Ulrich Byszio wurde als Aktiver auf Grund seiner Schnelligkeit meist als Außendreiviertel eingesetzt
Da Außendreiviertel bekanntlich die schnellsten Männer auf dem Platz sind, ist auch der dritte Interviewpartner in unserer Kolumne „Was macht eigentlich…?” solch ein ehemaliger Supersprinter. Dr. Ulrich Byszio, Rugbydeutschland bekannt als der mächtige Mann hinter den Erfolgen des Deutschen Meisters 1880 Frankfurt,
war zu seiner aktiven Zeit beim SC 1880 Frankfurt und beim RC Strasbourg deutscher 15er und 7er Nationalspieler und hat u.a. bei den renomierten Hong Kong 7s die Deutschen Farben vertreten.
Ulrich Byszio heute als Manager des Ligaprimus 1880 Frankfurt - (c) Miriam May
TotalRugby: Hallo Uli, wie geht es Dir, was machst Du im Moment?
Ulrich Byszio: Ich habe gerade meine drei Jungs (1, 4 + 7) ins Bett gebracht und mich über einen meiner Profis geärgert, der seine Wohnung nicht pfleglich behandelt hat.
TR: Erzähl uns mal ein bisschen was von Deinem Alltag, was machst Du beruflich?
UB: Wenn meine Kinder nicht in der Krabbelstube, im Kindergarten oder in der Schule sind, kümmere ich mich fast jede freie Minute um sie. Ansonsten geht sehr viel Zeit geht auch für die Organisation rund um das Rugby im SC 1880 Frankfurt drauf. Ich bin da sozusagen eine Art Quality Control Instanz und versuche immer Schwachstellen aufzudecken und diese zu beseitigen.
TR: Welche Rolle nimmt der Rugbysport heute in Deinem Leben ein?
UB: Ich habe nach meinem Ausstieg aus der Nationalmannschaft (bedingt durch instabile Fußknöchel) jeglichen Kontakt zum Rugby umfassend abgebrochen: nie mehr im Club gewesen, nie mehr Rugby im Fernsehen gesehen. Dies war sicherlich auch dadurch bedingt, dass ich mich mit aller Kraft auf den Beruf konzentriert habe. Nachdem mein ältester Sohn auf die Welt kam und wir gemeinsam Urlaub in Südafrika gemacht haben, habe ich mich beim Strandrugby wieder vom Rugby-Virus anstecken lassen. Danach habe ich mir zum Ziel gesetzt, den SC 1880 Frankfurt in allen Bereichen (Jugend und Erwachsene) zum stärksten Verein Deutschlands zu machen.
TR: Wie war denn Dein sportlicher Werdegang, wie kamst Du vom SC 1880 bis in die Nationalmannschaft?
UB: Im Alter von ca. 12 Jahren bin ich per vereinsinternem Abteilungswechsel von der Leichtathletik zum Rugby gewechselt. Mit ca. 15 habe ich in den USA (San Diego) paralell Rugby (Ocean Mission Beach Athletic Club und Aztecz Uni) und American Football gespielt. American Football hat die Grundlage für meine Athletik gelegt (6 Tage die Woche Training, teilweise zweimal am Tag). Nach meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich dann mehrere Jahre Bundesliga und hier und da auf der Position des Aussendreiviertels in der Nationalmannschaft gespielt. Mein Durchbruch kam dann mit meinem Wechsel nach Strassburg, wo sich meine Technik deutlich durch das gemeinsame Training mit einem neuseeländischen Profi (Sean Doherty) verbesserte. Während dieser Zeit war ich auch Stammspieler in der 7-er Nationalmannschaft, wo ich mich neben Legenden wie Claus Himmer weiterentwickeln konnte. Nach einem weiteren Rugby- und Studienjahr in den USA (Michigan) kehrte ich zum SC80 zurück, konnte im Rugby aber auf dem damaligen Niveau dann keinen großen Sinn mehr erkennen und hörte mit ca. 28 verletzungsbedingt und relativ antriebslos auf.
Folgende Legenden haben wir bereits interviewt: Markus Knoblauch | Dieter Genthner | Stefan Laier | Frank Himmer | Rainer Kumm | Ulrich Byszio | Thomas Belousek | Alexander Weidlich
TR: Was waren Deine größten Erfolge als Aktiver?
UB: Meine größten Erfolge waren in der Bundesliga wahrscheinlich irgendwann damals vielleicht ein Unentschieden oder so was gegen RGH, HRK oder sonstige Vereine erzielt zu haben. Einmal kamen wir in die Endrunde und durften uns bei 78 eine Packung abholen. Mit der Hessenauswahl haben wir fast einmal gegen die RBW Auswahl gewonnen, wenn ich da nicht auf die Mal-Auslinie getreten wäre….. (aber das ist eine andere Geschichte).. Beim DRV war ich zweimal bei den Hong Kong Sevens dabei und wir haben damals die Cup Trophäe (niedrigster der drei Wettbewerbe) geholt. Das war aus damaliger Sicht ein Riesen-Erfolg.
TR: Wann hast Du Deine Schuhe endgültig an den Nagel gehängt?
UB: Siehe oben, ergänzt um die Erkenntnis, dass man mit 40 kein Comeback versuchen sollte: zwei Einsätze á jeweils ca. 10 Sekunden mit jeweils einem Versuch und jeweils einem Muskelabriss haben mir das klar gemacht.
TR: An welche besonderen Momente Deiner sportlichen Laufbahn denkst Du besonders gerne zurück?
UB: Das Spiel gegen die British Lions bei den Hong Kong Sevens; die mir bis dahin unbekannte und unvergleichbare Härte von Western Samoa beim Länderspiel gegen uns in Bonn; die Schwierigkeit als einziger nicht-Heidelberger bzw. –Hannoveraner in der Nationalmannschaft zu bestehen; die Augen der 80-er Jugendlichen nach einem guten Training oder einem guten Sieg oder auch nur einer persönlichen Motivationsansprache und die damit verbundene Erkenntnis, dass ich hier für meinen geliebten Sport mehr bewegen kann, als seinerzeit als aktiver Spieler.
TR: Wie siehst Du das heutige BL Niveau im Vergleich zu Deiner aktiven Zeit?
UB: Je oller, desto doller! Ist doch klar! Wir waren damals stärker, schneller, technisch versierter, härter, schöner…… ;-)
TR: Wie siehst Du die Zukunft des deutschen Rugby in der Bundesliga und international?
UB: Sehr schwierige Frage… Ich denke, dass es zu viele Personen gibt, die an verschiedenen Enden gleichzeitig ziehen. Ich würde mir wünschen, dass alle Vereine gleichzeitig ab 2009 in der U-8, U-10 und U-12 Gas geben würden. Dann wären wir 2019 wettbewerbsfähig. Aber das wird nicht passieren. Uns fehlen in Deutschland sowohl, nein: insbesondere in der Jugend, als auch im Herrenbereich Spiele auf hohem Niveau. Diese können wir aber nur bekommen, wenn wir ab den jüngeren Altersklassen bereits Spiele auf hohem Niveau haben. Wenn wir beim SC 1880 vier U-8 Mannschaften stellen und diese auf den SAS Turnieren in Heidelberg alle Spiele gewinnen, dann läuft etwas falsch, was man später im internationalen Vergleich niemals beheben werden kann.
TR: Was hältst Du von den Leistungen der Deutschen im internationalen Vergleich? Verfolgst Du die Spiele?
UB: Machen wir uns nichts vor: Die Jungs, die jetzt in der Nationalmannschaft spielen sind nur gut, wenn Sie Ihre Erfahrung in der Nationalmannschaft gesammelt haben oder im Ausland. In der A-Gruppe werden junge Spieler keine Zeit haben Erfahrung in der A-Gruppe zu sammeln: bis sie diese haben, sind wir wieder abgestiegen. Deswegen kann ich nur hoffen, dass möglichst viele junge Spieler, die das Potential und den Ehrgeiz haben, Bodo Sieber, Tim Kasten und den anderen Ex-Pats ins Ausland folgen, um dort auf hohem Niveau eine steile, exponentielle Lernkurve zu erfahren.
TR: Du bist nicht nur Manager der Rugbyabteilung des SC 1880 sondern zugleich auch ihr bedeutendster Sponsor, sag uns doch noch ein paar Worte dazu.
UB: Es sollte zum Nachdenken anregen, wenn ein fast toter Verein wie der SC 1880 Frankfurt in der Jugendarbeit wie Phönix aus der Asche aufsteigt und keiner wissen will, wie das funktioniert hat und was man davon vielleicht kopieren kann. Ich glaube, dass wir einen guten Weg gegangen sind und uns dabei immer an Vorbildern orientiert haben (Thomas Kurzer, RGH). Wir könnten mittlerweile auch richtungweisende Tipps geben, aber keiner will’s wissen. Schade um das Konzept.
Ich glaube, dass wir mit unserem Konzept – insbesondere auch im Herrenbereich – dem deutschen Rugby „auf die Sprünge“ geholfen haben und dies immer noch tun. Das das teilweise mit Frustrationen bei den anderen Vereinen verbunden ist, ist mir bewusst und tut mir leid. Aber dennoch glaube ich, dass die Vorteile des Frankfurter Konzeptes die Nachteile überwiegen und dieses deshalb eine Daseinsberechtigung hat.
Beteiligt euch an der Wahl zum TotalRugby Spieler der Hinrunde. Mehr Info’s zur Wahl findet ihr im Forum – dort könnt ihr auch eure eigenen Vorschläge unterbreiten
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