Kapitän Julius Nostadt richtete nach dem Spiel einen Appell an die Konfliktparteien im Streit DRV-WRA
Am Ende war es weder für Spieler noch für die Fans ein sonderlich freudiger Nachmittag in Cluj, so viel dürfte feststehen. Das 6:85 gegen den Titelverteidiger in der Arena Cluj war für alle Beteiligten im deutschen Rugby frustrierend. Wir analysieren das heutige Geschehen auf dem mageren Grün in der größten Stadt Transsilvaniens.
Die deutsche Mannschaft war gegen extrem erfahrene Rumänen deutlich unterlegen
Es war der erwartet schwere Gang für die DRV XV in Cluj. Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft trat in Rumänien ohne zwei Drittel derjenigen Mannschaft an, die noch im Vorjahr hatte Rumänien in Offenbach schlagen können. Dazu hatte das von Frankreich-Legionär Julius Nostadt als Kapitän angeführte Team lediglich minimale Vorbereitungszeit auf dem Trainingsplatz miteinander und musste die ungewohnte Spielidee des neuen Trainerteams umsetzen.
Der DRV XV gegenüber stand eine extrem eingespielte und erfahrene rumänische Mannschaft - angeführt von Spielmacher Florin Vlaicu, Veteran aus über 100 Länderspielen und Teilnehmer der drei letzten Weltmeisterschaften, sowie Sturmführer Mihai Lazar, der bereits an zwei Weltmeisterschaften teilnahm und mit Castres französischer Meister wurde.
Körperlich konnte die im Schnitt deutlich jüngere und ebenso deutlich leichtere deutsche XV weder im Angriff noch in der Verteidigung wirklich mithalten, wie es Kapitän Nostadt nach dem Spiel unumwunden zugab. Bei eigenem Ballbesitz gelang es der deutschen Mannschaft selten die Vorteilslinie zu überqueren und zu allem Überfluss waren die eigenen Rucks selten sicher genug. Andersherum bahnte sich Rumäniens Mannschaft im Angriff über weite Teile des Spiels fast schon mühelos den Weg über die Vorteilslinie. Dadurch war der Angriffswirbel der Rumänen für die deutsche Mannschaft selten unter Kontrolle zu bringen.
Die Standards waren dagegen fast schon akzeptabel angesichts des eklatanten Ungleichgewichts in Sachen Erfahrung und Gewicht - im Gedränge wirkte Rumänien zwar optisch deutlich überlegen, wurde aber vom Schiedsrichter ein ums andere Mal für illegale Techniken bestraft und konnte so selten einen Vorteil aus dem Gedränge ziehen. Die Gasse, die im Normalfall einiges an Detail-Arbeit benötigt, lief eine Weile lang relativ akzeptabel, auch wenn die Bälle selten so schnell und präzise kamen, dass ein schneller Angriff über die Dreiviertelreihe möglich gewesen wäre.
In der heutigen Personalkonstellation Konstellation wäre ein Sieg in Rumänien sowieso utopisch gewesen und selbst in absoluter Bestbesetzung wäre das wohl auch der Fall gewesen. Denn es ist nicht einmal zwei Jahre her, dass Deutschland 2016 mit Jaco Otto und Co. an Bord in Rumänien mit 7:61 ähnlich hoch unterlag. Natürlich aber wäre die DRV XV mit dem eingespielten WRA-Kern an Spielern deutlich wettbewerbsfähiger gewesen. Eine Abstellung dieser Spieler zu den in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung kolportierten Bedingungen (€2000 pro Spieler und Spiel und damit insgesamt €150.000-200.000 für die gesamte Rugby Europe Championship) wäre aber für den Verband ebenso utopisch und finanziell nicht darstellbar gewesen.
Kapitän Julius Nostadt richtete nach dem Spiel im TR-Interview einen deutlichen Appell an den DRV und die WRA - er erinnerte beide Konflikparteien an die hochgesteckten Ziele, die man sich einst gesetzt habe. Jetzt sei der letztmögliche Zeitpunkt um den ersten Schritt zu machen. Es bleibt zu hoffen, dass seine Worte nicht auf taube Ohren treffen werden.
Kapitän Julius Nostadt richtete nach dem Abpfiff eine deutliche Botschaft an DRV und WRA
Die heutigen Spieler haben den Respekt der deutschen Rugby-Community verdient
Das abfällige Gerede von einer C-Mannschaft und Spekulationen über das Ende des deutschen Rugbys in den sozialen Medien werden der Leistung der deutschen Spieler heute absolut nicht gerecht und sind dazu obendrein noch völlig respektlos. Wäre die deutsche Mannschaft heute nicht in Cluj angetreten, hätte man tatsächlich über das Ende des deutschen Rugbys diskutieren können - zumindest die Zukunft der DRV XV hätte nach einem Zwangsabstieg absolut in den Sternen gestanden. Diese Möglichkeit stand nach der Absage der 17 durch den DRV nominierten GfR-Spieler durchaus im Raum und wurde so noch abgewendet.
Damit wären jegliche Fortschritte der letzten Jahre im Fünfzehner-Rugby, erzielt vor allem auch durch das Engagement von Dr. Wild, mit einem Schlag dahin gewesen. Der Reputationsschaden, den das deutsche Rugby genommen hätte, wäre noch unendlich viel größer gewesen, als der, den der ovale Ballsport hierzulande gerade erfährt. Umso dankbarer muss man denjenigen Spielern gegenüber sein, die heute gegen einen rumänischen Monster-Sturm, der ohne Zweifel zu den Top Ten der Welt zählt, sprichwörtlich die Knochen hingehalten haben.
Diese Jungs haben in den kommenden Wochen weitere schwere Aufgaben vor sich. Aber je mehr Zeit sie mit dem hervorragenden Trainer-Team um den WM-erfahrenen Ex-Profi Pablo Lemoine und All Black Campbell Johnstone verbringen, umso mehr Fortschritte werden sie erzielen können. Das war auch der Tenor unter den Spielern nach der Partie. Einfache Fehler und Abstimmungsfragen - seien es Gasse, Ankicks oder ein besserer Kick-Chase - sind mit ein wenig mehr Zeitaufwand und gemeinsamen Trainingseinheiten leicht zu verbessern. Zudem ist mit Verstärkungen durch derzeit noch verletzte Spieler, sowie einige weitere Auslands-Profis zu rechnen.
Spielerische Lichtblicke waren durchaus zu sehen
Wenn man bei einer derart hohen Niederlage nach positiven Aspekten suchen will, ist das im Normalfall nicht dermaßen einfach. Doch einige Spieler stachen heute auch in der Höhle des Löwen hervor - ob es nun Gedrängehalb Tim Menzel war, der alles dafür tat das deutsche Spiel anzutreiben und mit seinen Box-Kicks ein ums andere Mal für Entlastung aus der deutschen 22 sorgte, oder Erste-Reihe-Stürmer Paul Weiß vom SC Neuenheim, der im Duell mit einem der besten Loosehead-Props der Welt in Mihai Lazar keineswegs unterlegen aussah. Achter Luke Dyckhoff arbeitete in der dritten Reihe unermüdlich und als der Deutsch-Waliser doch einmal ein Tackle verpasste, war seine Frustration derart groß, dass er selbst nach 60 gespielten Minuten und bei eindeutigem Spielstand noch wutentbrannt mit der Faust auf den Boden schlug.
Ein Paradebeispiel an Willen und Kampfgeist war heute der erst 19-jährige DRV-XV-Debütant Paul Pfisterer. Erst seit dieser Saison im Senioren-Bereich unterwegs hatte der Außendreiviertel in seiner ersten Bundesliga-Saison bereits mehrmals für seine RGH glänzen können. So legte der Jungspund beispielsweise den entscheidenden und siegbringenden Versuch in der Nachspielzeit gegen den TV Pforzheim. Heute reichte es freilich nicht für einen Versuch, doch der Sprössling des Siebener-Programms ließ sich die 30-40 Gewichts-Defizit seinem rumänischen Gegenspieler mit tongaischen Wurzeln Tangimana Fonovai (über 110 kg) gegenüber zu keinem Zeitpunkt anmerken.
Pfisterers Glanzstück waren zwei Tackles innerhalb von nur zehn Sekunden kurz vor der eigenen Mallinie. Pfisterer war nach seinem ersten Tackle in nicht einmal einer Sekunde wieder auf den Beinen und hatte sich den nächsten Rumänen geschnappt. Kein Wunder, dass ihm seine Mitspieler eine gewisse Verrücktheit attestieren. Sein Trainer in der Siebener-Nationalmannschaft Zangqa bescheinigt ihm enormes Potenzial, sofern er seinen Trainingseifer zukünftig aufrechterhält. Doch Pfisterer war nicht der einzige Youngster mit engagierter Leistung - einige deutsche Spieler wurden heute gnadenlos ins kalte Wasser geschmissen. Die Erfahrung gegen ein Top-Team zu spielen, wie es Rumänien ist, kann in der Entwicklung durchaus hilfreich sein, wie Team-Manager Paul Healy bestätigte. „Jetzt wissen unsere Jungs woran sie arbeiten müssen, um auf diesem Niveau mithalten zu können. Auf diesem Niveau werden Fehler gnadenlos bestraft. Wir wollen uns von Woche zu Woche verbessern und müssen an vielen Baustellen arbeiten“ so der Australier und Ex-Trainer bei Stade Français gegenüber TotalRugby.
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