Könnte es tatsächlich etwas werden mit dem Traum von der WM? Foto (c) Seufert-Chang
In den letzten Tagen und Wochen gab es reichlich Spekulationen, die darauf hindeuteten, doch wer hätte tatsächlich daran geglaubt? Nach einer katastrophal verlaufenen Rugby Europe Championship und dem abgeschlagenen letzten Platz war man im DRV-Lager eigentlich davon ausgegangen, gegen Portugal um den Klassenverbleib spielen zu müssen. Der Gegner bleibt nun am 9. Juni derselbe, es geht aber nicht ums nackte Überleben, sondern um die erstmalige Qualifikation einer deutschen Nationalmannschaft zum drittgrößten Sportereignis der Welt. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um die überraschende Nachricht von World Rugby.
Was war geschehen?
Unsere DRV XV war nach dem Konflikt mit dem ehemaligen „Premium-Partner“ ohne einen Großteil der angestammten Mannschaft und dadurch stark geschwächt in die Rugby Europe Championship gegangen. Letztlich belegte die DRV XV sportlich am Ende den letzten Platz und hätte eigentlich am 28. April gegen Rugby-Europe-Trophy-Sieger (die unter der Championship liegende Staffel) Portugal um den Klassenerhalt spielen müssen.
Zeitgleich zum letzten Gruppenspiel der DRV XV hatte Spanien in Brüssel die vermeintlich sichere WM-Quali gegen Belgien verspielt - allerdings unter Leitung eines rumänischen Schiedsrichtergespanns, das den Eindruck der Parteinahme durch zahlreiche dubiose Entscheidungen zugunsten des Underdogs und damit der eigenen Nationalmannschaft nur erhärtete.
Was sich nach Abpfiff dieses Spiels sowie danach abseits der Rugby-Stadien des Kontinents entwickelte war wohl der größte Skandal im Welt-Rugby seit langem. Spaniens Spieler attackierten den rumänischen Referee noch auf dem Feld tätlich, im festen Glauben daran, dass er ihnen die WM-Teilnahme genommen habe.
Nur Tage nach dem Skandalspiel von Brüssel wurden Vorwürfe laut, dass Belgien während der WM-Quali einen Spieler eingesetzt hatte, der nicht spielberechtigt sei. Hakler Victor Pacquet, den Belgien-Coach Guillaume Ajac aus seiner Zeit als Zweitliga-Trainer kannte, konnte lediglich eine belgische Uroma vorweisen, was aber nicht den Regularien des Weltverbands entspricht. Darüber hinaus hatte Belgien, wie World Rugby in seinem Bericht ausführt, vier weitere Spieler unberechtigterweise eingesetzt.
Lediglich wenige Tage später erhob eine russische Rugby-Webseite den Vorwurf, Rumänien habe ebenso gegen die WR-Regularien verstoßen. Hier war der Fall noch einfacher gelagert: Sione Faka'osilea war bereits mehrmals für sein Heimatland Tonga in der Siebener World Series aufgelaufen und damit nur noch für die Insel-Nation spielberechtigt. Mit online verfügbarem Video-Material war selbst für Laien ersichtlich, dass der massive Außendreiviertel, den Rumänien in allen Spielen eingesetzt hatte, nicht hätte auflaufen dürfen.
Auch Spanien hatte gleich zwei spanischstämmige Franzosen aus dem Baskenland eingesetzt, die nach ihren Einsätzen für Frankreichs U-20 nicht mehr hätten für „los Leones“ spielen dürfen. World Rugby schaltete sich schließlich ein und entzog dem Kontinentalverband Rugby Europe, bei dem augenscheinlich so einiges im Argen zu liegen scheint, das letzte Wort.
Dabei zog sich der Anhörungsprozess, bei dem den beteiligten Verbänden die Chance gegeben wurde sich zu rechtfertigen länger und länger. Gleich mehrmals wurde eine Entscheidung vertagt und schließlich rückte der Weltverband auch von seinem anfänglichen Standpunkt, dass Deutschland in die Relegation müsse, ab.
Wie geht es nun weiter?
Mit der heutigen Entscheidung, die jedoch aufgrund einer zweiwöchigen Berufungsfrist auch erstmal nur vorläuft ist, steht nun Folgendes provisorisch fest: Russland qualifiziert sich direkt für die WM und wird das Turnier gegen den Gastgeber Japan eröffnen. Deutschland wahrt als Europa-Zweiter die Chance, sich für die am 20. September 2019 startende WM zu qualifizieren. Zuerst wird die DRV XV gegen den Sieger der Rugby Europe Trophy, der unter der Championship angesiedelten EM-Staffel antreten müssen. Der Gegner lautet somit Portugal und das Spiel ist bereits für den 9.6. terminiert.
Da man beim DRV auch heute erst über die finale Entscheidung informiert wurde, steht weder ein Austragungsort noch ein Vorverkaufsstart fest. Allerdings will man, so DRV Pressesprecher Beeskow gegenüber TR, beides kurzfristig verkünden. Aufgrund der Tatsache, dass bis zum Spieltermin nur noch drei Wochen bleiben, dürfte sich die Stadionsuche schwierig gestalten.
Sollte die DRV-Auswahl das Spiel gegen Portugal gewinnen, würde ein direktes Duell mit Samoa um die WM-Quali folgen. World Rugby hat die Spiele auf den 30.6. (in Samoa) und den 14. Juli terminiert. Die Pazifik-Mannschaft war seit 1991 bei jeder WM vertreten und hatte es bei der legendären WM 1995 gar ins Viertelfinale geschafft. Zwar sind die Samoaner nicht mehr die Übermacht von einst, als sie mit den Tuilagi-Brüdern oder Brian Lima absolute Weltstars an Bord hatten, dennoch spielt fast die Hälfte des letzten Samoa-Kaders professionell Rugby in Neuseeland. Mit Chiefs-Außen Tim Nanai-Williams, Bristol-Flanker Jack Lam und Ex-Crusaders Innen Kieron Fonotia (mittlerweile bei den Ospreys) haben die Samonaner immer noch einige große Namen in ihren Reihen. Mit einem Sieg würde die DRV XV direkt in WM-Gruppe A mit Irland, Schottland, Gastgeber Japan und Russland landen.
Im Falle einer Niederlage würde die DRV XV im Repechage-Turnier im November in Frankreich um den letzten zu vergebenden WM-Platz spielen. Kanada steht da bereits als Teilnehmer fest. Ein weiterer Teilnehmer aus Asien (Korea, Malaysia oder Hongkong), sowie Afrika 2 (bspw. Namibia, Simbabwe oder Kenia) wären die Gegner. Nur der Sieger würde sich einen WM-Platz sichern und dann in einer Gruppe mit Neuseeland, Südafrika, Italien und Afrika 1 landen.
Wie realistisch sind die Chancen auf eine WM-Quali der deutschen Mannschaft?
Das ist natürlich heute schwer zu sagen, vor allem da zu diesem Zeitpunkt niemand sagen kann, wer in knapp vier Wochen mit dem Adler auf der Brust auflaufen wird. Weder der DRV, noch die WRA/GfR wollten sich gegenüber TR kurzfristig zu diesem Thema äußern. Aber in Bestbesetzung, also mit den Spielern der WRA, sowie Unterstützung aus Reihen der DRV VII, wäre ein Sieg gegen Portugal alles andere als unrealistisch. Noch vor zwei Jahren konnte die DRV-Auswahl Portugal in Hannover deutlich besiegen und vor einem Jahr folgte für die Portugiesen im letzten Relegationsspiel eine Schlappe gegen Belgien.
Samoa wiederum dürfte zu diesem Zeitpunkt, zumal auswärts, sicherlich eine zu hohe Hürde sein - egal welche Mannschaft in Apia aufläuft. Doch die möglichen Gegner in einem möglichen Repechage Turnier wären für eine DRV XV in Bestbesetzung äußerst schwierige, aber machbare Aufgabe. Kanada ist Stand heute wohl der Favorit - doch die Nordamerikaner scheiterten noch im Februar an Uruguay und müssen deshalb den Umweg Repechage gehen. Kenia als möglicher afrikanischer Teilnehmer ist, so hat es die DRV XV vor einem Jahr bewiesen, durchaus schlagbar.
Sollte Deutschland tatsächlich diesen historischen Sprung schaffen, würden Duelle mit den All Blacks und den Springboks in folgen. Vor 40.000 Zuschauern im Oita Dome - das sollte Ansporn genug sein. Deshalb kann man als deutscher Rugby-Fan in den kommenden Tagen nur hoffen, dass die bestmögliche deutsche Mannschaft in den kommenden WM-Quali-Spielen auflaufen wird.
|