten Abend Keo und Danke erst einmal, dass du dir die Zeit für das Interview genommen hast. Das Bundesliga-Finale am Wochenende war ja dein letztes Spiel - du wirst die Rugby-Stiefel an den Nagel hängen. Zunächst: Du wurdest verletzungsbedingt ausgewechselt, was genau ist passiert?
Kehoma Brenner: Ich habe schon seit einer Weile Probleme mit der Achillessehne, unser Platz (der Kunstrasen beim HRK) macht mir da ein bisschen zu schaffen. Immer wenn wir dann woanders spielen und der Boden weicher ist, merke ich die Achillessehne dann immer, die sich öfter Mal entzündet. Dazu geht dann die Wade noch recht schnell zu, aber es ist nichts was mich umbringt jetzt.
TR:Das Portugal-Spiel hätte dich aber schon noch Mal gereizt, oder?
KB: Wäre es vor ein paar Wochen gewesen, wie es eigentlich geplant war, wäre ich dabei gewesen. Aber jetzt bin ich eigentlich schon ein bisschen froh, dass es vorbei ist. Dadurch, dass die Wild-Jungs jetzt wieder alle mit dabei sind, ist es auch gar nicht nötig, dass ich da mit eingreife.
TR:Mit deinem siebten Meistertitel in Berlin hattest du also quasi den perfekten Abgang?
KB: Definitiv - dieses und letztes Jahr war das schon der Wahnsinn, was die da in Berlin aufgezogen haben. Im letzten Jahr hatten wir uns zwar schon ein wenig den RK 03 gewünscht im Finale, dann wäre wohl sicher auch noch Mal mehr gegangen. Dieses Jahr mit der RGH war es auch schön, die Jungs haben es sich auch absolut verdient, aber wir hätten uns schon Hannover gewünscht, weil von denen dann sicher noch ein paar mehr gekommen wären und dann wäre die Bude noch voller gewesen. Aber vor so einer Kulisse zu spielen macht schon Spaß.
TR: Jetzt hörst du also mit 32 Jahren und nach 48 Länderspielen auf…
KB: Ich hätte schon gerne noch die 50 vollgemacht. Eigentlich wollte ich im November Chile noch spielen, aber dazu ist es leider nicht gekommen. Dann ist es im Endeffekt bei 48 geblieben, dazu vier internationale Siebener-Turniere, die ja mittlerweile auch als Länderspiele zählen, also über 50 insgesamt. Wobei im Endeffekt ist das auch nur eine Zahl - ich bin dankbar, dass ich dabei sein konnte, ob das nun 15 oder 50 waren, das ist egal. Was du da erlebt hast, kann dir niemand mehr nehmen.
"Vor über 40.000 in Twickenham, das werde ich nie vergessen"
TR:Wenn du jetzt auf über ein Jahrzehnt Spitzen-Rugby zurückdenkst, was sind da die Momente, an die du dich besonders gerne zurückerinnerst?
KB: Der erste Meistertitel 2011 war logischerweise einer der schönsten. Bei der RGH hatte ich ein Finale gespielt (2008), was wir gegen Frankfurt verloren haben. Das war ein hartes Ding, da habe ich lange gebraucht, um das zu verkraften. 2011 wiederum war es ja dann das Triple mit dem Pokal und der Siebener-Meisterschaft. Dementsprechend war das mit das geilste Jahr, was ich hatte.
Bei den Länderspielen war das Quali-Spiel gegen Russland in Hamburg ein absolutes Highlight - da waren wir das erste Mal wirklich auf Augenhöhe mit einem der Teams aus der Top-Division. Letztes Jahr in Kenia, das war auch absoluter Wahnsinn. Es waren so viele, da vergesse ich sicher was.
Einst auch im Siebener unterwegs, wie hier bei den Hannover 7s
TR:Was ist mit Twickenham 2009, als ihr als Gastmannschaft auf der World Series wart?
KB: Ja klar! Gut, dass du mich daran erinnerst. Das war Wahnsinn, in so einer Atmosphäre zu spielen, das hatte ich davor nie und danach auch nicht wieder. Über 40.000 Zuschauer im Stadion - damals kam Kenia erstmals so richtig auf und die hatten einen eigenen Fanblock in der Ecke mit Trommeln. Uns als Underdog haben die uns richtig angefeuert, jeden angekommen Pass bejubelt, das war großartig.
Woran ich mich auch noch erinnern kann, wir haben damals in London gegen Samoa gespielt und 40:5 verloren. Wir haben dabei relativ gut auf den Sack gekriegt, aber einen Versuch konnten wir dennoch legen und der war gleich von unserer eigenen Mallinie über 100 Meter und 15 Pässe bis ins gegnerische Malfeld. Und wirklich bei jedem Pass, der angekommen ist, gab es Jubel aus dem ganzen Stadion. Auch mit all den anderen Teams der World Series im Spielerhotel zu sein, den ganzen Stars, die man nur aus dem Fernsehen kennt. Beim Bankett mit denen, die ganze Zeit im Hotel mit denen, es sind alles Rugby-Spieler also alles coole Typen. Keiner der irgendwie hochnäsig ist, das war definitiv ein Erlebnis.
TR:Bei dem Turnier habt ihr auch gegen Südafrika gespielt mit einem gewissen Vuyo Zangqa (dem jetzigen Trainer der DRV VII)…
KB: Ja, damals haben die auch die World Series gewonnen und waren unglaublich stark. Da waren auch viele spätere Super-Rugby-Stars dabei, Rayno Benjamin, Gio Aplon und Robert Ebersohn - Südafrika hatte damals ein brutales Team. Ich glaube wir haben den Ball gefühlt in den 14 Minuten nicht einmal berührt. Insgesamt haben wir 70 Punkte kassiert, was glaube ich sogar die Rekordniederlage war. Aber hey, immerhin haben wir gegen Südafrika gespielt!
TR: Abgesehen vom Siebener - mit 1,78 bist du jetzt nicht der allergrößte Stürmer, hast du dir zu irgendeinem Zeitpunkt, unter einem Ruck mit fünf Leuten oben drauf oder als Hakler im Gedränge gedacht: Hätte ich damals Mal ein paar Steaks weniger gegessen und wäre auf der Dreiviertelreihe gelandet?
KB: Niemals, niemals! Das was ich gemacht habe, war genau richtig für mich, ich habe es geliebt. Immer vorne mit dabei, wo es rund geht. Habe immer den Kopf hingehalten und nicht umsonst die eine oder andere Gehirnerschütterung gehabt, Macken am Kopf, die mich immer daran erinnern werden. Hintermannschaft wäre definitiv nichts für mich, ich bin ein Kampfschwein.
Seanie (Sean Armstrong) hat mir vor dem Finale am Samstag mein Trikot gegeben und gesagt: „Keo ist jemand, der nicht das größte Talent ist, aber das war nie nötig, weil er so viel Einsatz und Wille gezeigt hat“. Ich bin wirklich nicht der Modellathlet, der Rugby-Spieler von internationalem Format, aber Kobus Potgieter meinte Mal: „Mir ist es scheißegal, wie ihr ausseht, ob ihr dick, dünn, klein oder groß seid - wenn ihr euren Job auf dem Platz macht, seid ihr in meiner Mannschaft“. Das hat mich immer so ein wenig angetrieben. Kobus hat immer an mich geglaubt, mich immer gefördert, auch wenn andere nicht an mich geglaubt haben. Er stand immer hinter mir.
"Wir werden Portugal nach Hause schicken, mit einer Klatsche!"
TR:Dann wird es dich sicher freuen, dass Kobus Potgieter und Pablo Lemoine die Nationalmannschaft gemeinsam auf das Portugal-Spiel vorbereiten werden, oder?
KB: Absolut! Das ist genau die richtige Entscheidung. Mit den zwei zusammen kann es richtig gut werden. Ich gehe fest davon aus, dass wir Portugal nach Hause schicken und zwar mit einer richtigen Klatsche. Was dann mit Samoa passiert ist Bonus, wir sollten uns auf das Repechage-Turnier konzentrieren, wo alles offen ist. So eine Chance hatten wir noch nie! Trotz all dem, was im letzten halben Jahr passiert ist, für uns ist im Endeffekt gut gelaufen. Jetzt müssen wir nur noch zugreifen. Klar wird das nicht einfach, die anderen Jungs wollen auch zur WM, aber die Chancen waren nie besser. Das wissen die Jungs auch und die brennen darauf, die wollen spielen.
TR: Mal mit Blick auf die Zukunft - was wird dir am meisten fehlen? Für die Old Boys bist du ja sicher noch ein bisschen zu fit…
KB: Ich hab das im letzten halben Jahr schon gemerkt. Als die im Titans-Programm morgens trainiert haben und ich Abends dann nur noch mit maximal zehn Leuten trainiert habe. Das war schon eine harte Zeit für mich, das ist nicht das, was man als Mannschaftssportler will. Als die Jungs dann vor dem Halbfinale dann wieder abends mit dabei waren, das war ein unglaubliches Glücksgefühl. Die gemeinsamen Einheiten und noch die beiden Spiele - da wusste ich, dass ich wieder daheim bin. Davor war ich ehrlich gesagt ein wenig verloren.
TR:Stellst du es dir dann einfach vor, ohne das Training, ackern, ohne den Muskelkater?
KB: Nein, absolut nicht. Aber ich hab es den Jungs auch vor dem Finale gesagt - ja das wird mein letztes Bundesliga-Spiel, aber ihr werdet mich nicht los! Ich werde auf dem Platz sein, ob das Zugucken ist, manchmal ein bisschen Touch zocken. Der Sport ist Familie, Religion, Leben - das Ding ist in mir drin, das kriegste nicht mehr los.
"Werde dem Sport definitiv erhalten bleiben"
TR:Also wirst du dem Sport erhalten bleiben, eventuell gar als Trainer?
KB: Definitiv, ich werde erstmal sehen, wie das privat weitergeht bei mir. Ich habe bei den Wild-Werken einen neuen Job, bei dem ich europaweit unterwegs sein werde. Wenn sich das eingependelt hat, werde ich definitiv wieder irgendeine Funktion übernehmen. Aber das kann ich jetzt noch nicht sagen. In irgendeiner Form werde ich dem Rugby treu bleiben.
TR:Wir hatten ja schon über die Momente gesprochen, die dir in Erinnerung bleiben werden. Aber beim Rugby dreht es sich natürlich auch sehr um die Mitspieler und Gegner - welche Weggefährten aus deiner Karriere werden dir da besonders in Erinnerung bleiben?
KB: Erst einmal, ich bin beim HRK und bleibe beim HRK. Ich fühle mich hier wohl mit den Jungs, mit denen ich gespielt habe. Muss aber auch sagen, die drei Jahre in denen ich weg bin zur RGH, die waren für meine Entwicklung top. Da bin ich so Leuten wie Bazi (Rudolf Finsterer - RGH-Coach), Tim Kasten und Mustafa Güngör unglaublich dankbar, die mich da dermaßen gut aufgenommen haben und mit denen ich drei megageile Jahre hatte. Wir haben das Bundesliga-Endspiel gespielt, das Pokal-Endspiel gespielt, sind zwei Mal Siebener-Meister geworden. Da habe ich einen ganzen Haufen gelernt und mich gut entwickelt.
Über Sean Armstrong "Wie er das mit seinem Körper macht, ist mir ein Rätsel"
Beim HRK wieder, da muss ich Sean Armstrong nennen vorneweg. Er ist die größte Persönlichkeit meiner Meinung nach im deutschen Rugbysport. Jemanden mit mehr Wille und mehr Leidenschaft habe ich nirgends getroffen. Der ja theoretisch für ein anderes Land spielt, aber das war für ihn nie ein Thema. Er spielt für Deutschland und das mit Haut und Haaren. Er ist derjenige, der mich am meisten geprägt und als Spieler beeinflusst hat. Wie er das mit seinem Körper macht ist mir ein Rätsel. Du weißt, wenn du mit ihm auf dem Platz stehst: Entweder du gewinnst das Ding oder du stirbst auf dem Platz.
Ansonsten, ich meine es sind so viele, Kobus hatte ich ja schon erwähnt. Jaco Otto hat mich die letzten Jahre unglaublich beeindruckt. Er ist ja wie ich auch nicht so groß, also nicht der typische Dritte-Reihe-Stürmer. Aber was er national, wie international abreißt hat mich immer wieder inspiriert. Und wenn du ihn andersherum fragen würdest, würde er wahrscheinlich mich nennen. Wir haben uns sozusagen gegenseitig inspiriert, wenn du weißt was ich meine. Aber auch bei den Frankfurtern damals, oder bei Pforzheim waren ein paar unglaubliche Spieler dabei.
Einer der wichtigsten Weggefährten von Kehoma Brenner, Sean Armstrong
TR:Abschießend vielleicht noch: Mit deiner Erfahrung, wenn jetzt ein junger Spieler, mit vielleicht 17 oder 18 Jahren auf dich zukommt. Einer, der auch ambitionierter ist, in die Bundesliga will und darüber hinaus was erreichen will - was würdest du so einem Spieler mit auf den Weg geben? Was ist wichtig, abseits von gut passen und tacklen…
KB: Im Endeffekt: Es ist völlig egal wie groß du bist, wie du aussiehst, ob du Talent hast oder nicht - wichtig ist dein Herz und der Wille, den du mit auf den Platz bringst. Dann ist alles möglich, im Moment sowieso. Was sich in den letzten Jahren entwickelt hat, wir haben alle Chancen, sogar auf die WM, die vor der Tür steht. Was ich persönlich weitergeben kann: Wenn du genug arbeitest brauchst du nicht unbedingt das Talent, dann kannst du trotzdem alles erreichen.
TR:Danke Keo für das Interview und nur Mal so: 500€ für ein Flugticket nach Japan hast du noch übrig, oder?
KB: (lacht) - Japan wollte ich schon immer Mal sehen! So eine WM muss man mitnehmen, auch wenn sie in Japan ist. Erst recht, wenn die Jungs da sind. Dann bin ich auf jeden Fall dabei, ob das Ticket 500€ oder 5000€ kostet.