Der ADRT in Hannover lief sachlicher ab als von vielen befürchtet - zudem gab es hoffnungsvolle Zeichen von beiden Konflikt-Parteien.
Der außerordentliche Rugby-Tag am gestrigen Sonntag in Hannover, ausgerufen vom DRV-Vorstand um sich Unterstützung seiner Mitglieder in der Auseinandersetzung mit der Wild Rugby Academy zu sichern, war mit viel Spannung erwartet worden. Nach turbulenten Wochen hatten sich viele Beobachter des Deutschen Rugbys aufgrund der verzwickten Lage um die nicht erfolgte Vertragsverlängerung mit dem ehemaligen Premium-Sponsor Wild Rugby Academy und die öffentliche Schlammschlacht mit diesem gefragt: Wird es Aufruhr aus den Reihen der DRV-Mitgliedsvereine geben, oder wird der Verbands-Kurs bei seinen Mitgliedern Unterstützung finden? Am Ende konnte sich die Verbands-Führung, die in Person von Klaus Blank und Jürgen Zeiger persönlich ihren Rücktritt angeboten hatte, ob der breiten Unterstützung aus dem Plenum bestätigt fühlen.
Nach einem langen Nachmittag und erfreulich sachlichen Diskussionen bestätigten die versammelten deutschen Vereinsvertreter die Konsolidierung des eingeschlagenen Kurses. Außerdem wurde mit der Verabschiedung der neuen Verbandssatzung im Bestreben die DRV-Strukturen zu modernisieren ein weiterer „Meilenstein“ erreicht, so wie es Geschäftsführer Volker Himmer formulierte. Mit großer Mehrheit beschlossen die anwesenden Delegierten die neuen DRV-Satzungen und die dazugehörigen Ordnungen. Damit ist der Weg frei für einen professioneller agierenden Vorstand, der vom Präsidium, welches fortan als Aufsichtsrat fungiert, eingesetzt wird. Beim nächsten ordentlichen Rugby-Tag, im Juli 2018, wird dann über die Zusammensetzung des neuen Präsidiums abgestimmt.
Nach den turbulenten Wochen mit öffentlich geäußerten Anschuldigungen und Enthüllungen, folgte ein sachlicher Vortrag des DRV-Präsidenten Klaus Blank, in welchem er neuerlich die Vertragsverhandlungen mit der Wild Rugby Academy (WRA) / Gesellschaft zur Förderung des Rugby-Sports (GFR) aus Verbandsperspektive darstellte. Am Ende seines Vortrags boten sowohl Blank als auch DRV-Vize für Finanzen Jürgen Zeiger ihren Rücktritt an, um den Weg für frische Gesichter zu ebnen.
Rugby Baden-Württemberg-Präsident und Klaus-Blank-Vorgänger als DRV-Präsident Claus-Peter Bach erklärte im der Plenum, dass der aktuelle DRV-Vorstand nicht mehr das Vertrauen des größten DRV-Landesverbands genieße - die Baden-Württemberger Vereine stünden, so Bach gestern in Hannover, geschlossen hinter dieser Aussage. Jedoch erhielt Bach von einem weiteren prominenten Heidelberg Verein Widerworte.
Es folgte eine überwiegend konstruktiv und sachlich geführte Diskussion über das Für und Wider einer weiteren Zusammenarbeit mit der WRA/GFR. Dabei hatten in der Runde der Vereinsvertreter diejenigen Stimmen augenscheinlich die Oberhand, die eine weitere Zusammenarbeit mit dem ehemaligen Sponsor befürworten, aber nicht um jeden Preis. Als WRA/GFR-Vertreter war der der Vorsitzende des Stiftungsrat Jürgen Schnabel in Hannover, der die Rolle von Dr. Hans-Peter Wild als „Mäzen, der auch bei Laune gehalten werden will“ beschrieb. Auf diese Äußerung erhielt er Widerspruch vom FC St. Pauli Präsident Nils Zurawski - der angesehene Soziologie der Universität Hamburg betonte, dass man als Vereinsvertreter nicht der Hofnarr zur Bespaßung des Königs sei.
Auf einen Einwurf des TSV-Handschuhsheim-Vertreters, wonach sich beide Seiten erneut an einen Tisch setzen lassen, gab es zustimmendes Nicken sowohl von DRV-Präsident Blank, als auch von Schnabel von der WRA. Ohne zu viel hinein interpretieren zu wollen, bleibt die Hoffnung einer baldigen Annäherung. Jedoch gab es auch Kritik in der Aussprache an der erneuten Nominierung der WRA/GFR-Spieler durch den DRV für die kommenden Länderspiele. Ein Knackpunkt mit Blick auf die die fünf spiele in der Rugby Europe Championship scheint die Tatsache, dass sich die Angestellten der Gesellschaft zur Förderung des Rugbysports für die Länderspiele wohl unbezahlten Urlaub von ihrem Arbeitgeber genehmigen lassen müssen. Es bleibt auch hier zu hoffen, dass diese Hürde in direkten Gesprächen zwischen WRA und DRV ausgeräumt werden können.
Als möglicher Mediatior zwischen beiden Parteien wurde unter anderem Nils Zurawski vom FC St. Pauli ins Gespräch gebracht - der Vorsitzende des mitgliederstärksten deutschen Rugby-Vereins äußerte im Gespräch mit TotalRugby seine Hoffnung auf eine nachhaltige Entwicklung im deutschen Rugby: „Man darf sich nicht vom potenziellen Erfolg einer Profi-Mannschaft blenden lassen - natürlich kann so eine mit TV-Präsenz als Zugpferd dienen und Licht auf den Rugby-Sport scheinen. Aber als Vereinsvertreter wollen wir, dass insgesamt in Deutschland auf einem hohen Niveau gespielt wird. Es wird nicht überall eine Situation, wie in Heidelberg, geben können.“
Eine umfassende Lösung der seit dem letzten Frühjahr festgefahrenen Verhandlungen dürfte auch nach dem ADRT nicht unmittelbar in Aussicht stehen. Doch immerhin scheint auf beiden Seiten Gesprächsbereitschaft vorhanden. Zum Wohle des deutschen Rugbys und der immer noch bestehenden Chance zur WM-Qualifikation bleibt aber die Hoffnung, dass der neue Nationaltrainer Pablo Lemoine in zwölf Tagen in Cluj die bestmögliche deutsche XV zur Verfügung haben wird. Denn beide Seiten haben, davon darf man ausgehen, schlussendlich das Wohl des deutschen Rugbys im Sinne.
|