Israel Folau und TJ Perenara duellieren sich nicht nur auf dem Feld.
Es ist knapp zwei Wochen her, da hatte Wallabies-Superstar Israel Folau in den sozialen Medien einen Sturm der Entrüstung entfacht. Der strenggläubige Christ und Sohn tongaischer Einwanderer aus dem Westen Sydneys hatte auf Instagram auf eine Fan-Frage nach Gottes Plan für Homosexuelle in Großbuchstaben geantwortet: „Die HÖLLE - es sei denn sie tuen Buße und wenden sich Gott zu!“ Nachdem sich nun mehrere All Blacks sowie der neuseeländische Verband in diese Diskussion eingemischt haben, steht der gesamte Rugby-Sport vor einer schwierigen Diskussion um die Vorbildfunktion seiner Spieler, deren Meinungsfreiheit, sowie der Frage wie man die Werte Toleranz und das im Rugby eigentlich so vorbildhafte Miteinander künftig lebt.
Folaus Kommentar sorgte in den Medien in Australien und weit darüber hinaus für ein fast ausschließlich negatives Echo - Australiens öffentlich-rechtlicher Sender ABC attestierte dem wohl besten Schlussspieler der Welt seiner Vorbildfunktion nicht gerecht geworden zu sein. Und selbst das Boulevard-Blatt Telegraph aus Sydney hatte einen kritischen Kommentar zu Folaus Äußerung parat. Der ehemalige Wales-Kapitän Gareth Thomas, der sich vor fast zehn Jahren als erster bekannter Rugby-Spieler geoutet hatte und Schiedsrichter-Legende Nigell Owens - beide Vorreiter und Vorbilder in Sachen Rugby und Toleranz gegenüber gleichgeschlechtlichen Partnerschaften - gingen auf Nachfrage wenig überraschend ebenso kritisch mit dem Australier ins Gericht.
Folau selbst hätten die Konsequenzen eines solchen Kommentars bewusst sein müssen - immerhin hatte er bereits zwei ähnliche, wenn auch nicht dermaßen weitreichende Kontroversen entfacht: 2015 hatte Folau öffentlich behauptet Homophobie sei kein Problem in Australien, nachdem Gegenspieler David Pocock den Schiedsrichter bei einer Super-Rugby-Partie auf wiederholte homophobe Kommentare eines Gegenspielers aufmerksam gemacht hatte. Im vergangenen Herbst dann hatte Australien in einem Referendum mit fast Zwei-Drittel-Mehrheit für die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe gestimmt - im Vorfeld waren Pocock, einer der bekanntesten Verfechter der Gleichstellung und der evangelikale Christ Folau erneut öffentlich aneinandergeraten.
Genau diese beiden Stars des Sports sind aber auch zwei der absoluten Schlüsselspieler der Wallabies und werden bereits in gut fünf Wochen aller Voraussicht nach in den gleichen Farben auf dem Feld stehen. Australiens Verband Rugby Australia machte bei seinem Krisen-Management keine sonderlich gute Figur - sportlich ist man zu sehr von eben jenem Israel Folau abhängig. So sprach RA-Vorsitzende Raelene Castle lediglich eine Rüge gegen Folau aus, weitere Konsequenzen musste der Mann aus dem Westen Sydneys nicht fürchten. Denn in Australiens hartumkämpften Sportmarkt steht Rugby seit einigen Jahren im Schatten von Aussie Rules Football und Rugby League - Folau ist eines der wenigen Gesichter, das in ganz Australien erkannt wird und als Werbefigur zieht. Gerüchte über eine Rückkehr Folaus zum League halten sich seit Jahren hartnäckig und beim Verband wollte man den eigenen Superstar allem Anschein nach nicht vergraulen. Da waren auch die öffentlich geäußerten Bedenken von Hauptsponsor Qantas zweitrangig.
Gerade in der Pazifischen-Einwanderercommunity in den weniger wohlhabenden Vororten im Westen Sydneys, die als Hochburg des Rugby League gelten, ist der ehemalige League-Star Folau ein Vorbild und ein Anziehungsmagnet für die dortigen Rugby-Klubs und auch deswegen dermaßen wichtig für Rugby Australia. In diesen Milieus sind streng religiöse Ansichten, wie die von Folau, sehr weit verbreitet: Lediglich ein gutes Dutzend der 150 Wahlkreise Australiens stimmte beim Referendum vergangenen Herbst gegen die gleichgeschlechtliche Ehe und fast all diese Wahlkreise befinden sich im Westen Sydneys, in dem Menschen mit pazifischem Migrationshintergrund weit überproportional vertreten sind.
Was die Diskussion in den letzten Tagen nur noch mehr anheizte, waren Äußerungen von prominenten Spielern im Nachbarland Neuseeland. Folaus ehemaliger Mitspieler im australischen Team, der mittlerweile bei Montpelier spielende Neuner Nick White, war der einzige prominente Wallaby, der Folau kritisierte - von aktuellen Wallaby-Mitspielern war, wohl auch aufgrund einer höchstwahrscheinlich erfolgten Kommunikations-Direktive des Verbandes, nichts zu dem Thema zu hören. All Blacks Gedrängehalb TJ Perenara jedoch war einer von gleich mehreren All Blacks, die die Kommentare von Folau scharf kritisierten. „Ich möchte klarstellen, dass ich zu 100% gegen diese Äußerungen bin - für so etwas gibt es keinerlei Rechtfertigung und keinen Platz im Rugby, dem Sport den ich so liebe“ so der Hurricanes-Star auf Twitter. Perenara verwies weiterhin auf die hohe Suizidrate unter Homsexuellen in der Pazifik-Einwanderercommunity (Fiji, Tonga, Samoa) und unter jungen Maoris, da unter ihnen Vorurteile gegenüber Homosexuelle noch viel weiter verbreitet sind.
All Blacks Trainer Steve Hansen stellte sich öffentlich und in aller Klarheit zu den Äußerungen seines Spielmachers. Passenderweise hat der Verband Neuseelands gerade eine neue Werbekampagne in Kooperation mit dem Versicherungsunternehmen AIG unter dem Motto „Vielfalt ist unsere Stärke“ gestartet. Diese ist mit Sicherheit nicht erst seit den Äußerungen Folaus entstanden, erregt aber mit Blick auf die aktuelle Diskussion umso mehr Emotionen. So wird in den Werbe-Botschaften in erster Linie betont, dass Rugby ein Sport für alle ist und prominent sind in den Werbefilmen auch immer wieder Regenbogenflaggen, das Erkennungszeichen der LGBT-Community, zu sehen. Der nächste und hinterhältigste Gegner sei die Diskriminierung - gegen diese bräuchte man mehr als lediglich 15 All Blacks. Bis zum nächsten Aufeinandertreffen der All Blacks mit den Wallabies in Sydney sind es noch mehr als drei Monate, doch so schnell wird die Kontroverse um die Äußerungen und Ansichten des bekanntesten australischen Rugby-Spielers wohl nicht abebben.
Diese All-Blacks-Kampagne gegen Diskriminierung heizt den Konflikt weiter an
Doch dieser Konflikt steht auch sinnbildlich für einige größere Fragen: Rugby und seine Community haben sich schon seit längerem als der aufgeklärtere Sport gesehen, bei dem beispielsweise die Toleranz gegenüber Homosexuellen keinerlei Problem mehr sein sollten. Wenn beim Rugby der Respekt vor Gegnern, Offiziellen und Mitspielern wirklich ein anderer ist, als beispielsweise im Fußball - kann man solche Äußerungen dann akzeptieren? Oder ist die Meinungsfreiheit, so verletzend manche Ansicht eines einzelnen Spielers auch sein mag, nicht das höhere Gut? Doch hat Rugby dann noch ein Recht sich vom Fußball abheben zu wollen? Und inwiefern verpflichtet die Vorbildfunktion der Spieler, deren Bekanntheit zumindest in den großen Rugby-Nationen so groß ist, wie hierzulande bei Manuel Neuer und Mats Hummels, diese zu einem tadellosen Benehmen?
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