TR-Update International: Die Weltspitze rückt enger zusammen, Kontroverse in Cardiff, DRV-XV-Gegner
Geschrieben von TotalRugby Team
Dienstag, 21. November 2017
Georgiens Gedränge vor dem Wales-Malfeld - die Gastgeber wussten sich nur mit miesen Tricks zu helfen. Foto (c) Perlich
Der November bedeutet Rugby satt wohin man blickt - am Wochenende waren alle Top-20-Nationalmannschaften im Einsatz. Die erfreuliche Nachricht ist, dass die Weltspitze scheinbar immer näher zusammen rückt. Neuseelands knapper und im Endeffekt glücklicher Sieg über die Schotten sowie Frankreichs Thriller mit Südafrika sind ein klares Zeichen dafür - vorbei sind die Zeiten, in denen die Südhalbkugel-Mannschaften nach Belieben dominierten. Weniger erfreulich: Georgien wäre fast ein historisches Unentschieden in Cardiff gelungen, hätte sich Wales nicht mit einigen miesen Tricks aus einer misslichen Lage befreit. Außerdem waren Deutschlands kommende Gegner - Chile sowie die anderen REC-Konkurrenten Spanien, Russland und Belgien - ebenso im Einsatz.
Neuseeland und die Südhalbkugel-Großmächte sind verwundbarer denn je
Es ist gerade einmal zwei Jahre her, da waren im WM-Halbfinale lediglich Mannschaften aus dem Süden beim WM-Halbfinale vertreten. Viele vermeintliche Experten läuteten bereits den Abgesang auf die WM-Chancen der Six-Nations-Teams ein - Neuseelands Dominanz schien unendlich und direkt dahinter sowie weit vor der europäischen Konkurrenz kamen Australien, Südafrika und Australien. Jetzt, auf dem halben Weg zur nächsten WM, kann man aus europäischer Sicht Entwarnung geben. Das weltweite Rugby-Geschehen scheint spannender denn je, die Weltspitze rückt enger zusammen.
Nach dem blamablen Aus bei der Heim-WM gegen die Australier in der Gruppenphase ist den Engländern am Samstag der nunmehr fünfte Sieg gegen die Wallabies in Folge gelungen. Das 30:6 hört sich allerdings weitaus deutlicher an, als der Spielverlauf es hergegeben hatte - alle vier englischen Versuche fielen in Durchgang zwei, drei davon in den letzten acht Minuten. Zuvor hatte es bei strömenden Regen in London eine wahrliche Abnutzungsschlacht gegeben. Englands Coach Eddie Jones hatte am Anfang seiner Amtszeit angekündigt zuerst auf die englische Sturmstärke zu bauen, um das Spiel seiner Mannschaft dann nach und nach expansiver zu gestalten. Mittlerweile scheint Jones zu der Erkenntnis gekommen sein, dass man eine erfolgreiche Strategie nicht unbedingt ändern muss. Warum auch, wenn man eine derartige Tiefe im Sturm vorweisen kann, wie England?
Australiens extrovertierter Coach Micheal Cheika schäumte einmal mehr vor Wut nach der Niederlage seiner Mannschaft. Zwei enge Entscheidungen gingen jeweils zu Ungunsten seiner Wallabies aus - einmal wurde ein Versuch von Koroibete wegen Blockens von Ersatz-Hakler Moore nicht gegeben, der zweite englische Versuch von Joseph hingegen hatte aus australischer Sicht die Seitenauslinie touchiert, doch der Video-Referee war anderer Meinung. Nach dem Sieg gegen die All Blacks und dem Triumph in Cardiff in der Vorwoche sind die Ambitionen der Australier auf den zweiten Rang in der Weltrangliste erst einmal beerdigt. Bei England tat sich Ersatz-Gedrängehalb Danny Care hervor, der in 15 Minuten auf dem Feld zwei Versuche vorbereiten und einen selbst legen konnte.
Weltmeister Neuseeland wiederum war am Samstag in Edinburgh drauf und dran die dritte Niederlage des Jahres zu kassieren. Gegen mutig aufspielende Schotten, die am Ende 60% Ballbesitz und 65% in Neuseelands Hälfte spielten, stand am Ende ein glückliches 17:22 zu Buche. Vor allem Neuseelands bessere Chancenverwertung und der kompromisslose Verteidigungs-Stil vor der eigenen Linie trugen dazu bei. Dass Neuseeland dabei ein ums andere Mal über die Grenze des Legalen hinausging, ist man mittlerweile von den All Blacks gewöhnt, wenn sie konstant unter Druck gesetzt werden. Erst kassierte Flanker Sam Cane in Minute 60 kurz vor der eigenen Linie gelb, dann war es Minuten später in ähnlich aussichtsreicher Position Prop Wyatt Crockett - jeweils da sie zynisch Schottlands Spiel manipulierten.
All-Blacks-Kapitän Kieran Read konnte sich dann nur Sekunden nach Crocketts gelber Karte glücklich schätzen, nicht auch noch vom Platz zu fliegen. Nur zwei Meter vor der Mallinie schlug er am Boden und auf der falschen Seite des Rucks liegend dem nach vorne stürmenden Johnny Gray den Ball aus der Hand. Neuseeland hätte die Schlussphase eigentlich in doppelter Unterzahl beenden müssen. Auch so wäre den Schotten fast noch der erste Sieg in ihrer Geschichte gegen Neuseeland (in 30 Spielen hatten sie lediglich zwei Unentschieden erspielen können), doch Stuart Hoggs später Durchbruch bis tief in die 22 endete mit einem Offload, das nach vorne ging. Doch Schottland, speziell mit seiner aufregenden Dreiviertelreihe um den wiedergenesenen Stuart Hogg hat unter Beweis gestellt, dass sie mittlerweile ein Kandidat für höhere Weihen sind. Nachdem die Bravehearts jahrelang lediglich mit Italienern um den letzten Platz bei den Six Nations stritten, wäre ihnen im kommenden Frühjahr gar ein Sieg zuzutrauen. Neuseelands unglaubliche Dominanz der letzten Jahre scheint dagegen vorbei - auch wenn die All Blacks sicher noch die beste Mannschaft der Welt sind, wirken sie schlagbarer als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in den letzten zehn Jahren.
Wales packt schmutzige Tricks gegen Georgien aus
Dass Georgien eine Mannschaft mit einem starken Sturm ist, muss man keinem deutschen Rugby-Fan erklären. Spätestens seit der letzten WM hat sich dies auch in Großbritannien herumgesprochen. Samstag durften die „Lelos“ in Cardiff Wales herausfordern - seit Jahren schon träumt man in Georgien davon eines Tages in die Six Nations aufzusteigen und dies war der perfekte Ort die eigenen Ambitionen zu untermauern. Nach ganz schwachen zwanzig Minuten zu Beginn, in denen es den Gastgebern im mit 56.000 Zuschauern gut gefüllten Principality Stadium gelang Georgien in der eigenen Hälfte festzunageln und durch einen schönen Hallam-Amos-Versuch in Front zu gehen, kam Georgien mehr und mehr ins Spiel. Knackpunkt war der vermeintliche zweite Wales-Versuch von Amos nach einem 70-Meter-Konter, dem eine Abseitsposition vorausgegangen war. Statt 17:0 für Wales konnte Georgien den fälligen Straftritt zum 3:10 Anschluss verwandeln.
Die restlichen 60 Minuten wurden zu dem Kampf, den Georgiens neuseeländischer Coach Milton Haig von seinen Mannen erwartet hatte. Auf der Dreiviertelreihe mit Verbinder Khmaladze (der auch mit Batumi gegen den HRK gespielt hatte) gelang den Lelos bis auf zwei drei Szenen wenig. Doch im Sturm kann es Georgien mit jeder Mannschaft aufnehmen. Und tatsächlich gingen die schweren Männer aus dem Kaukasus mit 6:13 in Schlagdistanz in die Schlussphase und konnten sich mehr und mehr in Wales 22 festsetzen. Zwei Straftritte nach Gedränge an der Fünf-Meter-Linie resultierten in keinem Versuch, auch weil Ersatz-Prop Tomas Francis besser mit dem georgischen Druck umgehen konnte.
Aber als dieser dann in Minute 81 mit Gelb vorzeitig duschen durfte und Georgien logischerweise das Gedränge wählte, hätte eigentlich der unerfahrene Prop Leon Brown zurück aufs Feld gemusst. Dieser hatte aber vor seiner Auswechslung immense Probleme mit Georgiens Power im Gedränge und wurde nach 54 Minuten bereits ersetzt. Er stand nun bereits an der Seitenlinie, um den Reglement zufolge wieder aufs Feld zu gehen und ein ordentliches Gedränge sicherzustellen. Plötzlich jedoch tauchte Wales Fitness-Coach Paul Stridgeon neben Brown auf und redete hektisch in sein Funkgerät und auf Brown ein, um diesen davon abzuhalten wieder aufs Feld zu kommen. Minutenlang herrschte Unklarheit was nun geschehen würde, doch Wales Trainer-Team schaffte es den französischen Unparteiischen Mathieu Reynal davon zu überzeugen, dass Brown verletzt sei und man dementsprechend die Gedränge ohne Druck spielen müsse.
Ex-Wales Dritte-Reihe-Stürmer kommentierte noch während der Übertragung der BBC: „Leon Brown steht an der Seitenlinie, da er weiß „ich muss wieder rein“, aber scheinbar wurde ihm dann klar gemacht, dass er doch verletzt sein soll“. Wales Legende Jonathan Davies ergänzte sarkastisch „sag nicht wir versuchen hier zu betrügen!“ Anstatt eines wahrscheinlichen Straf-Versuchs und dem damit sicheren historischen Unentschieden für Georgien ging das Spiel nun weiter. Nach etlichen Sturmphasen kassierte Georgien dann einen zweifelhaften Straftritt, weil sie bei eigenem Ballbesitz im Ruck nicht auf den Beinen blieben. Aus georgischer Sicht ein absoluter Skandal und wäre dies mit irgendeiner anderen Mannschaft passiert hätte der Skandal wochenlange Diskussionen ausgelöst. Immerhin konnte Georgien beweisen in Cardiff keineswegs unterzugehen, sollte jemals die Frage aufkommen, ob die Kaukasus-Nation den Weg in die Six Nations eröffnet werden kann. Wie nämlich so ein Spiel in Tbilisi vor 60.000 fanatischen georgischen Fans ausgegangen wäre, ist ein interessantes Gedankenspiel.
Die gesamte Schlussphase aus Cardiff
Spanien verliert gegen Kanada, Rumänien mit Sieg über Samoa
Deutschlands Konkurrent um die WM-Quali hatte in Madrid den deutlich besseren Start und führte vor 7.000 Zuschauern in der Hauptstadt nach einer halben Stunde verdient mit 17:3 - doch die Kanadier kamen mit einem Doppelschlag von Castres-Winger Damien Tussac-Mannschaftskollege Taylor Paris vor und nach der Pause wieder ins Spiel. Zwei Versuche von Newcastle Außen DTH van der Merwe sicherten den Kanadiern den 37:27 Sieg. Kanada hat in der Weltrangliste unsere DRV XV damit überholt aber zugleich unter Beweis gestellt, dass die Spanier daheim durchaus verwundbar sind. Anfang März reist unsere DRV-Auswahl nach Madrid und muss dort einen Sieg holen um noch Chancen auf die WM-Quali zu haben.
Brasilien dagegen hat mit einem 23:19 Sieg in Brüssel erstmals auf europäischem Boden gesiegt. An gleicher Stelle wird auch unsere DRV XV im Spät-Winter antreten müssen. Rumänien hingegen, der dritte und letzten Gegner, auf den die DRV XV auswärts treffen wird, hat im heimischen Bukarester Stadion Samoa mit 17:13 niedergerungen. Das Spiel in Bukarest wird für die deutsche Mannschaft die wohl schwerste Aufgabe, zumal die „Eichen“ nach der Niederlage von Offenbach auf Revanche aus sein werden. In Hongkong ist indes ein Fünfzehner-Turnier mit Russland, Kenia, Chile und dem Gastgeber zu Ende gegangen. Russland konnte sich am Ende souverän durchsetzen, während Chile im letzten Spiel mit 6:13 am ambitionierten Gastgeber Hongkong scheiterte.