Marcel Coetzee und die DRV-XV-Dreiviertelreihe hatten gegen die USA alle Hände voll zu tun. Foto (c) Keßler
Es war eine am Ende deutliche 17:46 Niederlage der deutschen Nationalmannschaft gegen den siebenmaligen WM-Teilnehmer USA. Nur in den ersten dreißig Minuten zeigte sich unser Team als wirklich ebenbürtiger Gegner. Auch wenn das Ergebnis am Ende laut Einschätzung von Gedrängehalb Sean Armstrong ein wenig zu hoch ausfiel, gibt es einige Rückschlüsse und auch viel Positives mitzunehmen.
1. Spielerisch konnte unsere Mannschaft nur phasenweise mithalten
Es waren verdammt gute dreißig Minuten, mit denen unsere DRV XV in die Partie in der Wiesbadener Brite-Arena startete. In der Defensive sicher, auch dann, wenn die Amerikaner zahlreiche Phasen aneinander reihen und Druck ausüben konnten. Zwei Mal ließen sich die US-Boys von unserer aufmerksamen Defensive ins Aus tacklen. Vor dem Spiel hatte Coach Kobus Potgieter explizit angemahnt nach den eigenen Kicks besser Druck auf den Fänger auszuüben. Tatsächlich in der Anfangsphase waren es gleich drei Boxkicks von Sean Armstrong, denen die deutschen Außen Dacau und Coetzee hinterhersprinteten und dem Fänger gleich einen ordentlichen Hit verpassten.
In der Offensive fiel es der DRV XV jedoch auch in ihrer starken Phase schwer Akzente zu setzen. Ein überraschender Angriff in der ersten Hälfte, bei dem Außen Marcel Coetzee auf einmal von der kurzen Seite auf die Verbinder-Position rückte und das Spiel schnell machte. Der offensichtlich einstudierte Spielzug brachte viele Meter, da die Amerikaner auf den als Dummy-Läufer agierenden Parkinson reagierten, doch schlussendlich verlief der Zug im Sande. Der erste deutsche Versuch war Resultat von einem cleveren taktischen Kick, der die USA an der eigenen Linie in eine unangenehme Situation brachte, bevor Michael Poppmeier blitzschnell reagierte und einem der Gäste die Murmel aus der Hand schlug - Ayron Schramm musste sich nur noch zum Versuch auf das Spielgerät fallen lassen.
Früh zeigten sich aber ebenso die Intentionen der Amerikaner - diese wollten von Anfang an den Ball möglichst schnell weit nach außen bringen. Mit zunehmender Spieldauer gelang ihnen das auch immer besser. Ein ums andere Mal brachte der irische Spielmacher mit US-Vorfahren, AJ McGinty von den Sale Sharks, den Ball schnell auf die Außen. Meist landete der Ball hinter einem oder gar zwei Dummy-Runnern, die Deutschlands Mittelfeld mit Parkinson und Cameron-Dow beschäftigten, während außen die Post abging. So kamen die USA immer häufiger tief in die deutsche Hälfte, wo es ihnen auch mit dem Sturm zunehmend gelang die Vorteilslinie zu durchbrechen.
Als in der zweiten Hälfte auch noch die Offloads der US-Boys zunehmend saßen, war es um die Chancen der deutschen Fünfzehn gelaufen. Zu oft schafften es die Gäste die Vorteilslinie zu durchbrechen und damit war auch die bessere defensive Organisation, die sicherlich auch mit der Arbeit Mouritz Bothas zusammenhängt, geschehen. Die sich nun bietenden Räume wurden von den Gästen intelligent - insbesondere Gedrängehalb Shaun Davies tat sich hervor. Dieser lieferte sich über fast 80 Minuten ein packendes Duell mit Sean Armstrong - der ihn defensiv einige Male extrem hart erwischte und ihm nach dem Spiel auf ein Bier einlud - dem er aber auch mit dem Ball in der Hand mehrmals entwischen konnte.
2. Die Standards haben gesessen, auch wenn eine Überlegenheit, wie gegen Brasilien natürlich nie erreicht werden konnte
Im Gedränge herrschte über die gesamte Spielzeit absoluter Gleichstand, beide Teams behielten jeden Ball, den sie selbst in das Gedränge einwarfen. Auch in der Gasse konnte keine Mannschaft sich ein wirkliches Übergewicht erarbeiten. Das bedeutete aber gleichwohl, dass die deutsche Mannschaft einer wichtigen Waffe beraubt wurde. US-Coach und Ex-All-Blacks-Prop Dave Hewett gab in der Pressekonferenz nach dem Spiel zu Protokoll: „Wir haben ausdrücklich vor den starken deutschen Standards gewarnt und genau das trainiert!“
Das Paket sei ein weiterer wichtiger Baustein der Trainingsarbeit in den vergangenen Wochen gewesen, so Hewitt. Tatsächlich hatten die US-Boys das deutsche Paket über die gesamte Spielzeit unter Kontrolle, obwohl es die deutsche Mannschaft ein ums andere Mal probierte. Im Gegenteil, die Amerikaner zeigten sich beim Gasse-Paket deutlich effektiver und kamen so zu zwei Versuchen.
3. Die Amerikaner haben definitiv Schwächen offen gelegt, aber nur so kann die deutsche Mannschaft wachsen.
Es wurde fast schon zum Tenor bei Mannschaft und Trainerstab - ja der DRV XV wurden heute die Grenzen aufgezeigt, doch nur so könne die Mannschaft wachsen. Man kann da nur beipflichten, denn wir sollten nicht vergessen: Dies ist gerade einmal die zweite November-Serie der DRV XV und das nach erst zwei Spielzeiten in der höchsten europäischen Spielklasse REC. Gegen solche Kaliber, wie die USA antreten zu dürfen, ist alles andere als gewöhnlich.
Große Teile des deutschen Kaders spielen Rugby lediglich in der Bundesliga - die vom Niveau her nicht allzu viel mit dem zu tun hat, was heute auf dem Rasen der Brita-Arena gespielt wurde. Die US-Boys hingegen hatten drei Spieler aus der englischen Premiership, zwei aus der Pro 14, sowie jeweils einen aus dem Super-Rugby-Wettbewerb und dem Mitre-10-Cup in der Startaufstellung: Diese sind das hohe Spieltempo und Skill-Level und die brutalen Hits tagein tagaus gewöhnt.
Für die vier entscheidenden Rugby-Europe-Championship-Spiele, in denen sich entscheidet, ob Deutschland sich den Traum Rugby-WM in Tokio tatsächlich erfüllen kann, war dieses Spiel enorm wichtig. Zusammen mit dem am kommenden Samstag anstehenden Spiel gegen Chile, sowie den Europacup-Einsätzen des HRK, dürfte die DRV XV so gut vorbereitet, wie nie zuvor, in eine EM-Saison gehen.
4. Wiesbaden und die Brita-Arena dürften nich das letzte Mal Gastgeber eines DRV-XV-Spiels gewesen sein
Mit ihrer Kapazität von rund 12.500 Zuschauern, der zentralen Lage im Rhein-Main-Gebiet und der damit verbundenen zentralen Verkehrsanbindung, der engen rechteckigen Bauweise sowie der ausreichenden Kapizität im VIP-Bereich eignet sich die Brite-Arena hervorragend als Spielort für künftige Begegnungen der DRV XV. Die heutige Zuschauerzahl ist mit 3.500 noch deutlich ausbaufähig, aber im Februar stehen wichtige EM-Spiele an und da wird das Stadion in der hessischen Landeshauptstadt definitiv in der Verlosung sein.
Stefan Blöcher, der Geschäftsführer der Brita-Arena bestätigte: „Die Stimmung war bestens. Das hat allen Beteiligten richtig viel Spaß gemacht. Wir freuen uns auf weitere solche Begegnungen hier. Die Gespräche für 2018 laufen schon.“ Bereits heute waren die lautstarken Anfeuerungsrufe deutlich vernehmbar und sollte die Zuschauerzahl sich noch Mal signifikant steigern lassen, würde sich ein unschätzbarer Heimvorteil ergeben, wenn unsere Jungs im Spätwinter um die WM-Quali spielen.
|