Oftmals konnten unsere DRV-XV-Jungs nur noch mit letzten Kräften dagegenhalten, doch das taten sie mit Bravour. Foto (c) Seufert-Chang
Am Ende sprach die Anzeigetafel im Offenbacher Sparda-Bank-Hessen-Stadion eine deutliche Sprache. Die georgische Nationalmannschaft kam als die alles überragende Mannschaft dieses Wettbewerbs nach Offenbach und wurde auch heute ihrer Favoritenrolle gerecht: Am Ende waren es ganze zehn Versuche, die die Lelos der DRV XV in Offenbach einschenken konnten. Doch zuvor sahen gut 2200 Zuschauer auf dem Bieberer Berg 60 sehr engagierte Minuten einer deutschen Mannschaft, die deutlich mehr zeigen konnte, als noch vor Wochenfrist in Rumänien. Größter Wermutstropfen war jedoch, dass das vielversprechende DRV-XV-Debüt von Zani Dembele nach nur zehn Minuten beendet war.
Gegen Georgien war sportlich nichts zu holen, doch das war so zu erwarten
Nach der überdeutlichen Niederlage in Rumänien und den schlechten Neuigkeiten zu Anfang der Woche, dass Julius Nostadt und Tim Menzel nicht von ihren französischen Klubs freigegeben worden waren, hatten viele Rugby-Fans hierzulande gegen Georgien ein absolutes Debakel erwartet. Bereits das letzte Duell mit den Lelos im Vorjahr, als die Georgier daheim gegen die DRV XV zahlreiche Top-Spieler geschont hatten, stand am Ende ein klares 6:50 - und das mit allen WRA-Spielern an Bord.
Nun sah sich eine deutsche Mannschaft mit gleich drei Teenagern im Kader dem Weltranglisten-Zwölften gegenüber, der heute keinen seiner zahlreichen Top-Stürmer aus Frankreich und England schonte. Noch unter der Woche hatte Georgien auf Einladung der RFU mit der von Eddie Jones trainierten Nationalmannschaft Englands Gedränge trainiert - Weltmeister-Trainer Jones bezeichnete die schweren Männer aus dem Kaukasus nicht ohne Grund als den besten Sturm der Welt.
Doch der fast ausschließlich aus Bundesliga-Spielern bestehende DRV-Sturm schlug sich erstaunlich gut gegen diese Georgier. In den Standard-Situationen war die Überlegenheit der Georgier freilich überwältigend - die Gedränge der beiden TSV-Handschuhsheim-Props Bender und Martel gegen ihre Kontrahenten vom RC Toulon und dem französischen Tabellenführer Montpelier gingen fast ausnahmslos nach hinten und die Gassen wurden zu oft von Georgiens Turm in der zweiten Reihe Nemsadze abgefangen - das kostete die DRV-Auswahl in Halbzeit eins ein ums um andere Mal wertvolle Feldposition und Ballbesitz. Doch während Rumäniens Stürmer im offenen Spiel mit ihren deutschen Gegenspielern über 80 Minuten lang Katz und Maus spielten und eine Kontaktsituation nach der anderen gewannen, sah das heute schon bedeutend besser aus.
Georgien konnte sich nicht wie Rumänien quasi nach Belieben über die Vorteilslinie wuchten. Ein Faktor wird dabei sicherlich die Tatsache sein, dass Coach Pablo Lemoine mit seinen Spielern eine weitere gemeinsame Trainings-Woche hatte und diese vor allem zur Defensiv-Arbeit und Koordination genutzt hatte. Dazu legten die DRV-Stürmer gegen die körperlich klar überlegenen Lelos auch eine viel bessere Moral an den Tag und gaben sich nicht auf. Georgien-Trainer Milton Haig betonte nach dem Spiel gegenüber TotalRugby den Kampfgeist der deutschen Jungs: „Die deutschen Spieler haben heute einen unglaublichen Willen an den Tag gelegt.“
Anders als die Rumänen gelang es den Georgiern nicht im offenen Spiel mit ihrem Sturm dermaßen zu dominieren. Die Folge: Oftmals blieb Georgien-Verbinder Khmaladze nach mehreren Phasen ohne Raumgewinn nur die Kick-Option. Dazu boten sich den deutschen Dritte-Reihe-Stürmern wiederholt Chancen zum Ballklau. Allein in den ersten 30 Minuten konnten Dyckhoff, Duwe und Co. mehr Turnover herausholen, als während des gesamten Spiels in der Vorwoche in Cluj.
Auf der Dreiviertelreihe zeigte sich das deutsche Mittelfeld um die beiden Innen von Grumbkow und Plümpe defensiv deutlich stabiler. Zudem landeten mehr Bälle auf den Außen. Dazu trug auch Verbinder Wynston Cameron-Dow bei, der lange Zeit durchaus zu gefallen wusste. Eine gute Variation aus taktischen Kicks und schnellen Pässen lenkten das deutsche Reihespiel zeitweise sehr gut. Spät im Spiel fiel Cameron-Dow ab, aber ihmgegenüber stand auch eine WM-erfahrene Mannschaft die in die Six Nations strebt.
Das größte Manko war ein weiteres Mal die Schlussviertelstunde, in der Georgien fünf seiner zehn Versuche legen konnte. Der Faktor Kondition wird dabei ohne Zweifel eine Rolle gespielt haben. Doch ebenso konnte Georgien gleichwertig wechseln und den Druck am Ende noch Mal erhöhen. Darauf hatte die DRV XV am Ende keine Antwort.
Dass die DRV XV am Ende keine Punkte verbuchen konnte, wird die Spieler durchaus gestört haben. Dennoch war das Angriffsspiel der DRV-Auswahl deutlich besser, als noch vor Wochenfrist. Mehrmals gelangte die deutsche Auswahl in die 22 der Gäste, ohne jedoch ganz nah an die Linie zu kommen. Dazu fehlte auch die Sicherheit in der Gasse - gleich drei Gassen nach Straftritten tief in der 22 gingen verloren.
Nach dem Abpfiff zog Nationaltrainer Lemoine ein relativ negatives Fazit: "Wir haben verloren und in der zweiten Hälfte auch nicht so gespielt, wie wir das wollten." Der Uruguayer hatte unter der Woche an eine deftige Niederlage mit 90 Punkten gegen die Pumas XV mit seinem Heimatland erinnert - und wie er seine "los Teros" nur drei Jahre später zur WM führte. Aber auch dem Südamerikaner dürfte klar sein - Georgien ist aus deutscher Perspektive momentan und auf absehbare Zeit eine andere Kragenweite.
Deutschland steht nach zwei Spielen ohne Punkt und Versuch da - Lichtblicke gab es dennoch
Schon vor dem Anpfiff gab es mit der Aufstellung von Pablo Lemoine die erste gute Nachricht zu vermelden: Zani Dembele startete heute auf der kurzen Ecke mit der Nummer elf. Der Saarbrücker hatte seine Rugby-Karriere von Anfang an auf der anderen Seite der Grenze in Frankreich verfolgt und ist mittlerweile im zweiten Jahr in der Akademie des französischen Meisters von 2016 Racing 92 in Paris und war bereits für die U-18 der Grande Nation aufgelaufen.
Sein Auftritt mit der Adler auf der Brust dauerte leider nur zehn Minuten, doch bereits in diesen wenigen Minuten konnte Dembele mehr als nur andeuten, wie viel Potenzial in ihm steckt. Bereits den ersten tiefen deutschen Ankick konnte Dembele mit seinem Speed erlaufen und fast fangen - das, obwohl der Ball bis tief in Georgiens 22 segelte. Wenige Minuten später fing Dembele einen Box-Kick von Georgien-Neuner Aprasidze unter großem Druck und ließ gleich mehrere Gäste mit seinem Step aussteigen.
Wieder nur wenige Minuten später zeigte er auch defensiv mit einem ordentlichen Hit, dass er nicht das in im englischsprachigen Raum verschrieene Drehkreuz ist, das jeden Angreifer durchlässt. Doch leider endete Dembeles Debüt mit einer schweren Verletzung - der pfeilschnelle Außen musste vom Feld getragen werden und wird heute Nacht noch operiert. Ein Wadenbeinbruch wird ihn länger außer Gefecht setzen.
Auch der zweite deutsche Außen Paul Pfisterer konnte weiter beweisen, dass er vor großen Namen und noch größeren Gegenspieler keine Angst hat. Pfisterer konnte erneut Herz und Mut beweisen. Zwar wurde er von den Georgiern auch mehrmals überrannt, doch eine Szene verdeutlicht den Kampfgeist des jungen Siebener-Asses hervorragend: Nach gut dreißig Minuten setzte Pfisterer aus der eigenen Hälfte kommend einen hohen Kick über die Defensiv-Linie an, dieser geriet jedoch deutlich zu lang. Pfisterer jedoch gab nicht auf und verfolgter in Terrier-Manier den Ball bis er in den Händen von Georgiens Zweite-Reihe-Stürmer Nemsadze landete. Dem nicht einmal 80 kg schweren Pfisterer gelang es jedoch den 125 kg schweren und mit der Erfahrung aus drei Weltmeisterschaften ausgestatteten 1,97 m Hünen zu fällen. Völlig humorlos sprang der RGH-Sprössling in die Beine des Bristol-Stürmers.
In Brüssel geht es um den Klassenerhalt - dabei stehen die Chancen gar nicht Mal so schlecht
Wenn man die Leistungssteigerung der DRV-Auswahl im Vergleich zur Vorwoche als Referenz nimmt, ist durchaus davon auszugehen, dass sich das Zusammenspiel dieser Mannschaft in den kommenden zwei Wochen weiter verbessern wird. Nationaltrainer Lemoine scheint in den vergangenen Tagen die richtigen Akzente gesetzt zu haben. Sein Gegenüber, Georgien-Coach Milton Haig, war nach der Partie von dem Potenzial der deutschen Auswahl überzeugt. Wohl wissend, dass der DRV XV durch das Ende der Zusammenarbeit mit dem einstigen Premium-Partner eine beträchtliche Zahl wichtiger Spieler verloren gegangen ist.
Die Belgier sind nach zwei Niederlagen (0:47 gegen Georgien; 7:48 gegen Russland) der Konkurrent schlechthin um den Klassenerhalt. In zwei Wochen treffen die DRV XV und ihr engster Konkurrent in Brüssel aufeinander. Achter Luke Dyckhoff blickte nach dem Spiel optimistisch auf das direkte Aufeinandertreffen: "Wenn wir uns weiter in dem Tempo verbessern ist dort alles drin!" Bis zum Duell in Brüssel dürften, so war aus informierter Quelle zu vernehmen, auch Verstärkungen aus den Reihen der DRV-Legionäre eintreffen. Zuerst muss der Klassenerhalt die allererste Priorität sein - es wäre erst der zweite auf dem höchsten Niveau der Europameisterschaft für die DRV XV nach dem Vorjahr. Selbst im Falle dreier weiterer Niederlagen bleibe noch das Relegationsspiel, über das die Belgier gegen Portugal die Klasse halten konnten.
Nach dem Sieg der Spanier in Russland in der Vorwoche war die WM-Quali für das Turnier 2019 in Japan für die DRV-Auswahl sowieso aus eigener Kraft nicht mehr zu schaffen. Nun blicken Deutschlands vielversprechende Nachwuchskräfte auf das Turnier 2023 in Frankreich - Eric Marks beispielsweise hat heute einen Geschmack von dem Niveau bekommen, dass ihn in Frankreichs erster Liga und gegen die besten Teams der Welt erwarten würde. Marks wird bei der übernächsten WM in Frankreich erst 26 sein und dennoch die Erfahrung aus dutzenden Länderspielen mitnehmen.
Bis dahin gilt es die höchste europäische Spielklasse zu halten. Zahlreiche Unterstützung der deutschen Fans in Brüssel würde nicht schaden - denn nach dem knappen 34:29 Sieg im Vorjahr wird die Partie in Belgien eine riesige Herausforderung.
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