Die Europe Championships gehen Anfang des Jahres in die zweite Runde, die Rückspiele versprechen mal wieder, so richtig spannend zu werden. Die deutsche Mannschaft gehört noch immer zu den Schwebekandidaten: Sie hat sich in der Hinrunde nicht ausschließlich mit Ruhm bekleckert, kann sich aber immer noch die WM-Teilnahme in Japan sichern.
2019 könnte zum historischen Höhepunkt der deutschen Rugby-Geschichte werden: Unsere Spieler fassen noch immer den großen Traum ins Visier, zum ersten Mal überhaupt in der 15er-Weltmeisterschaft ihr Können zu zeigen. Dieses Ziel erscheint auf den ersten Blick reichlich ambitioniert, doch es gibt tatsächlich noch eine Chance auf Gelingen. Das Team nahm vom Startjahr an alljährlich an den Europameisterschaften teil, doch den Großteil der Zeit verbrachte es in der 2. Division. Die Saison 2006 / 2008 brachte einen kurzzeitigen Aufstieg, im Jahr 2014 erfolgte dann der zweite gelungene Vorstoß in die Division 1B. Im Jahr 2017 kündigte Bundestrainer Kobus Potgieter das neue, hoch ambitionierte Saisonziel mit mutigen Worten an: »Wir müssen groß denken und unseren Traum leben. Wir wissen, dass es schwer wird, aber wir haben uns dieses Ziel gesetzt.«
Die Rückspiele beginnen am 10. Februar 2018 und folgen derselben Reihenfolge wie die Hinspielrunde. Die deutsche Mannschaft legte in den besagten Hinspielen zunächst zwei Siege vor, völlig überraschend gegen Rumänien und anschließend im Heimspiel gegen Belgien. Beide Triumphe fielen mit 41:38 bzw. 34:29 denkbar knapp aus, und doch machte sich unweigerlich eine gewisse Euphorie breit: Wäre tatsächlich ein glatter Durchmarsch zur Weltmeisterschaft möglich? Die Spanier machten diesen Traum jedoch gründlich zunichte, sie zeigten sich souveräner als gedacht und ließen unser Team mit 15:32 unerwartet alt aussehen. Ereignete sich diese Niederlage noch auf Kölner Boden, so fand die zweite Tragödie im russischen Sotschi statt, wo die russische Mannschaft sehr entschieden agierte und die deutschen Kollegen mit 52:25 stehenließ.
Jetzt steht also dasselbe Ausgangszenario noch einmal an: von Rumänien über Belgien bis nach Spanien und Russland präsentieren sich dieselben entschlossenen Gegner wie zuvor. Bei den ersten drei Partien handelt es sich um Auswärtsspiele, was den Schwierigkeitslevel erfahrungsgemäß anhebt. Das letzte Duell zwischen Deutschland und Russland wird in Offenbach ausgetragen, doch ob der deutsche Heimspielbonus gegen diesen starken Konkurrenten reicht, ist wirklich fraglich. Auf BetStars, einem renommierten Buchmacher, lässt sich anhand der Quoten jetzt bereits jetzt ablesen, dass wir vier spannende Partien zu erwarten haben, die das Prinzip Hoffnung in neuem Licht erscheinen lassen. Ein Blick auf die Punktetabelle offenbart weitere Hindernisse, die dem deutschen Team im Weg stehen: Rumänien mit 15 und Spanien mit 13 Punkten erscheinen aus der Perspektive unserer Mannschaft mit 8 Punkten beinahe unerreichbar fern. Nach Runde 5 wird sich aber nur der Punkte-Gesamtsieger über eine direkte WM-Qualifikation freuen dürfen, während der Zweitplatzierte die Chance erhält, sich im Duell gegen Tschechien oder Portugal auf der Position Europa 2 ein eigenes WM-Ticket zu ergattern. Anschließend würde Samoa auf die deutsche Mannschaft warten, ein routinierter Teilnehmer der Weltmeisterschaft, der bereits auf eine kleine Sammlung von Vorrundensiegen zurückblickt. 2015 gelang dem ozeanischen Team sogar ein recht souveräner Sieg gegen die USA – hervorragende Voraussetzungen also, um einen eventuellen deutschen Gegner fachmännisch in Schach zu halten.
Über eines sind wir uns sicher alle einig: Allein schon eine Zweitplatzierung bei den Europe Championships ließe sich für das deutsche Team als Riesenerfolg werten! Russland zu überholen, das nur einen Punkt vor Deutschland liegt, wäre sicher noch recht leicht denkbar – aber Spanien aus dem Feld zu schlagen, das grenzt beinahe an Utopie. Sicher, Wunder geschehen immer wieder, und genau darum blicken wir weiterhin mit großer Spannung auf die bevorstehenden Spiele, die nicht unbedingt die von allen erwarteten Ergebnisse bringen müssen. Innerlich gewachsen ist das deutsche Team in den letzten Jahren ohnehin, die Spielerfahrung hat deutlich zugenommen, viele Aktionen wirken routinierter als je zuvor. Und doch ließe sich, eine Stufe weiter gedacht, im Rahmen einer WM-Teilnahme kaum mehr erwarten als ein paar tapfere Kämpfe ohne Erfolg. Europa 1 wird dem WM-Pool A angehören, der saftige Konkurrenten wie Schottland und Irland bereithält. Auch Gastgeber Japan zählt zu dieser Auswahl, ebenso wie der noch zu eruierende Playoff-Sieger.
Kampfgeist stellt eine enorm starke Kraft dar, die sich der deutschen Mannschaft in der aktuellen Fassung nicht absprechen lässt. Dieser Antrieb befähigt manchmal zu unerwarteten Siegen und staunenswerten Höchstleistungen. Wir können nur hoffen, dass sich diese innere Kraft ab Februar ganz neu entfaltet und unser ansehnliches Hünen-Team über die doch recht weit entfernte Ziellinie trägt.
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