In nur zweieinhalb Wochen tritt unsere DRV XV in Rumänien an - dort und am Wochenende beim ADRT wird die Perspektive der DRV XV klarer.
Gestern erschütterte ein weiteres Erdbeben Deutschlands Rugby-Gemeinde. Was war geschehen: Der Deutsche Rugby-Verband hatte per Pressemitteilung ein endgültiges Ende der Zusammenarbeit mit dem ehemaligen „Premium-Sponsor“ Wild Rugby Academy verkündet. Doch wer die Zeichen der letzten Wochen und Monate richtig gedeutet hatte, war wohl eher über den späten Zeitpunkt dieser Meldung, als über die Meldung an sich verwundert. Die viel wichtigere Frage ist nun: Werden sich beide Parteien in den verbleibenden zweieinhalb Wochen bis zum Rugby-Europe-Championship-Auftakt zum Wohle des deutschen Rugby aufraffen, um sicherzustellen, dass am 10. Februar in Cluj die stäkstmögliche DRV XV im rumänischen Cluj aufläuft? Oder werden gegenseitige Animositäten die Perspektive der Nationalmannschaft während der Rugby Europe Championship und darüber hinaus torpedieren?
In seiner gestrigen Mitteilung hatte der Verband den Status Quo endgültig bestätigt und seine Beweggründe zur Beendigung der Zusammenarbeit offengelegt, nachdem in Deutschlands Rugby-Öffentlichkeit lange über eben diese gerätstelt worden war. Vor allem widersprach der Verband vehement dem Vorwurf der mangelnden finanziellen Transparenz der WRA gegenüber und vor allem der mangelnden Professionalisierung, der von seinem ehemaligen Sponsor erhoben wurde. Mit der Einstellung des Australiers Paul Healy als DRV-XV-Manager, dem Ex-Uruguay-WM-Trainer und WM-Spieler Pablo Lemoine als DRV-XV-Coach, sowie dem ehemaligen All Black Campbell Johnstone als Sturm-Trainer hat der Verband im Bezug auf die Hauptforderung der WRA durchaus gewichtige Argumente.
Nachdem der DRV im späten November vor dem Chile-Spiel noch sprichwörtlich blank dastand - ohne Trainer-Team, das von der WRA finanziert wurde und ohne einen Großteil der Mannschaft. Doch das hat sich der Verband in Retrospektive natürlich auch selbst anzukreiden: Durch die übermäßige Abhängigkeit von einem Sponsor kam er erst in diese missliche Lage. Mehr Abhängigkeit kann da sicherlich nicht die Antwort sein, so viel sollte klar sein.
Konflikte und Vorwürfe nicht in die Öffentlichkeit tragen
Was jedoch wenig hilfreich erscheint ist die Forderung nach einem Führungswechsel auf Seiten der WRA. Aus Sicht des Verbands unter anderem auch deswegen, da der DRV den WRA-Mäzen Dr. Wild schlecht von Seiten seiner eigenen Angestellten informiert sieht. Selbst wenn die erhobenen Vorwürfe so ausnahmslos stimmen, bringt eine solche Forderung in aller Öffentlichkeit niemanden weiter. Im Gegenteil, die persönlichen Animositäten zwischen den Akteuren intensivieren sich und die Fronten zwischen den beiden ehemaligen Partnern verhärten sich. Deshalb müssen die gegenseitigen Anschuldigungen in der Öffentlichkeit ein Ende haben.
Der DRV hat gestern ebenso angekündigt seine Mitglieder vor dem ADRT am kommenden Wochenende in einem detaillierten Dossier ausführlich über die Vorgänge zu informieren. Nach den intransparenten Vorgängen hinter den Kulissen der letzten Monate werden viele Vereine diesen Schritt sicherlich begrüßen. Wie allerdings die Reaktionen der Mitgliedsvereine ausfallen werden, ist natürlich noch völlig offen. Wenn man jedoch die (nicht repräsentativen) Kommentarspalten in den sozialen Medien als Indikator sehen darf, scheint die Sympathie für die DRV-Position deutlich zu überwiegen.
Wie reagiert die WRA-Seite?
Sollte der nun eingeschlagene Verbands-Kurs in Hannover bestätigt werden, darf man auf die Reaktion der Gegenseite gespannt sein. Im Sinne des deutschen Rugbysports bleibt zu hoffen, dass die gemeinnützige Wild Rugby Academy, sowie ihre Tochter „Gesellschaft zur Förderung des Rugbysports“ ihre Arbeit für den ovalen Balllsport hierzulande fortsetzen werden. Die Erfolge und das Wachstum unseres Sports in den letzten Jahren fußen maßgeblich auch auf den Initiativen der WRA und der finanziellen Unterstützung durch Dr. Wild.
Seien es die zahlreichen Trainingseinheiten, die WRA-Spieler mit Klubs im ganzen Lande abhalten, aber natürlich auch die Unterstützung in der Spitze, durch die Anstellung zahlreicher deutscher Topspieler. Darüber hinaus hängen mittlerweile auch zahlreiche Existenzen an der Academy - neben den Spielern und sonstigen Angestellten, die ihren Lebensunterhalt als WRA-Mitarbeiter verdienen, absolvieren auch mehrere Azubis Ausbildungen bei der WRA.
Getrennt zum Wohle des Rugbysports arbeiten
Doch wie könnte eine Lösung ohne direkte Kooperation beider Parteien künftig aussehen? Erst einmal erscheint es zum heutigen Zeitpunkt schwer bis fast unmöglich eine schlagkräftige DRV XV ohne die bei der WRA angestellten Spieler aufzustellen. Deswegen muss jeder Rugby-Fan in Deutschland hoffen, dass die Akademie ihre Angestellten für die fünf Europameisterschaftsspiele freigibt. Sei es in einer Lösung, wie im vergangenen November, als der Verband die WRA für die Abstellung finanziell entschädigt. Am Willen der Spieler dürfte es dem Vernehmen nach nicht scheitern.
Dr. Wild wiederum könnte sein Engagement für den deutschen Rugbysport auf Vereinsebene fortsetzen oder gar noch intensivieren. Weitere Trainingseinheiten über die Republik verteilt, gerade auch in den Vereinen abseits der Zentren in Heidelberg, Hannover und Berlin sind extrem hilfreich und könnten in Verbindung mit dem Get-into-Rugby-Programms die Nachwuchs-Basis in Deutschland erheblich stärken. Über das Projekt Wild Titans und die Ambitionen in die Pro 14 zu kommen wurde in den vergangenen zwölf Monaten schon lebhaft spekuliert. Ein deutsches Profi-Team könnte eine Perspektive für ambitionierte Spieler bieten und zudem als Leuchtturm in der deutschen Sport-Öffentlichkeit fungieren.
Außerdem könnten die Verbindungen ins französische Rugby, mit Robert Mohr als Manager bei Stade Français, natürlich auch genutzt werden, um deutsche Talente bei den Espoirs (U-21) der Soldats Roses unterzubringen. Sollte sich Dr. Wild bald zudem noch die Southern Kings in Südafrika zulegen, würde der Mäzen über ein ganzes Netzwerk verfügen, dass durchaus zum Wohle des Sportes hierzulande eingesetzt werden könnte.
Eine Perspektive für das deutsche Rugby ist jedenfalls auch denkbar, ohne dass WRA und DRV in einem direkten Verhältnis zueinander stehen. Viel wird vom guten Willen der Beteiligten abhängen. Am Wochenende beim ADRT und Hannover, sowie beim REC-Auftakt in Rumänien dürfte sich bald klar abzeichnen, wie es mit dem Rugbysport in Deutschland weitergeht.
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