TR-Update International: England-Wunderkind Smith glänzt auf Twickenhams heiligem Rasen
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 2. Januar 2018
Englands Wunderkind Marcus Smith - selbst mit erst 18 Jahren ist sein Weg als künftiger Spielmacher Englands scheinbar vorgezeichnet.
England-Trainer Eddie Jones kann sich mehr als glücklich schätzen: Mit Owen Farrell (26) und George Ford (24) hat der Trainer der aktuellen Nummer zwei der Weltrangliste ein Überangebot an großartigen Spielmachern zur Verfügung, um das ihn wohl fast alle Coaches im Welt-Rugby beneiden. Doch bald könnte aus dem Überangebot für Jones ein wahrhaftes Dilemma werden, denn ein erst 18-jähriger schickt sich an das berühmte England-Shirt mit der Zehn sein Eigen zu machen. England-Kapitän Hartleys Tage dagegen im Weiß seiner Wahlheimat scheinen gezählt.
Als Johnny Wilkinson 2003 England mit seinem Dropgoal für die Ewigkeit in Sydney zum WM-Titel kickte, saß in Manila ein gerade einmal vier Jahre alter Marcus Smith vor dem Bildschirm - der in der Hauptstadt der Philippinen geborene Sohn eines Engländers und einer Filipina hatte zu diesem Zeitpunkt noch nie einen Rugby-Ball in der Hand gehabt. Dennoch eiferte der Junge von nun an seinem großen Idol „Wilko“ nach und scheint heute, vierzehn Jahre später, geradezu prädestiniert eher früher als später das weiße England-Trikot mit der Zehn auf dem Rücken zu übernehmen.
Erst als Smith mit seiner Familie nach Singapur zog ergab sich für den damals siebenjährigen Schüler die Möglichkeit Vereins-Rugby zu spielen - und im Alter von 13 Jahren lebte Smith schlussendlich erstmals in England und schaffte es innerhalb kürzester Zeit über ein Sichtungs-Training in die berühmte Harlequins-Akademie. In dieser reifte Smith in den vergangenen Jahren zu einem hochtalentierten Verbinder heran, dessen Stärke neben seinem überragenden Pass- und Kickspiel, sowie seiner Schnelligkeit vor allem in seiner Spiel-Übersicht liegt. Dazu ist der nur 1,75 m große und 82 kg schwere Smith ein für seine Statur überragender Verteidiger.
Überragende Übersicht und Geschwindigkeit: England-Hoffnung Smith
In der Vorbereitung zu dieser Saison konnte Smith in der von der Premiership erst vor wenigen Jahren eingeführten Siebener-Serie der englischen Erstligisten zum ersten Mal so richtig von sich reden machen und erhielt folgerichtig seinen ersten Vollzeit-Akademie-Vertrag. Smith sollte jedoch viel früher als von irgendjemanden prognostiziert den Sprung in die erste Mannschaft des Londoner Traditions-Klubs schaffen.
Als sich früh in der Saison nacheinander die beiden gesetzten Verbinder Demetri Catrakilis und Tim Swiel verletzten erinnerte sich Harlequins-Coach Kingston an den Nachwuchs-Mann aus der Akademie, es schlug die Stunde von Marcus Smith. Ausgerechnet im Londoner Derby gegen Irish im englischen Rugby-Tempel Twickenham gab Marcus Smith sein Debüt und schien von Beginn an bereit für die große Bühne.
Nur zwei Wochen später führte Smith seine Quins mit einer Man of the Match Performance zum einem weiteren Sieg, nach welchem er sozusagen als Azubi in den England-Kader für die November-Internationale nominiert wurde. Vorerst sei Smith zwar noch keine Option so Englands Nationaltrainer Eddie Jones, doch dessen rapide Entwicklung wolle man aber mit seiner Präsenz im England-Camp nun noch mehr beschleunigen.
Zum Neujahr packte der immer noch erst 18-jährige einmal mehr ein spielerisches Feuerwerk aus - und das in seinem erst zehnten Premiership-Spiel bei den Senioren. Vor 78.000 Zuschauern im pickepackevollen Twickenham Stadium zog er die Fäden beim 50:21 Sieg seiner Quins über Northampton. Zwei überragende Pässe, mit viel Übersicht gespielt, wurden zu direkten Assists. Gerade der Pass auf Tim Visser wird wohl auch am Ende der Premiership Saison als eines der Highlights dastehen. Dazu zeigte Smith auch, dass er defensiv auf diesem Niveau nicht exponiert wird - den heranstürmenden 1,91 m und 100 kg plus Northampton-Innen Luther Burrell brachte er mehrmals ohne größere Probleme zu Boden.
Dieser Pass fasste Smiths Leistung vor 80.000 zusammen: Mit kühlem Kopf und Übersicht
Sein Trainer bei den Quins John Kingston versuchte nach dem nächsten großartigen Spiel seines Schützlings die Euphorie in Grenzen zu halten und attestierte ihm öffentlich noch nicht weit genug zu sein, um für England zu spielen. In den kommenden Wochen werden man ihm, wenn die beiden Südafrika-Zehner Swiel und Catrakilis wieder fit sind, auch Mal eine Auszeit gönnen.
Bei den Quins wird man sich glücklich schätzen einen solchen Rohdiamanten im Kader zu haben, der realistisch noch mindestens 15 Jahre Rugby auf allerhöchstem Niveau spielen könnte. Die prominenten Stimmen, die für ein schnelles England-Debüt plädieren, werden mehr. Doch gleichwohl sollte man nicht vergessen, bei der übernächsten WM in Frankreich 2023 dürfte Smith mit 24 im Normalfall immer noch nicht auf seinem Leistungszenit sein.
Genau auf der anderen Seite des Zenits angekommen scheint dagegen Englands Kapitän Dylan Hartley - dieser fiel im gleichen Spiel auf der Gegenseite selbst in einer untergehenden Northampton-Mannschaft noch einmal ab. Der für seine aggressive Verteidigung gepriesene Hakler verpasste in nur knapp 60 Minuten Spielzeit ganze sechs Tackles und das vor den Augen vom anwesenden England-Coach Eddie Jones.
Mit weiteren Leistungen, wie dieser, dürfte nicht nur Hartleys Kapitäns-Amt in Gefahr sein - auch sein Startplatz dürfte vor jüngeren Rivalen nicht sicher sein. Schon im vergangenen Sommer hatten die Lions Coaches Hartley für die Neuseeland-Tour gar nicht erst berücksichtigt und stattdessen seinen vermeintlichen England Back-Up Jamie George mitgenommen.