Nach grandiosem Start hatten die Frankfurter dem schnellen Spiel der RGH nichts mehr entgegenzusetzen. Foto (c) Seufert-Chang
Der HRK war zwar selbst in Heidelberg aktiv, jedoch in einem gänzlich anderen Wettbewerb. Der Spannung in der Rugby-Bundesliga tat das keinen Abbruch. Allen voran der Derbysieg der Berliner Grizzlies wäre so vor nicht allzu langer Zeit noch nicht zu erwarten gewesen - aus der Mini-Krise des RK 03 entwickelt sich so aber ein kolossaler Fehlstart für den Vorjahressieger im Norden. Aus dem Süd-Kellerduell geht der RK Heusenstamm siegreich hervor.
Nord/Ost
RC Berlin Grizzlies 17 - 12 RK 03 Berlin
Am Ende war es nur eine einzige Erhöhung und ein Straftritt, die die beiden Berliner Vereine trennte. Doch das Schwergewicht aus Weißensee, der in den letzten Jahren dominierende RK 03, hatte am Ende der 80 Minuten nicht viel Positives aus dem Südosten der Hauptstadt mitzunehmen. „Kings of Berlin“ nannten sich die Gelb-Schwarzen nach ihren Derbysiegen gegen den traditionellen Rivalen BRC - doch spätestens mit der Niederlage gestern hat sich auch das erledigt.
Viel zu ineffektiv zeigten sich die Gäste in Hälfte eins - nicht in der Lage aus ihren traditionellen Stärken im Sturmspiel Kapital zu schlagen, da selten mehrere Phasen aneinander gereiht wurden. Denn ein ums andere Mal gelang es den beim RK 03 als Emporkömmling wahrgenommenen Grizzlies den Ballbesitz in den offenen Gedrängen an sich zu reißen. Körperlich unterlegen aber mit den besseren Ball-Dieben in den Reihen zeigten sich die Grizzlies zudem eiskalt, wenn sich Chancen ergaben. Besonders Grizzlies-Verbinder Daniel Heyes, der alle Punkte der Gastgeber per Versuch und Erhöhungen selbst besorgte, verdiente sich den internen Man of the Match Titel.
Erst in Hälfte zwei begannen die Gäste zielstrebiger anzurennen. Und tatsächlich sollten die Berliner, während einer temporären Unterzahl nach einer gelben Karte für Alex Schmidt, aus kurzer Distanz über ihren Sturm und die Erhöhung von Bading in Schlagdistanz kommen. Doch der zweite Versuch per Gasse-Paket wurde nicht erhöht und auch das verzweifelte Anrennen des RK, mit guten Läufen von Dobslaw und Duwe sollte am Ende nicht reichen. Mit nur zwei Punkten Vorsprung, aber den vier Zählern in der Tabelle für den Sieg setzte der Aufsteiger ein dickes Ausrufezeichen. In der Hauptstadt ist Rugby-technisch nicht mehr viel, wie es einst war.
Moritz Koburg, Team-Manager der Grizzlies freute sich über die „450 bis 500 Zuschauer“ und den „sehr sehr hart erkämpften Sieg“, der aber gleichwohl „äußerst verdient“ gewesen sei. Der Grizzly der ersten Stunde analysierte: „Den Unterschied hat die größere Stärke der Grizzlies gemacht“ auch wenn er gleichwohl konstatierte, dass die eigene Mannschaft am Ende verdammt ausgelaugt gewesen sei. Mit dem Sieg zieht der Aufsteiger zumindest temporär am etablierten Rivalen aus Weißensee vorbei - denn in der kommenden Woche geht es für die Grizzlies zum Top-Klub Germania, während der RK 03 bei den stark strauchelnden Leipzigern wohl den zweiten Saisonsieg einfahren dürfte.
Hannover 78 47 - 15 SG Odin/Döhren
Ein ähnliches Szenario, wie in Berlin, gab es am Samstag auch in Hannover zu bestaunen. Aufsteiger und Emporkömmling SG Odin/Döhren nahm es mit dem Platzhirsch Hannover 78 auf - doch mit einem gänzlich anderen Resultat. Denn der 78-Sturm wusste nicht nur die Partie bei sommerlichen Temperaturen an sich zu reißen, sondern legte auch fleißig Versuche. Bis die Dominanz sich auszahlte sollte es allerdings eine Weile dauern.
Nach einer gespielten halben Stunde trennte beide Teams trotz einer frühen gelben Karte für die Gäste bei jeweils einem Versuch nur ein Piosik-Straftritt der 78er. Doch vor und nach dem Halbzeitpfiff gelang 78 ein Doppelschlag. Erst war es Derbyheld Breuste und dann der die bisherige Saison insgesamt überragend aufspielenden Kain Rix, die beide ins Mal der SG vordringen und ablegen konnten. Zwar konnte Odin/Döhren während 78-Unterzahl durch eine Gelbe für Johnson auf 10:23 verkürzen, doch Böse, erneut Rix und Haase schraubten das Ergebnis weiter in die Höhe.
78 festigt damit die eigene Tabellenführung weiter und auch beim HRC wird man den formstarken 78ern durchaus einen weiteren Sieg zutrauen können. Vielleicht dann bald schon mit dem wiedergenesenen Sprinter Phil Sczcesny an Bord. Die SG bekommt dagegen Besuch vom Vorletzten BRC und kann dann den Abstand auf die beiden Abstiegsränge weiter verkürzen.
RC Leipzig 0 - 52 Hamburger RC
Das Lazarett der Sachsen scheint sich zwar ein wenig zu lichten und mit 21 Mann hatte der RCL fast einen vollen Kader beisammen, doch die Horror-Serie geht dennoch unvermindert weiter. Mit der ersten Aktion bereits kassierte der RCL einen Straftritt, den die Gäste von der Alster zur Gasse kickten. Keine 180 Sekunden waren auf der Uhr, da waren bereits die ersten Jubelschreie der Gäste zu vernehmen, denn der starke Hamburger Sturm bahnte sich den Weg über die Mallinie.
Eine gute halbe Stunde hielt Leipzigs Verteidigung in der Folge die eigene Mallinie sauber, einzig zwei Straftritte schraubten das Gäste-Konto in die Höhe. Erst als Leipzigs Flanker Paleit kurz vor der Pause Gelb sah, brachen die Dämme. Hamburg konnte direkt den zweiten und direkt nach Wiederanpfiff den dritten Versuch nach schnell angekratztem Straftritt nachlegen. Bis zum für Leipzig erlösenden Schlusspfiff sollten noch weitere fünf Hamburger Touchdowns erfolgen, während Leipzig nicht einmal mehr tief in die Hälfte der Hanseaten vordringen sollte.
Leipzig schien sich in der Vorsaison endgültig in der Bundesliga etabliert zu haben. Doch wenn die Sachsen weiter dermaßen chancenlos agieren, zumal gegen traditionell auwärtsschwache Hanseaten, muss man sich Gedanken um das Bundesliga-Schicksal des RCL machen - zumal in der kommenden Woche das Gastspiel beim ebenso schwächelnden RK 03 ansteht. Der HRC hingegen ist mit dem zweiten Saisonsieg auf Rang vier vorgerückt und in Schlagdistanz zur SG Odin/Döhren. Doch angesichts des kommenden Heimspiels gegen 78 wird man nicht erwarten dürfen, dass der HRC den Aufsteiger überholen wird.
Berliner RC 12 - 36 SC Germania List
Ein Duell mit offenem Visier führten der Berliner RC und seine Gäste aus Hannover. Die Favoritenrolle lag klar beim Gast - hatte dieser doch erst in der Vorwoche hauchdünn das Derby gegen den Erzrivalen 78 verloren. Germania Coach Lindsay hatte vor den taktischen Kniffen seines Gegenübers Stephens gewarnt. Tatsächlich konnte der Gastgeber die frühe Führung durch Germanias perfekt geölte Dreiviertelreihe direkt im Gegenzug ausgleichen. Doch nach einer halben Stunde schlug die Germania angeführt von Verbinder Daniel Koch erneut zu und ging verdient mit 14:7 in die Pause, nachdem beide Teams in der Schlussphase von Hälfte eins Punkte liegen lassen hatten.
Es war Germanias Spielmacher Koch, der per Bodenroller Richtung Eckfahne Versuch Nummer drei und später per Pass den Bonuspunkt-Versuch einleitete. Ein Versuch der Gastgeber und eine gelbe Karte für einen Germania-Stürmer ließ den Heimanhang noch einmal hoffen. Doch ein Intercept von Germania beendete alle Hoffnungen auf ein spätes Comeback. Für die Lister der angestrebte Bonuspunkt-Sieg und damit bleibt der Abstand auf 78 bei drei Punkten - wenn auch ein wenig der Glanz der ersten Saisonspiele gefehlt hat, der SCG ist wieder auf Kurs. Mit den Berliner Grizzlies steht ein recht unangenehmer Gegner ins Haus und den Germanen drohen erneut Abstellungen für den HRK im Europapokal. Der BRC hat sich achtbar aus der Affäre gezogen, sollte als Vorletzter im Duell mit Aufsteiger Odin/Döhren in der kommenden Woche aber tunlichst punkten, um dem Abstiegskampf vorerst zu entfliehen.
Süd/West
Neckarsulm 16 - 26 TSV Handschuhsheim
Eine Fahrt ins völlig Unbekannte war der Ausflug des TSV Handschuhsheim den Neckar hinauf nach Neckarsulm nicht - immerhin hatte sich die Reserve der Löwen in den letzten Jahren des Öfteren mit den Unterländern duelliert. Das Duell an diesem Wochenende stand jedoch unter anderen Vorzeichen, immerhin hatte sich Neckarsulm den Sommer über verstärkt und war besser in die Saison gestartet als die Bundesliga-erfahrenen Gäste. Vor ordentlicher Kulisse und mit über 100 mitgereisten Löwen-Fans bot sich den Zuschauern ein lange Zeit sehr ausgeglichenes Spiel.
Die Neckarsulmer gingen sogar noch mit Führung in die Pause, verloren aber in Spielabschnitt zwei kontinuierlich Spielanteile und Territorium. Der TSV hatte mit Schüle und Martel in der ersten Sturmreihe starten können, die beide im vorläufigen Europapokal-Aufgebot des HRK gestanden hatten. Nach einem zwischenzeitlichen 5:16 Rückstand konnte der Gast mit zunehmender Spielzeit sein Übergewicht bei den Standards mehr und mehr ausspielen. Aber erst als der TSV dann mit Bender, Rosenthal und Sacksofsky erfahrenen Kräfte in die Sturmschlacht werfen konnte, schlug das Pendel eindeutig Richtung Löwen aus. Ein Paket und ein Gedränge vor dem NSU-Malfeld drehten die Partie zu Gunsten der Löwen und bescherten dem Gast zusätzlich einen Offensiv-Bonuspunkt. TSV-Coach Hanlon betonte nach dem Spiel, dass die stärkere Bank die Partie für seine Löwen entschieden habe. Eine Defensiv-Schlacht in den letzten Minuten durch die Gäste verhinderte zudem, dass die NSU einen oder gar zwei Bonuspunkte mitnehmen konnte. In der Tabelle tauschen damit beide Teams die Plätze und das wird sich auch in der kommenden Woche nicht ändern. Die Löwen empfangen zwar Frankfurt, doch das Spiel des Aufsteigers gegen den HRK wird aufgrund dessen Europapokalausfluges erst im Dezember stattfinden.
Anjo Buckman konnte im Löwen-Trikot ordentlich Meter machen
SC Frankfurt 1880 25 - 69 RG Heidelberg
„Was ist denn hier los?“ So fasste RGH-Coach Rudolf Finsterer seine Gedankengänge so etwa um die 20-Minuten-Marke zusammen. Der Allgäuer an der Seitenlinie der RGH musste mit ansehen, wie seine Orange Hearts in den ersten zwanzig Minuten ebenso viele Punkte kassierten und zwar ohne selbst dem SC 80 auch nur einen einzigen Punkt einschenken zu können. Bei fast schon hochsommerlichen Temperaturen in der Bankenmetropole hatte sich der Gastgeber zunächst viel schlauer angestellt und seine Chancen konsequent genutzt.
Doch plötzlich schienen die im traditionellen Orange aufspielenden Gäste aufzuwachen - allen voran die Siebener-Cracks der RGH und Gedrängehalb Florian Wehrspann. Dieser konnte im Spielverlauf gleich ganze drei Versuche legen, einen davon noch vor dem Pausenpfiff. Bis zu diesem hatte die RGH das Spiel bereits sensationell gedreht und führte mit 27:20. In Hälfte zwei sorgte dann die überragende Fitness der Rudergesellschaft und sicherlich auch die Tatsache, dass den Frankfurtern mit Wynston Cameron-Dow der Kopf der Hintermannschaft gefehlt hatte. Er war zeitliche knapp 100 km die A5 hinunter im gestreiften Trikot des Klub unterwegs. Cameron-Dow hätte sicherlich den einen oder anderen cleveren taktischen Kick einstreuen und das Spiel ein wenig verlangsamen können.
Doch so spielte die RGH ihr Spiel bis zum Abpfiff in hohem Tempo herunter und legte weitere sechs Versuche. Neben dem hohen Sieg musste die RGH allerdings auch eine Verletzung von Stamm-Hakler Elmar Heimpel verbuchen, der in ein Loch im Rasen getreten und umgeknickt war. Sein Einsatz in der kommenden Woche scheint mehr als fraglich. In der Tabelle stehen beide Teams nun punktgleich da und können jeweils am kommenden Wochenende am enteilten HRK vorbeiziehen, der zum zweiten Mal in Folge im Europacup antreten wird. Frankfurt muss dafür die Löwen besiegen und die RGH bekommt es mit Schlusslicht SCN zu tun.
SC Neuenheim 17 - 20 RK Heusenstamm
Am Ende war es zum zweiten Mal lediglich der Trostpreis Defensiv-Bonus, den der Sportclub Neuenheim aus dem direkten Duell mit einer Mannschaft aus der unteren Tabellenhälfte mitnehmen konnte. Dabei gab es in der Schlussphase sogar noch die Kick-Chance zum Ausgleich. Selbst der vorher für den HRK im Einsatz befindliche Nikolai Klewinghaus hatte sich nach dem Abpfiff am Harbigweg schnurstracks auf die andere Neckarseite begeben, um seinem SCN im Abstiegs-Duell gegen Heusenstamm zu helfen - am Ende vergeblich.
SCN-Coach Lars Eckert analysierte den Spielverlauf gegenüber TotalRugby wie folgt: „Wir haben in den entscheidenden Situationen zu viele Fehler gemacht“ betonte gleichwohl, dass die Formkurve nach oben zeige. Dadurch, dass Neckarsulm selbst keinen Punkt verbuchen konnte, ist der Abstand zum rettenden Ufer immerhin auf sieben Punkte geschmolzen. Der nächste Gast, die RGH von der anderen Neckarseite, verheißt jedoch wenig Gutes. Heusenstamm hingegen fährt mit dem Auswärtssieg die ersten vier Punkte dieser Saison ein, dürfte es daheim gegen Pforzheim jedoch nicht einfach haben, das eigene Punktekonto weiter aufzubessern.
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