TotalRugby-Vorschau Six Nations: Das Warten hat endlich ein Ende
Geschrieben von TotalRugby Team
Mittwoch, 31. Januar 2018
So offen wie selten zuvor - bis auf Italien ist jedem Team der Titel zuzutrauen. Foto (c) Six Nations ltd.
Die dunkle Jahreszeit ist vorüber - zwar wird es draußen weiter grau und nasskalt bleiben, doch wir reden hier definitiv nicht vom Wetter. Denn das ovale Highlight des Jahres steht an: Die Six Nations starten an diesem Wochenende. Die 19. Saison seit der Italien-Expansion des im Jahr 1882 gestarteten Traditions-Turniers verspricht so spannend, wie lange nicht, zu werden - neben den Favoriten der letzten Jahre England, Wales und Irland rückt Schottland mehr und mehr in den Favoriten-Kreis. Frankreich war dagegen aus diesem rausgerutscht und versucht nun mit einer Jugend-Offensive und einem alten Trainer-Fuchs an der Seitenlinie zu alter Stärke zurückzufinden. Italien wiederum versucht den 13. Wooden Spoon, die symbolische Trophäe für den letzten Platz im Sechs-Nationen-Turnier, zu vermeiden.
Bereits am ersten Spieltag werden sich einige brennende Fragen klären lassen. Reicht Schottlands neugefundene Stärke - ein großartiger November mit einem überragenden Sieg gegen Australien und einer hauchdünnen Niederlage gegen die All Blacks war die letzte Bestätigung für die seit Jahren aufsteigende Form der Schotten - um im Hexenkessel von Cardiff zu bestehen? Wie sehr werden Wales und England durch ihr fast schon episches Verletzungspech beeinträchtigt werden? Kann Frankreich unter Jacques Brunel mit einem blutjungen Spielmacher-Duo ein Wörtchen um den Titel mitreden? Ist Irland - nach den Erfolgen von Leinster und Munster in Europa sowie den nachrückenden Super-Talenten mit breiter Brust antretend - „the real deal“? Und kann England als erstes Team überhaupt einen dritten Six-Nations-Titel in Folge holen?
Wales - Schottland Samstag 3. Februar, 15:15 Uhr, Principality Stadium, CardiffLIVE BEI DAZN
Erstmals keimen im hohen Norden Hoffnungen auf - 2018 könnte das Jahr der Schotten werden. Die nach dem Five-Nations-Triumph 1999 seit 19 Jahren andauernde Titel-Dürre könnte mit dem ersten Six-Nations-Sieg überhaupt tatsächlich ein Ende haben. So sieht es auch Schottland-Legende Scott Hastings, der im Gespräch mit TotalRugby bestätigt: „Schottland hat dieses Jahr erstmals seit langem eine Chance den Titel zu holen.“
Die letzte Rugby-WM im Jahr 2015 war für Schottland eine Art Initialzündung - mit einem tollen Lauf während des Turniers, jungen Talenten wie Stuart Hogg und Finn Russel auf dem Feld schaffte man es bis ins Viertelfinale. Dort war erst nach einer kontroversen Last-Minute-Entscheidung gegen den späteren Finalisten Australien Schluss. Knappe drei Jahre später sind aus den Talenten Russell und Hogg mit jeweils 25 Jahren absolute Superstars geworden. An der Seitenlinie steht Gregor Townsend, ein vielumjubelter Ex-Schottland-Star. Die Zeit der Schotten als internationaler Mitläufer und heißer Wooden-Spoon-Kandidat bei den Six Nations scheinen endgültig vorbei.
Doch zwischen den Schotten und der endgültigen Wiederauferstehung mit der Trophäe in den Händen von Kapitän John Barclay steht unter anderem die Feuerprobe in Cardiff - diese sieht auch der 64-fache Schottland-Nationalspieler und zweifache British and Irish Lion Hastings als „riesige Herausforderung“. Zwar beweist der 29:13 Sieg im Vorjahr daheim gegen Wales, dass dieses schottische Team seinem Gegenüber am Samstag gewachsen ist. Doch seit 2007 konnte Schottland in Cardiff nicht mehr gewinnen - insgesamt bleibt die Auswärtsschwäche der Bravehearts das große Fragezeichen - im Vorjahr gingen beide Auswärtspartien verloren und in diesem Jahr erwartet die Schotten derer drei. Um wirklich Titel-Kandidat zu sein müssen die Schotten eine verletzungsgeschwächte walisische Mannschaft und deren 75.000 lautstarke Anhänger im wohl besten Rugby-Stadion der Welt neutralisieren.
Schottlands Game-Plan dürfte dabei kein Geheimnis sein - der ehemalige Schottland-Schluss und jetzige Coach Townsend erwartet von seinen Männern ein blitzschnelles Kombinations-Spiel. Der Sturm um den imposanten Zweite-Reihe-Stürmer Johnny Gray und die formidable dritte Sturm-Reihe mit Kapitän John Barclay und Flanker Hamish Watson an der Speerspitze soll offensiv vor allem den Ballbesitz und schnelle Rucks sicherstellen, damit die talentierte Dreiviertelreihe ihre Spielzüge mit viel Platz vor sich laufen kann.
Schottlands-Schlüsselspieler: Der Spieler der Six Nations 2017 Stuart Hogg
Verbinder Finn Russell wird das Spiel der Schotten bei erwartet sonnigen und trockenen Bedingungen in Cardiff über die gesamten 80 Minuten antreiben wollen. Sein Glasgow-Vereinskamerad auf Schluss Stuart Hogg, immerhin Spieler des Turniers 2017, wird ebenso eine formidable Gefahr für Wales Mallinie sein, wie der aufstrebenden Innen Huw Jones, ebenso von Glasgow. Die Außen Tommy Seymour und Byron McGuigan, letzter mit 28 der absolute Spätzünder im Schottland-Kader, werden am Samstag ebenso viele Bälle sehen.
Das größte Fragezeichen bei Schottland ist die erste Sturmreihe, in der mit WP Nel Schottlands größte Gedränge-Waffe der letzten Jahre verletzt ausfällt. Dort sieht auch Schottland-Legende Hastings, der heute für World Rugby Spiele analysiert und kommentiert, die Achilles-Ferse seiner ehemaligen Mannschaft: „Wir spielen einen großartiges Offensiv-Spiel aber ich befürchte, dass andere Teams versuchen werden unser Spiel zu ersticken, entweder im Gedränge oder mit einem negativen Kick-Spiel und geballter Defensiv-Power.“
Doch beim Gastgeber Wales hat man sich, allen Unkenrufen zum Trotz, einem offensiveren Spielrezept verschrieben. Der konservative, wenig kreative und als „Warren-Ball“-Spielstil, benannt nach Coach Warren Gatland, soll endgültig der Vergangenheit angehören. Da kommt es dem Wales-Trainerteam gelegen, dass die walisische Top-Mannschaft Scarlets gerade das europäische Rugby mit einem atemberaubenden Spielstil aufmischt. Kein Wunder also, dass gleich zehn der walisischen Start-Fünfzehn für Samstag ihre sportliche Heimat in Llanelli bei den Scarlets haben.
Zum riesigen Scarlets-Kontingent zählt auch Rhys Patchell - der Rotschopf, der am Samstag als Verbinder die Fäden des walisischen Spiels ziehen wird, spielt eigentlich seit zwei Jahren nur noch als Schluss. Doch da sich mit Dan Biggar und Rhys Priestland gleich beide angestammten Spielmacher verletzt abgemeldet haben, muss Patchell als Notlösung herhalten. Auch der angestammte Gedrängehalb Rhys Webb fehlt verletzt, aber mit Scarlets-Neuner Gareth Davies steht adäquater Ersatz zur Verfügung. In der Hintermannschaft setzt Wales-Coach Gatland mit Steff Evans und dem Debütanten Josh Adams auf zwei talentierte und spektakuläre Außen. Speziell die Tatsache, dass Worcester-Außen Adams dem noch nicht 100% fitten Superstar George North vorgezogen wurde, hatte viele Beobachter verwundert. Eine sichere Bank dagegen wird Leigh Halfpenny auf der 15 sein - außerdem dürfte der nach Wales zu den Scarlets zurückgekehrte Halfpenny für die Kicks verantwortlich sein.
Wales größte Waffe dürfte am Samstag der Sturm sein. Kapitän Alun Wyn Jones wird in der zweiten Sturmreihe der Fels in der Brandung der schweren Waliser sein. Mit seinen 113 Spielen für Wales und weiteren neun für die British&Irish Lions gibt es im internationalen Rugby momentan wohl kaum einen erfahreneren Akteur als den 1,98-Mann aus Swansea. Die erste Sturmreihe, bestehend aus dem Scarlets-Trio Rob Evans, Ken Owens und Samson Lee, ist insgesamt wohl der einzige Mannschaftsteil, in dem die Waliser ihrem schottischen Gegner klar überlegen sind. Viele Sturmphasen, Straftritte im Gedränge und im Paket herauszuholen und durch Leigh Halfpenny, dem wohl besten Kicker der Welt, in Punkte zu verwandeln, könnte also durchaus ein Rezept zum Sieg sein. Ob sich Wales also an die öffentlich geäußerte Vorgabe des Trainers, auf ein expansives Spiel mit den schnellen Außen zu setzen, halten wird, bleibt damit abzusehen.
TotalRugby-Analyse: Das Gastspiel der Schotten in Cardiff dürfte richtungsweisend werden. In der walisischen Hauptstadt wird sich wahrscheinlich entscheiden, ob den Schotten in diesem Jahr der erste Six-Nations-Sieg überhaupt gelingen könnte. Der Titel wäre selbst bei einem Sieg noch weit entfernt - bei einer Niederlage jedoch, wäre er außer Reichweite. Spielerisch ist es den Schotten durchaus zuzutrauen, doch Fragezeichen verbleiben: Wie kommen die jungen Schotten mit der ihnen von vielen Seiten zugeschusterten Favoritenrolle klar? Was, wenn sich die Gegner nicht auf ein Duell mit offenem Visier einlassen?
Wales-Coach Warren Gatland ist mittlerweile ein erfahrener Fuchs und wird seine gebeutelte Mannschaft sicher nicht in das offene Messer der Schotten rennen lassen. Zu viel Erfolg hatte der Neuseeländer bisher als Wales-Coach mit seinem einfachen aber brutal effektiven Spielstil. Keine Experimente tief in der eigenen Hälfte, sich mit Halfpennys Huf aus brenzligen Situationen befreien und mit dessen zielsicheren Straftritten aus allen Lagen fleißig Punkten. Im Sinne des Offensiv-Rugbys und der Abwechslung wäre ein Schottland-Sieg wünschenswert - doch objektiv scheint Wales in Cardiff momentan noch eine zu große Hürde zu sein. Wales siegt mit +6 Punkten.
Frankreich - Irland Samstag 3. Februar, 17:45 Uhr, Stade de France, ParisLIVE BEI DAZN
Das Gastspiel der Iren im Stade de France am Samstag wird ein Duell Erfahrung gegen jugendliche Unbekümmertheit, wer hätte das noch vor wenigen Wochen gedacht? Als der 64-jährige Jacques Brunel im Dezember als neuer Frankreich-Coach vorgestellt wurde, war das von wenigen als mutiger Schritt in Richtung Erneuerung betrachtet worden. Frankreich fehlte seit Jahren der Flair, der dem Rugby der Grande Nation einst seine einzigartige Reputation bescherte. Doch vor seiner ersten Partie als Trainer von „les Bleus“ beweist der ehemalige Italien-Coach verdammt viel Mut. Mit dem erst 19-jährigen Mathieu Jalibert beruft Brunel einen Debütanten in die Start-XV und das ausgerechnet auf der so imminent wichtigen Verbinder-Position. Dabei hat der 1,79 m große Verbinder gerade Mal vor gut drei Monaten sein Erstliga-Debüt gegeben - auf den schmalen Schultern des jungen Spielmachers liegen nun die Hoffnungen einer großen Rugby-Nation.
Das komplette Paket: Frankreichs 19-jähriger Verbinder Jalibert
Die Tatsache, dass Jalibert sein Top-14-Debüt im November im Bordeaux-Maillot gab, dürfte Teil der Erklärung dafür sein, warum Frankreich-Trainer Brunel so viel Vertrauen in den Teenager mit nur 15 Einsätzen in Bordeauxs erster Mannschaft hat. Denn Brunel war bereits derjenige, der Jalibert, damals noch in der Funktion als Bordeaux-Trainer, in die erste Mannschaft berufen hatte. Er bietet das komplette Paket für einen Verbinder: Eine hervorragende Übersicht, ein tolles Passspiel mit Hand und Fuß und eine Unbekümmertheit, mit der er gegnerische Defensiven selbst mit dem Ball in der Hand attackiert.
Doch einen derart unerfahrenen Debütanten bei den Six Nations gab es seit Johnny Wilkinson (dieser gab am 4. April 1998 kurz vor seinem 19. Geburtstag bei den 5 Nations sein Debüt) nicht mehr. Immerhin stellt Coach Brunel ihm am Samstag mit Maxime Machenaud einen erfahrenen Gedrängehalb an die Seite. Auf der Bank sitzen mit Antoine Dupont und Anthony Belleau (beide 21) zwei weitere blutjunge Ersatzmänner für die in Frankreich Scharnier genannte Gedrängehalb-Verbinder-Achse. Und auch Abseits des Scharniers gibt Brunel wenig auf bereits verdiente Lorbeeren und wirbelt Frankreichs Aufstellung ordentlich durcheinander: Einzig Kapitän und Hakler Guilhem Guirado ist über dreißig Jahre alt und dazu einer der wenigen prominenten Überlebenden der Guy-Novès-Ära.
Damien Tussacs Castres-Vereinskollege Geoffrey Palis spielt mit 26 ebenso erstmals im Trikot der XV de France. Der Schlussspieler könnte zum Schlüssel in dieser Partie werden - denn er gilt als absolute Bank, wenn es darum geht hohe Bälle sicher zu fangen. Dass Irlands Spielmacher-Achse mit Murray und Sexton die wohl am besten kickende Mannschaft im Welt-Rugby ist, dürfte auch Frankreich-Trainer Brunel nicht entgangen sein. Darüber hinaus scheint Frankreich mit dem kreativen Mittelfeld-Duo Chavancy und Lamerat tatsächlich auf einen kreativeren Spielansatz, als in den vergangenen Jahren, aus zu sein. Nach einem Horror-Herbst mit drei Niederlagen und einem glücklichen Unentschieden gegen Japan war ein Neuanfang sicherlich von Nöten - die Frage ist aber, verfällt Frankreich eventuell in alte Muster?
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Denn der Gegner reist mit ganz breiter Brust in die französische Hauptstadt - Irland hat seit der letzten WM als einzige Nationalmannschaft alle Top-Teams des Welt-Rugbys schlagen können. Auch in das diesjährige Championat geht die Mannschaft von Irland-Coach Joe Schmidt zumindest als Mitfavorit - angesichts der Verletzungs-Krisen bei Wales und England in den Augen vieler Experten gar als Titel-Kandidat Nummer eins. Anders als bei den Franzosen ist in Irland ein personeller Umbruch überhaupt kein Thema - im Gegenteil: In das funktionierende Gesamtgefüge rücken nach und nach hochtalentierte Nachwuchskräfte.
Auf vielen Positionen hat Irlands neuseeländischer Coach die Qual der Wahl. Die Verbinder-Position zählt jedoch nicht dazu und Johnny Sextons Fitness ist wohl die größte Achilles-Ferse des irischen Teams. Da der jahrelang als Kronprinz herangezogene Paddy Jackson gerade in Belfast wegen Vergewaltigung unter Anklage steht und Joey Carbery nicht 100% fit ist, bleibt lediglich der recht biedere Ian Keatley als Alternative auf der Bank. Kein Wunder also, dass Irlands Trainer Schmidt sich genötigt sah öffentlich darauf hinzuweisen, dass Sexton viel zu oft Ziel von illegalen und späten Tackles gewesen sei und er dies nicht von Frankreich erwarte.
Am Samstag aber wird Sexton, sofern er denn fit bleibt, der wohl größte Trumpf im Spiel der Iren sein. Der 32-jährige ist zumindest Europas, wenn nicht gar der weltweit beste Verbinder und hat seinem 13 Jahre jüngerem Gegenüber mehr als eine Dekade Erfahrung auf allerhöchstem Niveau voraus. Die Kombination mit Gedrängehalb Conor Murray ist über Jahre hinweg gewachsen und zeigt sich auf dem Feld unglaublich variabel: Ob taktische Kicks oder schnelles Laufspiel - Murray und Sexton wissen, wie sie ein Spiel auf diesem Niveau aufzuziehen haben, ihr Game-Management ist das beste weltweit.
Die wohl größte Überraschung in Joe Schmidts Aufstellung für Samstag ist, dass kein Platz mehr für Devin Toner in der Startaufstellung ist. Der 31-jährige 2,11-Mann wird in der zweiten Sturmreihe durch den zehn Jahre jüngeren und nur ungemein kleineren James Ryan ersetzt. Dass Joe Schmidt große Stücke auf den jungen Leinster-Stürmer hält wurde spätestens im vergangenen Sommer in den USA klar, als Ryan erstmals für Irland auflaufen durfte, noch bevor er auch nur ein einziges Spiel für seinen Klub Leinster absolviert hatte. Weniger überraschend ist die Aufstellung von Jacob Stockdale - der erst 21-jährige Ulster-Außen hat in den letzten Monaten für Verein und Nation einen Versuch nach dem anderen gelegt. Sein Six-Nations-Debüt war erwartet worden - Jordan Larmour hingegen, das andere Irland Wunderkind auf Außen, muss sich vorerst noch gedulden.
In der ersten Reihe hat sich Cian Healy sein jahrelang angestammtes Shirt mit der eins zurückerkämpft. Nach der WM hatte ihn Ärzte aufgrund einer Wirbelverletzung das Karriereende prophezeit - Healy konnte nicht nur diese Prognose widerlegen, er veränderte zudem auch sein Spiel. Mit 115 kg ist er ganze zehn Kilo leichter als bei der letzten WM und spielt besser denn je. Zusammen mit Rory Best und Tadh Furlong bildet er die wohl beste erste Reihe des Turniers. Die dritte Sturmreihe ist trotz der Abwesenheit zweier Leistungsträger der letzten Jahre - Sean O’Brien und Jamie Heaslip - ein weiteres Prunkstück der Iren. Mit CJ Stander als kraftvollen Ballträger, Peter O’Mahoney als defensiver Wand und Gasse-Option und dem jungen Siebener und Ruck-Spezialisten Josh van der Flier haben die Iren genau die Balance, die man in der dritten Reihe benötigt.
TotalRugby-Prognose: Die ersten Minuten am späten Samstag-Nachmittag im Pariser Stade de France dürften richtungsweisend sein - diese in weiten Teilen unerfahrene französische Mannschaft, die so noch nie zusammen gespielt hat wird vor über 80.000 in Paris den Erwartungen der eigenen Fans standhalten müssen. Ob sie dem Druck, der im internationalen Rugby ungleich höher ist, gewachsen sein werden, dürfte sich schnell zeigen. Frankreichs Verbinder Jalibert hat in seinen drei Monaten bisher unglaublich unbekümmert aufgespielt und vor keinem Respekt gezeigt. Gelingt ihm das auch nach seiner ersten Marseillaise im ausverkauften größten Stadion des Landes gegen die momentane Nummer drei der Welt?
Sollte diese junge Mannschaft früh zu sich finden und nicht zu viele Punkte kassieren, dürfte dies ein offenes Duell werden. Irland ist unglaublich eingespielt, jedoch aber auch verwundbar. Im Vorjahr gingen beide Auswärts-Spiele in Cardiff und Edinburgh verloren - eine Schwäche, die Irland abstellen muss, um England den Titel-Hattrick zu vermiesen. Wir von TotalRugby sehen die Erfahrung der Iren am Ende knapp mit +8 Punkten vorn.
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Italien - England Sonntag 4. Februar, 16:00 Uhr, Stadio Olimpico, RomLIVE BEI DAZN
Italien steht auch daheim gegen die Nummer zwei der Weltrangliste England vor einer absoluten Herkules-Aufgabe. Nicht nur haben die Italiener in ihren 23 bisherigen Duellen mit dem Mutterland unseres Sports noch nie gewonnen, auch drifteten die Formkurven der beiden Kontrahenten am Sonntag seit der letzten Weltmeisterschaft dezidiert auseinander. Italien spielt momentan im Sechs-Nationen-Turnier lediglich darum nicht erneut letzter zu werden. England unter Jones hat in 23 Spielen ganze 22 Siege erringen können - der einzige Makel auf der sonst weißen Weste ist die Niederlage im Vorjahr in Dublin.
England könnte bei den diesjährigen Six Nations historisches gelingen. Noch nie hat eine Nation, seitdem aus der Home Nations Championship mit Frankreichs Aufnahme die Five Nations wurden, drei Titel in Folge holen können. Außerdem hat sich England traditionell sehr schwer getan in den Jahren nach einer Lions-Tour - tatsächlich hatte England auch im vergangenen Sommer gleich 17 Spieler im Lions-Kader gestellt, der sich unter anderem in drei knüppelharten Spielen gegen die All Blacks aufgerieben hatte. Die Lions-Spieler hatten neben dem ungewöhnlich harten Sommerprogramm lediglich eine stark verkürzte Sommerpause zur Erholung. Kaum verwunderlich also, dass gerade England insbesondere mit Verletzungen zu kämpfen hatte.
Englands Coach Eddie Jones hatte in den vergangenen Wochen sein prominent besetztes Lazarett mehrfach öffentlich betont und deshalb die Chancen seiner eigenen Mannschaft heruntergespielt. Mit einer reihen von illustren Namen - allen voran der weltbeste Achter Billy Vunipola, Außen Elliot Daly, Vunipola-Ersatz Nathan Hughes und der bullige Erste-Reihe-Stürmer Kyle Sinckler - wird England tatsächlich nicht in Bestbesetzung in Rom auflaufen. Für Jones Versuch England in die Underdog-Rolle zuzureden hatte sein Italien-Pendant Conor O’Shea jedoch lediglich ein Schmunzeln übrig: „Die werden hier immer noch mit acht British&Irish Lions in der Start-XV auflaufen, das soll eine Verletzungs-Krise sein?“
Der Ire O’Shea, nunmehr im zweiten Jahre Trainer der Azzurri, machte sich öffentlich keinerlei Illusionen: „Wenn wir unser bestes Rugby spielen und England auch, dann gewinnt England. Wir werden unser bestes Rugby spielen, alles geben um unsere Anhänger stolz zu machen und sehen wozu das am Ende reicht.“ Der ehemalige Trainer des Londoner Spitzenklubs Harlequins gilt jedoch als Taktik-Fuchs und überraschte Jones im Vorjahr mit einer ungewöhnlichen Taktik: Gar nicht erst in die Rucks gehen und die nicht vorhandene Abseits-Linie nutzen, um Chaos in Englands Defensive zu stiften. Nach einer völlig überraschenden Halbzeit-Führung und einer in Panik verfallenden englischen Mannschaft sollte es schlussendlich nicht zu einem ersten italienischen Triumph in der England-Feste Twickenham reichen - aber Jones dürfte vor den taktischen Spielchen seines Gegenübers O’Shea gewarnt sein.
Zumal Italiens Pro-14-Teams Zebre und Benneton in dieser Saison deutlich besser auftreten und im Falle von Benetton gar eine ausgeglichene Bilanz haben. Selbst im Champions Cup sind die Norditaliener nicht mehr das Kanonenfutter von einst und hatten die späteren Viertelfinalisten Toulon und Scarlets jeweils am Rande einer Pleite. So setzt der Ire O’Shea in seinem Italien-Team auf Benneton Spielmacher Tommaso Allan auf den Benetton-Spielmacher als seine Zehn. Für Italien wäre es wünschenswert, wenn auf dieser so wichtigen Schlüsselposition endlich Konstanz einziehen würde. Allen jedenfalls hat mit seinen 24 Jahren noch genügend Perspektive um in diese Rolle zu wachsen.
Eine wahrliche Mammut-Aufgabe werden die äußerst unerfahrenen Flanker Negri und Giammarioli haben - mit nur einem und zwei Länderspielen auf dem Konto werden sie geradezu Wunder vollbringen müssen angesichts der erwarteten Sturmüberlegenheit der Engländer. Immerhin haben sie mit Sergio Parisse einen alternden Superstar von Weltformat an ihrer Seite - wieder wird viel vom Spiel des Talismans des italienischen Rugby abhängen. Zugleich muss Parisse seine Carries und Tackles dosieren, sonst wird Italien zu ausrechenbar und außerdem ist er mit mittlerweile 32 Jahren nicht mehr der fitteste Spieler auf dem Rasen.
Bei England wird aus der von Eddie Jones gewählten Aufstellung klar: Der so hochgelobte Coach will es trotz perfekter Bedingungen in Rom mit der Brechstange versuchen. Mit dem brachialen Ben Te’o anstelle des Feingeistes Jonathan Joseph auf der 13 und mit Courtney Lawes in der dritten Sturmreihe wird man ein sehr direktes England erwarten können. Dem gelernten Zweite-Reihe-Stürmer Lawes hatte Jones nach den November-Internationals geraten ein wenig an Masse zuzulegen, um seine „Basketball-Statur“ loszuwerden. Lawes galt sowieso schon als einer der härtesten Tackler im Welt-Rugby - nun wird der einst 112 kg und nun scheinbar erheblich schwerere Neu-Flanker auf Italiens Verbinder Allan losgelassen.
Auf der Spielmacherachse dagegen gibt es keine Experimente - George Ford als Verbinder und Owen Farrell als erster Innen werden das England-Spiel antreiben. Eine Achilles-Ferse könnte die Loosehead-Position in der ersten Sturmreihe sein - hinter dem Weltklasse-Stammhalter Mako Vunipola fallen reihenweise die Ersatzmänner aus, so dass Exeters Alec Hepburn auf der Bank sitzt. Dieser hat selbst in seinem Verein eigentlich keinen Stammplatz und wird nun wohl immerhin 30 Minuten auf höchstem internationalen Niveau durchhalten müssen.
TotalRugby-Prognose: Italien ist alles andere als Fallobst und der momentane 13 der Weltrangliste wird gegen den WM-Favoriten im Normalfall keine Chance haben. Diese Erkenntnis hat sich auch in Rom durchgesetzt. Doch Coach Conor O’Shea und Kapitän Parisse sind zu ehrgeizig um das Duell mit England einfach abzuschenken. Trainer O’Shea wählte bewusst ein Team aus, das mit der Ausnahme von Parisse ausschließlich in Italien basiert ist - unter anderem auch um über den Winter an der Fitness und dem taktischen Verständnis seiner Recken zu arbeiten. Die Azzurri hatten Wochen sich auf dieses Duell vorzubereiten und realistisch erwartet niemand irgendetwas von Italien - eigentlich perfekte Voraussetzungen für eine Überraschung.
Diese sehen wir, ob der Stärke der Engländer nicht kommen. Doch die Italiener werden einen beherzten Kampf abliefern. Jones hat seine Bank mit „Finishern“ gefüllt - mit ermüdenden italienischen Verteidigern und solch Klasse-Steppern wie Jonathan Joseph und Jack Nowell auf der Bank dürfte das vorher enge Spiel doch ein wenig deutlicher werden. England gewinnt mit +14 Punkten.