Der Sieg über den haushohen Favoriten Rumänien im Februar ist für uns eines der Highlights des Jahres.
Das heute zu Ende gehende Jahr 2017 war trotz aller Querelen ein großartiges für das deutsche Rugby. Ein Highlight reihte sich an das nächste für Rugby-Fans hierzulande. Wir haben euch heute noch Mal die fünf größten Highlights des Rugby-Jahres aus deutscher Sicht zusammengestellt.
Deutschlands sensationeller Sieg gegen den achtfachen WM-Teilnehmer Rumänien
Das Rugby-Jahr begann mit einem DRV-XV-Spiel, das die Rugby-Welt aufhorchen ließ - sensationell, historisch, einmalig - nach dem großartigen 41:38 Sieg im Thriller von Offenbach überschlug sich Rugby-Deutschland förmlich. Und tatsächlich, es war wohl der größte Sieg des DRV-Flagschiffs in der jüngeren Vergangenheit.
Mit 18 Punkten im Rückstand und weniger als einer Viertelstunde zu spielen war die deutsche Mannschaft tot und am Boden. Niemand, ob im Stadion oder an den Schirmen bei Sport 1, hätte wohl auch nur einen Pfifferling auf die deutsche Fünfzehn gegeben. Doch anders als in den vorherigen Jahren hatte Coach Kobus Potgieter mit der Arbeit an der Tiefe des Kaders Alternativen auf der Bank. Mit der Einwechslung von Chris Hilsenbeck, Sean Armstrong und Samy Füchsel erlangte das deutsche Spiel einiges mehr an Dynamik.
Was folgte waren Fünfzehn Minuten für die deutschen Rugby-Geschichtsbücher: Mit zwei unwiderstehlichen Paketen, die jeweils von Hakler Dash Barber über die Linie getragen wurden brachte sich die DRV XV in Schlagdistanz. Die gut 3.000 Zuschauer waren nun plötzlich voll da und peitschten ihre Jungs nach vorne. Der deutsche Druck ließ nicht nach und nach unzähligen Phasen auf der Linie wurde das Leder von Gedrängehalb Sean Armstrong nach außen gefeuert, wo Schluss Marcel Coetzee nur noch einlaufen musste. Der Bieberer Berg bebte und das erstmals im Jubel über einen Versuch.
Der dramatische letzte Versuch von Marcel Coetzee in Offenbach
Doch noch war das Spiel nicht gelaufen - drei Minuten waren noch auf der Uhr und Rumänien kam noch einmal. Die „Eichen“, wie die traditionell sturmstarken Rumänen genannt werden, arbeiteten sich bis an die deutsche 22 heran. Tatsächlich konnte sich der Gast einen Straftritt in mittiger Position erarbeiten - der Kick hätten den sicheren Ausgleich zum 41:41 bedeutet, doch Rumänien wollte mehr und platzierte den Straftritt an der Eckfahne. Deutschland musste sich auf ein kraftvolles Paket der Rumänen einstellen, jedoch kam es nie dazu: Jarrid Els gelang es tatsächlich die Gasse abzufangen.
Der Jubel war riesig und die DRV XV hatte tatsächlich historisches vollbracht. Welche Leistung dieser Sieg im Auftaktspiel im Endeffekt war, sollte sich im weiteren Verlauf der Rugby Europe Championship zeigen: Kein anderes Team sollten den späteren Sieger Rumänien bezwingen, nicht einmal Europameister Georgien. Doch leider erlitt die DRV XV gegen Spanien eine bittere Niederlage, mit der sich die Chancen auf eine WM-Quali erheblich verschlechterten. Was jedoch nichts von der historischen Leistung von Offenbach nimmt.
Unsere Siebener-Jungs packen das Finale der Hongkong 7s
Anfang April gab es bereits das zweite Blockbuster-Event aus deutscher Sicht. Unsere DRV VII nahm nach intensiver Vorbereitung - ein unerbittliches Trainingscamp auf Fiji, gefolgt von einem knüppelharten Turnier im Siebener-Mekka des Olympiasiegers, sowie Turniere in Südafrika und Vegas - den zweiten Anlauf auf die Sevens World Series.
Es folgten eine nicht minder intensive Vorbereitungs-Woche in Hongkong, der Millionen-Metropole in der wohl wo sonst nirgends das Siebener derart zelebriert wird, sowie drei kraftraubende Turnier-Tage im atemberaubenden Hong Kong Stadium. Zwischen hunderten Wolkenkratzern und einem steilen Berghang eingepfercht, ist das Stadion mit seinen steilen Rängen ein absoluter Hexenkessel mit knapp 50.000 Zuschauern an allen drei Tagen.
Zu unchristlichen Zeiten stellten sich tausende deutsche Rugby-Fans den Wecker, um den Fortschritt ihrer Jungs beim wichtigsten Siebener-Turnier der Welt zu verfolgen. Diese sollten ihre Hoffnungen nicht enttäuschen - die Gruppenphase überstand die von Pierre Mathurin angeführte Sieben mit souveränen Siegen über Jamaika und Uganda, sowie einem unnötig knappen 24:21 über Tonga.
Die Nerven der deutschen Fans daheim und vor Ort wurden erstmals im Viertelfinale des Turniers am Samstag Abend stark strapaziert. Unter Flutlicht und mit 98% des Stadions auf Seiten der Gastgeber mussten es unsere Jungs mit Gastgeber Hongkong aufnehmen. Deutschland gelang dabei früh die Führung, als ein starker Hit von Max Calitz den Turnover provozierte, Spielmacher Mathurin schnell auf Sebastian Fromm ablegte und der mit einem 50-Meter-Sprint in der Ecke vollendete.
Was für ein Finish - Basti Himmer holt mit seinem epischen Sprint in letzter Sekunde den Sieg
Doch Hongkong kam in der zweiten Hälfte unter dem ohrenbetäubenden Lärm der über 40.000 noch einmal zurückkam. Erst erfolgte der Ausgleich zum 7:7 mit nur noch einer Minute auf der Uhr und die danach folgende Druckphase der Heim-Mannschaft ließen viele Fans daheim fast resignieren - doch als Hongkongs Jamie Hood den Ball zum Chip&Chase nach vorne kickte und der eingewechselte Bastian Himmer bei abgelaufener Uhr unter dem Druck von Hood an der eigenen Mallinie klärte, war der Ball wieder bei unseren in Schwarz spielenden Jungs.
Zwei drei schnelle Phasen und als einer der Hongkong-Spieler um das deutsche Ruck herumkam und vom Schiri gerechterweise zurückgepfiffen wurde, kam die große Stunde von Basti Himmer. Der Hannoveraner RGH-Speedster kratzte den Ball an der eigenen 22 an und setzte zu einem epischen Sprint an, der in bis ins Malfeld Hongkongs bringen sollte. Unter den Buhrufen der Heim-Fans legte Himmer ab und Deutschland hatte dieses hochdramatische Spiel tatsächlich gewinnen können.
Das Halbfinale am Sonntag morgen gegen Chile war dann zur Erleichterung vieler Fans daheim eine deutlichere Angelegenheit. Held dieses Spiels wurde Max Calitz - der sympathische Deutsch-Südafrikaner mit Leipziger Mutter bewies einmal mehr, dass er auf dem Feld ein absolutes Monster ist. Der von Geburt an auf einem Auge erblindete 1,96 Hüne hatte sich gegen Hongkong am Vorabend ein blaues Auge epischen Ausmaßes gefangen - die Schwellung hinderte ihn stark auf seinem gesunden Auge, er spielte fast im Blindflug. Es sollte ihn allerdings nicht daran hindern Chile fast im Alleingang auseinanderzunehmen. Zwei Solo-Versuche und die typischen krachenden Calitz-Hits.
Am Ende war es ein sicheres 19:7 mit dem sich die DRV VII einen Platz im Finale buchen konnte. Dort wartete mit Spanien ein alter Bekannter. Unsere Jungs ließen sich gegen die favorisierten Spanier allerdings nicht einschüchtern und übernahmen schnell selbst das Zepter. Eine sichere Defensive, sowie ein Weltklasse-Offload von Fabian Heimpel auf Sebastian Fromm sicherten der deutschen Sieben die 7:0 Pausenführung.
Die kraftraubenden Spiele, vor allem gegen Hongkong am Vorabend, begannen nun aber die Beine der deutschen Jungs schwer werden zu lassen. Spanien hatte den deutlich einfacheren Weg ins Finale gehabt mit einigen extrem einseitigen Spielen. So kamen die Iberer mehr und mehr ins Spiel. Ein Offload aus unmöglicher Position von Pol Pla besiegelte schließlich das Schicksal unserer Jungs - Spanien zog mit dem 12:7 in die World Series ein. Aus deutscher Sicht bleibt zu hoffen, dass nach Platz drei im Vorjahr, Platz zwei in diesem Jahr bei den Hong Kong Sevens 2018 der logische letzte Schritt folgt. Unsere Jungs gehören auf die World Series!
Der tolle Versuch von Sebi Fromm im Finale war am Ende zu wenig
HRK holt sich den Titel vom TVP in dramatischen Berliner Finale zurück
Ende Juni wurden gut 1.600 Zuschauer in der Berliner Buschallee Zeuge, wie sich der Klub den Meister-Titel von den Pforzheimer Rhinos zurückholte. In einem hochdramatischen Spiel vor großartiger Kulisse, gerade angesichts der Tatsache, dass der Gastgeber RK 03 Berlin nicht selbst vertreten war, kamen die Zuschauer bei sommerlichen Temperaturen voll auf ihre Kosten. Ein ganz früher Versuch von Jaco Otto nach versemmeltem ersten Ankick des Titelverteidigers ließ eine einseitige Partie befürchten - doch zum Glück fingen sich die Pforzheimer. Mit einem großartigen Sprung konnte ausgerechnet Pforzheims 110 kg schwerer Tonga-Hakler Magele einen hohen Ball spektakulär aus der Luft pflücken und zum Anschluss ablegen. Weitere Versuche auf spektakuläre Versuche auf beiden Seiten und es ging mit 18:15 in die Pause.
Die zweite hochdramatische Hälfte wurde dann zu einem Kampf mit offenem Visier: Das Spiel entwickelte sich von Malfeld zu Malfeld, schwang wie ein Pendel hin und her, als sich der Klub eine Viertelstunde vor Schluss erstmals mit mehr als zwei Versuchen absetzen konnte, schien der Drops allerdings endgültig gelutscht. Pforzheim kam jedoch zur Überraschung vieler noch einmal - eine minutenlange Belagerung des Klub-Malfelds, der sich zahlreichen Regelverstößen und bravuröser Verteidigung retten konnte führte nicht zum erhofften Versuch. Eine gelbe Karte für Spielmacher Parkinson nach wiederholten Vergehen seiner Mannschaft machte die Schlussminuten noch einmal spannend.
Erst als sich der HRK mit einem 22-Dropout, nachdem Manasah Sita beim Ablegen im Malfeld die Dead-Ball-Linie gestriffen hatte, befreien konnte, sorgte der direkte Konter für den Anschluss durch Trent Winterstein für den Pforzheim-Anschluss. Die in blau spielenden Klub-Recken wehrten aber auch den darauf folgenden letzten Rhinos-Sturmlauf ab und siegten schlussendlich mit 39:35. Der Jubel beim Klub kannte keine Grenzen - beim HRK sah man sich zurück an angestammter Stelle, der Spitze der deutschen Rugby-Klubs.
Deutschlands Rugby-Damen sind im Kommen: Siebener-Mädels gelang GPS-Rückkehr, die DRF XV etabliert sich zusehends
Totgeglaubte leben länger - so oder so ähnlich könnte man das Jahr der deutschen Rugby Frauen zusammenfassen. Neben den beiden Fünfzehner-Länderspielen gegen die British Army, die das Comeback der DRF XV fortführen, war es vor allem ein Highlight, das alles andere überstrahlte: Die Siebener-Mädels von Coach Melvine Smith haben den Wiederaufstieg in Europas Elite geschafft. Zwei zweite Plätze bei den beiden EM-Turnieren im tschechischen Ostrava und dem ungarischen Esztergom bedeuteten den Wiederaufstieg nach zweijähriger Abstinenz unter die Top Zwölf Europas zusammen mit den Schottinnen.
Dabei war es beim zweiten der beiden EM-Turniere in Ungarn noch einmal eng geworden - nach einem souveränen Gruppensieg erwartete jeder das entscheidende Spiel im Halbfinale gegen den direkten Ukraine und übersah den Viertelfinalgegner Finnland. Selbst Coach Smith kreidete sich selbst an das Spiel gegen spielerische limitierte Finninnen eventuell zu sehr auf die leichte Schulter genommen zu haben. Doch mit einem Herzschlagspiel und einem am Ende auch etwas glücklichen 15:14 schaffte es die deutsche Sieben in das entscheidende Spiel gegen die Ukraine um den Einzug in die Grand-Prix-Serie zu erreichen.
Im Halbfinale gegen die Ukraine ließen die deutschen Mädels um Kapitänin Steffi Gruber dann nichts mehr anbrennen und sicherten sich beim 17:7 den langersehnten Erfolg. Die wohlverdiente Abkühlung in der Donau sowie Feierlichkeiten bis in die Morgenstunden - die harte Arbeit der ersten Jahreshälfte unter widrigen Bedingungen fand einen krönenden Abschluss in Ungarn.
Bei den DHL Oktoberfest 7s trifft sich die Siebener-Weltelite erstmals in Deutschland
Als am Montag vor Turnierstart Australien, angeführt von World-Series-Superstar „James Chucky“ Stannard, am Münchner Flughafen landete, wurde ein langgehegter Traum endlich Realität: Die Siebener-Weltelite traf sich in München und die Augen der Rugby-Welt richteten sich erstmals geballt auf Deutschland. In den nächsten 48 Stunden sollten unter anderem die besten Siebener-Asse Südafrikas, Fidschis, Frankreichs, Englands, Irlands und Argentiniens in München eintreffen.
Bereits die Woche vor dem Turnier brachte dem deutschen Rugby dermaßen viel Aufmerksamkeit, wie man es hierzulande eigentlich nicht für möglich gehalten hätte. Die Süddeutsche Zeitung berichtete Tag für Tag, nicht nur über das Turnier und die eintreffenden Mannschaften, sondern auch über lokale bayerische Vereine und die Rugby-Vergangenheit eines gewissen FC Bayern, beim übertragenden Sender Sport 1 waren Tag für Tag deutsche Siebener-Asse auf dem Schirm zu sehen und als die zwölf Kapitäne zum Foto-Termin auf der Wiesn unterwegs waren drehte sich so manch ein unbedachter Oktoberfest-Gast nach den feschen Kerlen in Krachlederner und hautengem Rugby-Trikot um.
Der wohl spektakulärste Versuch des Turniers - Maurice Longbottom lässt Frankreichs Mannschaft extrem alt aussehen
Das Turnier selbst war ein voller Erfolg - 16 Stunden Rugby Live im deutschen Fernsehen, gut 20.000 Zuschauer an Tag zwei im Olympiastadion und Bilder, die um die Welt gingen. Neben den Live-Übertragungen von Fidschi, über Australien bis nach Südafrika sahen Millionen in den sozialen Medien, wie mit Maurice Longbottom einer neuer Star der Szene entdeckt wurde. Allein das Video des überragenden Solo-Versuchs des nur 1,70 großen Wirbelwinds aus Down Under erreichte auf den World-Rugby-Kanälen in den sozialen Medien siebenstellige Klick-Zahlen.
Aber auch die deutsche Mannschaft wusste zu überzeugen und immer wenn die deutschen Jungs den Rasen des altehrwürdigen Olympiastadions in München betrat erreichte die sowieso schon großartige Stimmung den Siedepunkt. Eine unnötige Viertelfinal-Pleite gegen England verhinderte leider den ganz großen Wurf - doch Siege über die in voller Stärke angetretenen World-Series-Teams Frankreich und Argentinien waren Beweis genug: Unsere Siebener-Jungs können mit der absoluten Weltspitze mithalten!
Unerwartet zum Star der Oktoberfest 7s wurde TSV-Handschuhsheim Prop Markus Bender. Der stämmige Löwe hatte in einer Spielpause nach der einen oder anderen Maß beim Dropgoat-Wettbebwerb erst das Gleichgewicht verloren und mit einem Comeback für die Ewigkeit in Erster-Reihe-Manier die Murmel zwischen die Stangen gejagt. Das Video erreichte bei World Rugby Facebook, Instagram und Twitter eine halbe Million Klicks. Markus Bender Superstar!