Der Konflikt um das Länderspiel der DRV XV schwelt weiter.
Der Streit zwischen den boykottierenden Spielern und ihrem Arbeitgeber Wild Rugby Akademie auf der einen, sowie dem DRV auf der anderen Seite setzt sich unvermindert fort. Die neuesten Entwicklungen: Eine weitere Erklärung von Spielerseite sowie die Formierung eines Last-Minute-Teams durch den DRV. Was sich aber in den letzten 48 Stunden nach und nach herauskristallisiert hat: Dieser Boykott - ob nun allein durch die Spieler selbst initiiert oder wie per WRA-Pressemitteilung verkündet eine Entscheidung von Dr. Wild sein GFR-Personal dem DRV nicht mehr zur Verfügung zu stellen - hat die Atmosphäre vergiftet. Trotz zum Teil legitimer Anliegen von Spielerseite: Die Fronten im deutschen Rugby wurden dadurch ein weiteres Mal verhärtet und dem deutschen Rugby wurden irreparable Schäden zugefügt, die über Jahre hinweg Auswirkungen haben dürften.
Am gestrigen Abend legten die boykottierenden Spieler über ihre privaten Social-Media-Kanäle noch einmal nach und bekräftigten ihren Standpunkt. Ein gutes Dutzend Spieler postete eine vorgefasste Erklärung mit einem einheitlichen Foto - in dieser Erklärung wurden drei Haupt-Anliegen formuliert und hervorgehoben:
- „Verbesserung der Kommunikation zwischen der 15er Nationalmannschaft und dem DRV - Die Zukunft des deutschen Rugbys und ein “Plan B” - Vorbereitung des Teams inklusive der medizinischen Abteilung und Priorität des 15er Programms“
Allesamt legitime Anliegen, denen wir uns weitestgehend anschließen können. Die sehr späten Nominierung für die November-Serie durch den DRV, auch bedingt durch die Last-Minute-Einigung über die Abstellung des WRA-Trainer-Teams, hat bei den Spielern sicher für viel Verunsicherung gesorgt. Zumal für zahlreiche Spieler, die beispielsweise ihren Lebensmittelpunkt von Südafrika nach Heidelberg verlegt haben, noch so viel mehr auf dem Spiel steht. Der DRV kann den WRA-Spielern mit seinen momentanen Mitteln kein derartiges professionelles Umfeld bieten, weshalb das Wild-Titans-Setup so wichtig war in der Vorbereitung. Sicherlich hätte dies von Seiten des Verbandes besser öffentlich kommuniziert werden müssen - genauso hätte der Verband auch besser mit dem Titans-Setup zusammenarbeiten müssen.
In der gleichen Erklärung heißt es allerdings weiter: „Anstatt Zeit und Kraft in die Lösung der Gesamtproblematik zu investieren, wurde lieber ein schneller Plan gefasst das Team zu ersetzen.“ Diese Kritik wiederum ist so keinesfalls nachzuvollziehen. Zum einen, da von Seiten der WRA und Dr. Wild öffentlich sowie in einer Mail an den DRV-Vorstand kategorisch klargestellt wurde: Die Spieler der GFR stehen dem DRV von nun an nicht mehr zur Verfügung. Somit war der DRV gezwungen eine Mannschaft ohne GFR-Spieler zusammenzustellen. Doch selbst wenn man über diesen Aspekt hinwegsieht - In der ersten Erklärung vom Dienstag hatten sich die Spieler noch wie folgt zitieren lassen:
„Wir fordern, dass sich der Verband nachhaltig ändert und bis Samstag erste richtungsweisende Ӓnderungen vollzieht. Die Verantwortlichen müssen für die Zukunftssicherung der 15er Nationalmannschaft auf dem aktuell hohen Niveau entsprechende Maβnahmen vorlegen oder Ӓnderungen im Vorstand vollziehen, damit diese Programme geschaffen werden“
Dass der DRV innerhalb von 72 Stunden bis zum Spiel und keine 48 Stunden vor dem Abschlusstraining diese nicht näher spezifizierten Forderung nach „nachhaltigen Änderungen“ sicher nicht zur Zufriedenheit der boykottierenden Spieler hätte umsetzen können, lag in der Natur der Sache. Also ging es in der ersten Erklärung schlicht um „Änderungen im Vorstand“ - de facto hatten die Spieler in aller Öffentlichkeit die Köpfe des gesamten DRV-Vorstands gefordert. Flankiert wurde diese Forderung durch eine spätere WRA-Pressemeldung, in der Dr. Hans-Peter Wild selbst in Boulevard-Presse-Manier behauptete, dass sich eben jener ehrenamtliche DRV-Vorstand die Taschen voll mache.
Die Aufstellung einer Not-Fünfzehn mag von den Streikenden als Affront wahrgenommen worden sein, aber er wendete kurzfristig riesigen Schaden vom deutschen Rugby ab. Ein Nicht-Antreten hätte drastische Konsequenzen vom Weltverband World Rugby sowie den DRV-Sponsoren zur Folge gehabt. Ganz zu schweigen von der Verärgerung der bisherigen Ticket-Käufer. WRA-Geschäftsführer Robert Mohr hatte am Mittwoch in einem Radio-Interview, als er auf die enttäuschten Fans angesprochen wurde noch betont, dass ja jeder dieser Ticket-Käufer hätte über den schwelenden Konflikt Bescheid wissen müssen und so insinuiert: Euer Pech, wenn ihr nur eine B-Fünfzehn zu sehen bekommt.
Die Spieler haben in ihrer gestrigen Erklärung ein wenig mehr Verständnis für die Fans als der WRA-Manager bewiesen und sich bei denjenigen, die durch diese Entscheidung enttäuscht worden sind, entschuldigt. Weiterhin heißt es in der gestrigen Erklärung: „Es ist nicht unsere Intention das Image des deutschen Rugbysports zu beschädigen oder Fans zu bestrafen.“ Dennoch geschieht beides und speziell der Schaden für den deutschen Rugbysport und seinen Ruf ist immens und das auf absehbare Zeit.
Der Schaden für das deutsche Rugby ist immens
Für potenzielle Sponsoren sind derartige Vorgänge, wie der Spieler-Streik eine absolute Horror-Vorstellung - der Wettbewerb um mögliche Geldgeber zwischen verschiedenen Sport-Mannschaften und Veranstaltungen, die nicht gerade mit dem höherklassigen Fußball in Verbindung stehen, ist brutal. Dem DRV wurden damit für Gespräche mit potenziellen Geldgebern, national wie international, über Jahre hinweg Steine in den Weg gelegt. Neben zahlreichen bundesweiten Meldungen in den überregionalen Medien, hat es die Nachricht vom Spielerstreik bis in die australische, südafrikanische und englische Presse geschafft.
Warum sollte ein Sponsor sich mit einem Verband assoziieren, der nicht einmal garantieren kann, dass bei einem Heimspiel die beste Fünfzehn aufläuft? World Rugby wiederum dürfte seine Förder-Pläne für das deutsche Rugby überdenken bzw. hat dies bereits getan. Eine vom Weltverband finanzierte Nordamerika-Tour im kommenden Sommer mit Spielen gegen die USA und Kanada, so ist aus gut informierter Quelle zu hören, ist bereits das erste prominente Opfer dieses Streiks. Die Tatsache, dass die Spieler ihre Forderungen zugleich auch in englischer Sprache an einen großen internationalen Presse-Verteiler geschickt haben, um sicherzustellen, dass dieser Konflikt so öffentlich wie möglich ausgetragen wird, war insofern sicherlich nicht hilfreich. Der immense Image-Schaden, der durch diesen öffentlichen Konflikt ohne Präzedenz entstanden ist, wird der Entwicklung des deutschen Rugbysports über Jahre im Weg stehen. Das haben die Spieler zumindest billigend in Kauf genommen.
Die Rolle der WRA bei all dem bleibt nebulös. Auf Nachfrage, ob es sich nun um einen Spieler-Boykott oder ein Zurückziehen des GFR-Personals handelt, wie in einer Pressemitteilung durch Dr. Wild selbst bestätigt, erhielten wir bis dato noch keine Antwort. Dass potenzielle Sponsoren künftig durch die Vorgänge der letzten Tage abgeschreckt werden könnten, dürfte sich sicherlich nicht negativ auf die Verhandlungsposition der WRA dem DRV gegenüber auswirken. Umso mehr stellt sich die Frage: Auf wessen Initiative begann dieser „Streik“? Noch am Samstag hatte Kapitän Sean Armstrong den Medienvertretern in Wiesbaden vor laufender Kamera versichert, dass man auf jeden Fall spielen werde und dass es eine „Ehre“ sei das Trikot mit dem Adler überzustreifen. Was sich seitdem signifikant geändert hat, wurde uns nicht näher erläutert.
Die „Helden von Offenbach“ sehen sich Anfeindungen ausgesetzt
Absolut inakzeptabel sind nach unserem Dafürhalten die Anfeindungen gegenüber denjenigen Spielern, die mit ihrer Bereitschaft morgen in Offenbach aufzulaufen, noch größeren Schaden vom deutschen Rugby abwenden. Während sich in der Rugby-Community der Hashtag „Helden von Offenbach“ verbreitete, mussten sich etliche Spieler in den sozialen Medien öffentlich als „hinterhältig“, „Verräter“ und sonstiges brandmarken lassen. Diese Kommentare stammten jeweils aus dem näheren Umfeld der Streikenden. Hinter den Kulissen wiederum wurde, so ist uns aus mehreren Quellen bestätigt worden, durch einige der Streikenden selbst Druck ausgeübt. Kein Wunder, dass mehrere Spieler, die am Dienstag und Mittwoch eigentlich ihre Bereitschaft zu spielen erklärt hatten, kurzfristig mit fadenscheinigen Begründungen abgesagt haben.
Sicherlich stehen nicht alle Boykottierenden hinter derartigen Anfeindungen - doch die Atmosphäre im deutschen Rugby dürfte nun auf absehbare Zeit belastet sein. Es wäre daher ein versöhnliches Zeichen und ein Beweis dafür, dass der Rugbyspirit auch hierzulande noch existiert, wenn die Streikenden am Samstag im Offenbacher Stadion zugegen wären, um die DRV XV zu unterstützen. Immerhin handelt es sich um ehemalige Mitspieler und Weggefährten, sowie zum Teil aktuelle Vereinskollegen. Zahlreichere ihrer Siebener-Kollegen haben es ihnen in Wiesbaden vorgemacht, als sie bis tief in die Nacht bei Temperaturen um den Gefrierpunkt das Stadion herrichteten. Von ihren Forderungen, die wir zum Großteil nachvollziehen können, müssen sie deshalb ja nicht abrücken. Aber es wäre ein Beweis dafür, dass es am Ende allen um das gleiche geht: Das Wohl des deutschen Rugbysports.
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