Die DHL Oktoberfest 7s Erstausgabe sind Geschichte, in Rugby-Deutschland zieht wieder der Alltag ein und das bereits am morgigen Tag der deutschen Einheit. Die Macher im Ligaausschuss hatten aus Rücksicht auf die Organisatoren des Großevents im Münchner Olympiastadion den aktuellen Spieltag vom Wochenende auf den Nationalfeiertag verlegt. Doch damit treten die Teams der Rugby-Bundesliga gleich zwei Mal innerhalb von vier Tagen an. Im Norden steht dabei ein absolutes Spitzenspiel an, wenn der RK 03 Berlin bei der SC Germania List antritt. Im Süden muss sich der SCN einem ambitionierten Aufsteiger erwehren.
Nord / Ost
Spitzenspiel in der Bundesliga-Nordstaffel: Wenn der RK 03 Berlin morgen beim SC Germania List gastiert, könnten die für ihre Verhältnisse nur mäßig gestarteten Berliner einiges an Wiedergutmachung betreiben. Das unerwartete Unentschieden gegen die SG Odin/Döhren bedeutet, dass die Schwarz-Gelben momentan nicht einmal mehr die beste Mannschaft der Hauptstadt sind - Aufsteiger Grizzlies haben sich am RK vorbeigemogelt, der nur noch Rang vier belegt. Mit einem Sieg gegen den bisher makellosen Spitzenreiter würden sich die Vorjahressieger im Norden eindrucksvoll zurückmelden.
Die momentanen drei Punkte Rückstand ließen sich mit einem Auswärtssieg locker egalisieren, solange man die eigene Defensive gegen die offensivstarken Germanen dicht hält. Doch genau darin liegt die Krux: Die Spitzenreiter von Trainer Duiane Lindsay haben bereits nach zwei Partien eine sagenhafte Punktedifferenz von +144 - Zeugnis der unglaublichen Offensivstärke der Germania. Für die dritte Sturmreihe um die erfahrenen Lukas Hinds-Johnson und vor allem Falk Duwe kann die Losung nur lauten: Das blitzschnelle Reihe-Spiel der Germanen so langsam wie möglich zu machen und die Rucks der Gastgeber so viel zu stören wie nur möglich.
Bei der Germania ist man im Sturm nach einigen Verstärkungen - allen voran Tom Behrendt von Sankt Pauli - längst nicht mehr das Leichtgewicht vergangener Tage. Doch was die Gastgeber eindeutig schwächen wird ist die Tatsache, dass gleich drei Schlüsselakteure am Wochenende im Münchner Olympiastadion im Einsatz waren. Mit Jarrod Saul und Daniel Koch zwei im Trikot der DRV VII und mit Niklas Koch einer, der mit dem Einladungsteam Cruisers im Finale des Classics Turniers stand, welches ebenso im historischen Rund im Olympiapark ausgetragen wurde. Bei der Germania herrscht dennoch wenig Verunsicherung - auch mit dieser Schwächung bleibt den Tabellenführern genug Offensiv-Power um die Spitze zu konsolidieren. Da bereits vier Tage später das Hannoveraner Derby ansteht, wäre ein Erfolg gegen den RK unglaublich wichtig.
Der andere historische Hauptstadtvertreter Berliner RC dagegen darf daheim antreten und wird sich erwehren müssen, um nicht auf den letzten Tabellenplatz abzurutschen. Zu Gast werden die ebenso schlecht gestarteten Vertreter vom RC Leipzig sein, die nur einen Rang hinter dem BRC die rote Laterne tragen. Ironischerweise hatten beide Vereine in der Vorwoche jeweils einen Trip in die bayerische Landeshauptstadt München machen müssen - Ziel war nicht die weltbekannte Wiesn, sondern unterklassige Gegner im DRV Pokal. Während aber der RCL in Unterföhring beim 33:22 Sieg zumindest ein wenig Selbstbewusstsein tanken konnte, war der BRC das wohl prominenteste Opfer und unterlag Zweitligist StuSta München.
BRC-Cheftrainer Danny Stephens jedenfalls hat eine schwierige Aufgabe vor der Brust, um das Ruder herumzureissen. Erst in der Vorsaison hatte der Engländer beim Berliner Rugby-Club sein Comeback an der Seitenlinie gegeben und hatte auch Erfolge erzielen können. Siege über Top-Klubs wie 78 und ein spielerischer Aufwärtstrend waren Mutmacher für die Fans in der Hauptstadt. Doch mit der Derby-Niederlage zum Auftakt und der sang- und klanglosen Pleite in Hannover steht man nun am falschen Ende der Tabelle. Da droht die Partie gegen den RC Leipzig zu einem richtungsweisenden Spiel zu werden. Eine weitere Pleite und der Blick der Berliner wird sich auf den Abstiegskampf richten müssen.
Während der BRC in Bayern gegen einen Zweitligisten Federn ließ, konnte Leipzig gegen Unterföhring den ersten Saisonsieg einfahren
Die SG Odin/Döhren mit Spielertrainer Rafael Pyrasch konnte mit dem Unentschieden am letzten Spieltag beim Vorjahressieger im Norden, dem RK 03 Berlin, ein Ausrufezeichen setzen. Rafael Pyrasch selbst hatte während der Oktoberfest 7s als Betreuer des Fidschi-Teams fungiert und selbst der trickreiche Halb wird sich bei den Insulanern sicherlich noch einige Tricks abgeschaut haben. Da kommt es wie gelegen, dass der Hamburger RC nun zum ersten Heimspiel der Saison gastiert. Der Besuch der bisher sieglosen Hanseaten wird man sich beim Aufsteiger dick im Kalender markiert haben. Immerhin will man sich schnell in der Bundesliga etablieren - am besten im oberen Tabellendrittel, wie man beim Aufsteiger vor der Saison zu Protokoll gab. Da kommen die chronisch auswärtsschwachen HRCler wie gelegen.
Beim HRC wird Trainer Carsten Segert alle Hände voll zu tun gehabt haben, seine Männer nach der hauchdünnen Schlappe beim Aufsteiger Grizzlies wieder aufzubauen, zumal erst in der Vorwoche eine epische Schlappe gegen Germania List zu verdauen war. Doch Kapitän Felix Bodensieck und Co. werden alles dafür tun, um den einzigen hanseatischen Bundesliga-Vertreter fern vom Abstiegskampf zu halten. Die alten Tugenden des HRC - mit dem mächtigen Sturm Meter zu machen - werden es wohl wieder einmal richten müssen. Denn mit nur einem Zähler nach zwei Partien sieht das Punktekonto der Rot-Schwarzen noch reichlich mager aus.
Nach zwei Heimspielen heißt es für die Berliner Grizzlies erstmals in der noch sehr jungen Bundesliga-Geschichte auswärts antreten zu müssen. Dabei geht es für die Bären nicht nur irgendwohin, sondern zum bisher perfekt aufspielenden Traditionsklub Hannover 78. Für die Grizzlies eine riesige Herausforderung, da die Männer von Bennie Simm extrem erfahren und spielstark sind. Im Vorjahr noch waren die Hannoveraner nur hauchdünn und unglücklich an der Bundesliga-Halbfinal-Quali gescheitert, weswegen man sich im Sommer namhaft verstärkt hatte. Mit Kain Rix hat Coach Bennie Simm dabei einen absoluten Volltreffer gelandet. Der Mann aus dem englischen Sheffield konnte seine Klasse schon mehrmals unter Beweis stellen, vor allem auch beim überragenden Auswärtssieg in Leipzig.
Süd/West
Fans des Sportclubs Neuenheim hatten in den bisherigen beiden Saisonspielen nicht viel zu lachen. Nach einer epischen Klatsche beim HRK gab es für die Königsblauen auch in Frankfurt nichts zu holen. Nun folgt das schwere Duell gegen die Neckarsulmer Sport-Union. Der Tabellendritte ist dabei alles andere als Laufkundschaft, wie man es von einem Aufsteiger erwarten könnte. Mit sinnvollen Verstärkungen auf eine sowieso schon solide Basis hat Trainer Mark Kuhlmann eine verdammt gute Truppe geformt, die nach einer knappen Niederlage gegen Frankfurt im zweiten Heimspiel gar den Sieg mit Offensiv-Bonus gegen Heusenstamm holen konnte.
Während man also im Nachbarort von Heilbronn Aufbauarbeit betreibt zehrt man in Neuenheim von der Basis, zumindest spielerisch. Seit der vorletzten Saison sind fast alle Stars des SCN mittlerweile anderswo unter Vertrag und die eigene Jugend soll es nun richten. Gegen die wohl ausbalancierte Mannschaft aus Neckarsulm wird der SCN-Nachwuchs alle Hände voll zu tun haben - allen voran Nordire und Sturm-Tank Lee Bicker dürfte den Heidelbergern Sorgen bereiten. Doch ein Sieg über die NSU - zumal zu Hause - wäre für den SCN unglaublich wichtig. Erst in der Vorsaison konnte Coach Lars Eckert mit seinen Mannen den Abstieg nur knapp vermeiden, nun droht noch größeres Ungemach, da in diesem Jahr kein Klub prädestiniert für den direkten Abstieg zu sein scheint.
Absoluter Leistungsträger bei der NSU bisher: Lee Bicker aus Nordirland
Noch am Wochenende schrieen zahlreiche Löwen vom TSV Handschuhsheim ihren Vereinskameraden Anjo Buckman im Münchner Olympiastadion nach vorne. Doch dieser wird, nur 72 Stunden nach dem kräftezehrenden Turnier, in der Bundesliga noch nicht mitwirken können. Doch auch die gastierende RG Heidelberg wird geschwächt in das Heidelberger Derby gehen - hatte sie doch gleich vier Spieler des DRV-Aufgebots gestellt, die in München brillierten, aber allesamt im Heidelberger Derby fehlen werden.
Spielerisch gesehen dürften im Lions Park wieder einmal zwei Welten aufeinander prallen. Denn auch unter Gordon Hanlon, der sein Löwenrudel im Training dem Vernehmen nach hart rannimmt, ist die größte Stärke des TSV das eigene Sturmspiel. Der spielstarken RGH jedenfalls wollen die Löwen einen harten Kampf liefern und Kapitän Sven Wetzel bestätigt: „Der Glaube an den Sieg ist da!“ Immerhin winkt der Sprung auf Platz zwei und der erste Sieg gegen die Orange Hearts seit der vorletzten Saison. Damals gelang den Löwen zur Einweihung des neuen Platzes im Sportzentrum Nord die große Überraschung.
Die RGH wiederum brennt nach der hohen schlappe gegen den HRK, wobei diese auch durch eine selbst gewählte Aufstellung ohne eine Reihe von Stammspielern bedingt war, nun auf die nächsten Punkte in der Liga. Zum Auftakt gegen Vizemeister Pforzheim hatte man das reichlich vorhandene Potenzial angedeutet und Coach Rudolf Finsterer wird von seinen Jungs nicht weniger als einen Sieg verlangen. Immerhin stehen für die Orange Hearts die Chancen auf einen Halbfinaleinzug in dieser Saison so hoch wie lange nicht.
Wenn der SC Frankfurt 1880 morgen den TV Pforzheim empfängt kommt es zu einer lange nicht mehr bekannten Konstellation: Die Frankfurter stehen in der Tabelle tatsächlich vor den Rhinos! Damit das so bleibt hat SC80-Coach Byron Schmidt seine Jungs eingeschworen - gegen den jetzigen TVP ist man nicht mehr chancenlos. Nach einem erneuten Personalumbruch und Last-Minute-Verstärkungen nämlich hat sich das Rhinos-Kollektiv noch längst nicht gefunden. Jedoch ist auch die Personalnot des ersten Spieltags längst Geschichte. Die bisher ungeschlagenen Frankfurter jedenfalls werden mit breiter Brust in dieses Duell gehen.
Pforzheims Siebener-Nationalspieler Carlos Soteras-Merz wird Trainer John Willis nicht zur Verfügung stehen und auch Sprint-Ass Manasah Sita hat nach sechs Spielen für die Einladungsmannschaft Schusterhäusl-Inn bei den Oktoberfest 7s Classics schwere Beine. Inwiefern die kommenden Aufgaben in dieser „englischen Woche“ - Pforzheim spielt gegen Schlusslicht Neuenheim und Frankfurt gegen die Füchse im Derby - eine Rolle spielen wird, bleibt abzusehen. Denn für den SC 1880 ist das Duell gegen den vermeintlich kleinen Rivalen aus dem Frankfurter Umland schon immer eins um Prestige.
Bisher steht der RK Heusenstamm nach zwei Spielen noch ohne jegliche Punkte da - realistisch wird sich daran nach Teil eins der englischen Woche auch nichts geändert haben. Denn der übermächtige Heidelberger RK ist am Martinsee zu Gast. Nach einer Absage der Frankfurter Zweitvertretung im Pokal frisch und ausgeruht und mit Dash Barber und Luis Ball mit zwei starken Debütanten im Kader will der Ruderklub den Sieg mit Offensiv-Bonus, nicht mehr und nicht weniger. Da fällt auch die Rotsperre von Jaco Otto und der verletzungsbedingte Ausfall von Jarrid Els nicht sonderlich ins Gewicht - der Luxus-Kader des HRK kann dies locker auffangen.
Für Heusenstamm wird das Duell auch zum Charaktertest. Trainer Jens Steinweg hatte die Motivation und die Prioritäten einiger seiner Akteure in Zweifel gezogen, nachdem man beim Aufsteiger Neckarsulm überraschend deutlich verloren hatte. Als sich dann am Wochenende Füchse-Star Sam Rainger im Trikot der DRV VII eine schwere Knie-Verletzung zuzog und damit am Dienstag auf dem OP-Tisch und nicht auf dem Platz sein wird, gilt es für den RKH die letzten Reserven zu aktivieren. Ein Sieg gegen den HRK ist utopisch, das wird man auch bei den Gastgebern wissen. Selbst ein Bonuspunkt für vier gelegte Versuche ist angesichts der drückenden Überlegenheit des Klubs eine Mammutaufgabe. Doch auf dem Feld wieder zu einer Einheit werden - das könnte die Maßgabe für die 80 schweren Minuten an diesem Tag der deutschen Einheit sein.
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