Sehen wir Ma\'a Nonu bei der nächsen WM etwa im Trikot Samoas?
Ma’a Nonu, Victor Vito, Charles Piutau, Frank Halai und Jerome Kaino - allesamt ehemalige und aktive All Blacks mit Wurzeln auf den Pazifik-Inseln Samoa oder Tonga. Und allesamt fordern sie in den vergangenen Tagen in einem öffentlichen Appell an World Rugby die Lockerung der erst kürzlich verschärften Regelungen zur Spielberechtigung. Den prominenten Neuseeland-Stars zufolge sollte unser Sport dem Vorbild von Rugby League folgen und es Spielern erlauben für mehr als eine Nationalmannschaft im Leben aufzulaufen. Konkret sollen Spieler, die bereits für eines der zehn besten Teams der Welt (Tier 1 Teams) - die Six-Nations- und Rugby-Championship-Mannschaften - aufgelaufen sind, später einmal für eine „zweitklassige“ Mannschaft auflaufen können.
Das würde theoretisch auch unsere DRV XV betreffen. Ein prominenter Fall wurde erst vor wenigen Wochen publik und hatte in deutschen Rugby-Kreisen für Aufsehen gesorgt: Englands Ex-Verbinder Toby Flood hatte in einem Interview sein Interesse daran geäußert, einmal für Deutschland aufzulaufen. Mit einer deutschen Mutter wäre er grundsätzlich für Deutschland spielberechtigt - jedoch hat er dieses Recht nach aktueller Regelung mit seinem ersten Einsatz für eine Senioren-Mannschaft Englands (dabei zählen Siebener oder Fünfzehner) verwirkt. Eine Regel-Novelle, wie von nun öffentlich gefordert würde dies ändern. Nachdem bereits das sogenannte Olympia-Schlupfloch die Tür in Richtung Zweit-Nationalmannschaft geöffnet hatte, würde das Credo ein Spieler kann nur für eine Nationalmannschaft auflaufen endgültig über Bord geworfen.
Das Argument: Eine spannendere WM
Das Argument der öffentlich appellierenden All Blacks: Mit einer solchen Änderung würden die sonst strukturell benachteiligten Teams von den Pazifik-Inseln einen Schub erhalten und das internationale Rugby spannender machen. Niemand sei an einer WM interessiert, bei der nur England und Neuseeland realistische Chancen auf den Titel hätten. Das Vorbild ist die erst an diesem Wochenende abgeschlossene Rugby-League-WM, bei der Tonga die absolut positive Überraschung war.
Noch bei der letzten Ausgabe war die kleine Pazifik-Nation absolut chancenlos im Wettbewerb. Dieses Mal mussten sich die Insulaner erst im Halbfinale England geschlagen geben und das in einem verdammt engen Spiel. Dabei hatte Tonga von einigen prominenten Überläufern profitiert: Erst kurz vor dem Turnier hatte sich beispielsweise Australiens Superstar Andrew Fifita trotz Nominierung für die australischen Kangoroos, für die er seit 2013 aufgelaufen war, dazu entschieden für die Heimat seiner Familie aufzulaufen.
Den Anstoß für die aktuelle Debatte in Union-Kreisen hatte der künftig bestbezahlte Spieler der Welt, Charles Piutau, gegeben, der sich gegenüber der Daily Mail wie folgt äußerte: “Wenn wir dem League-Modell folgen, wäre dies ein massiver Schub für die Teams von den Pazifik-Inseln. Der Wettbewerb weltweit wäre deutlich intensiver - momentan wird so viel Talent verschwendet.“ Piutau hatte vor seinem Wechsel nach Europa keine Chance für sich im Neuseeland-Team gesehen und ironischerweise erst nach seiner Unterschrift bei den Wasps regelmäßig Einsätze im mystischen schwarzen All-Blacks-Trikot erhalten.
Victor Vito, La Rochelles kraftvolle Nummer acht pflichtete seinen Ex-Kollegen bei den All Blacks bei: “Ich habe mein Handwerkszeugs bei den All Blacks gelernt. Natürlich würde ich niemandem diese Chance mit Samoa nehmen wollen, der es verdient. Aber ich würde verdammt gerne für Samoa spielen.“ Ma’a Nonu und Steven Luatua haben sich nun ebenso bereit erklärt für Samoa aufzulaufen. Mit derart prominenter Unterstützung wäre den Insulanern bei der nächsten WM tatsächlich deutlich mehr zuzutrauen als der enttäuschende vierte Gruppenplatz 2015 in England. Der insolvente Verband könnte einen derartigen Schub definitiv gebrauchen - zumal sich mit so prominenten Gesichtern, wie dem eines Ma’a Nonu eventuell auch Sponsoren anziehen ließen.
Widerstände von Australien, England und NZ wären wahrscheinlich
Tongas Gruppengegner bei der nächsten WM, England mit seinem mächtigen Verband im Rücken, dürfte allerdings etwas gegen eine solche Lockerung haben. Außerdem könnte sich mit einer solchen Regelung ein wahrer Markt für Spieler auf internationaler Ebene entwickeln. Denn nicht wenige Spieler sind heutzutage für gleich mehrere Nationen spielberechtigt. Auch Neuseelands Verband dürfte ebenso skeptisch sein - für aktuelle All Blacks würde der Anreiz in Europa exorbitant mehr zu verdienen noch mehr steigen, wenn damit nicht das Ende der internationalen Karriere verbunden wäre.
Profitieren würden eindeutig vor allem die drei Pazifik-Teams - alle drei haben riesige Einwanderer-Gemeinden in Neuseeland und Australien. Denn auch Wallabies-Superstars wie Lote Tuquiri, George Smith und Israel Folau wären nach dieser Regelung für die Pazifik-Teams spielberechtigt. Die Widerstände dürften bei World Rugby also enorm sein - lediglich öffentlicher Druck und eine geschlossene Front der Tier-2-Nationen könnte daran was ändern. Doch angesichts der vielen Insel-Talente, die lieber für die prestigeträchtigen Großmächte auflaufen - hier seien nur Waisaki Naholo, Tevita Kuridrani oder eben Israel Folau genannt - würde hier ein ausgeglicheneres Spielfeld hergestellt. Auch wenn die Insel-Teams bereits jetzt von den großen Einwanderer-Gemeinden profitieren und zahlreiche in Neuseeland oder Australien geborene Spieler aufstellen. Andere Tier-2-Mannschaften und auch die DRV XV dürften deutlich seltener profitieren.
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