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TR-Interview mit Chad Shepherd - Abschied aus der zweiten Heimat
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Donnerstag, 3. August 2017

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Drei Jahre lang war Shepherd als Trainer der DRV aktiv, zwei davon in Alleinverantwortung.

Nationaltrainer Chad Shepherd ist nach zweijähriger Amtszeit als Coach der DRV VII seit dem 01.08. nicht mehr im Amt. Sein Vertrag bei der WRA wurde nicht verlängert und für die neugeschaffene Stelle als Bundestrainer fehlen ihm die nötigen Lizenzen. Für den sympathischen Neuseeländer Shepherd bedeutet dies nun nach acht Jahren in Deutschland die Rückkehr in die Heimat. Wir haben uns mit dem ehemaligen Gedrängehalb aus Hawkes Bay über seine Zeit in Deutschland, seine persönlichen Erinnerungen sowie seinen Ausblick auf die Zukunft des deutschen Rugby unterhalten.

TotalRugby: Chad erst einmal vielen Dank dafür, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast. Unter den aktuellen Umständen ist dies alles andere als Selbstverständlich, wir wissen das zu schätzen.

Chad Shepherd: Das ist selbstverständlich für mich!

TR: Mit Blick auf deine nun zu Ende gehende Zeit als Trainer der Nationalmannschaft - es begann alles in deiner letzten Saison als Spieler?

Chad Shepherd: Genau so war es. Ich habe mein letztes GPS-Turnier für Deutschland in Bukarest gespielt, kurioserweise war genau an meinem Geburtstag mein letztes Spiel. Damals haben wir England geschlagen…

TR: …darf man fragen: Dein wievielter Geburtstag war das?

Shepherd: Mein 37. - das war ziemlich genau vor drei Jahren.

TR: Als du einst nach Deutschland gekommen warst, hattest du sicher nicht im Sinn für Deutschland zu spielen, bzw. die Mannschaft eines Tages gar selbst zu trainieren, oder?

Shepherd: Ganz sicher nicht. Ich hatte nach meinem letzten Profi-Vertrag in Neuseeland mit Hawks Bay (Mitre 10 Cup; Anm. der Redaktion) gute 18 Monate lang in England gespielt. Ich war kurz davor zurück nach Neuseeland zu gehen, da hat mich ein Freund von mir, Tim Manawatu, angerufen. Mit ihm hatte ich vorher gemeinsam in der neuseeländischen Meisterschaft gespielt.

Das war sprichwörtlich in allerletzter Sekunde. Mein Visum für England war abgelaufen, ich war nur Tage vor meinem Rückflug und Tim erzählte mir von Frankfurt - dem ordentlichen spielerischen Level und der guten Infrastruktur. Also ging ich damals nach Deutschland und bin bis heute hier geblieben. Schon ein wenig bizarr wie das alles passiert ist (lacht).

Als ich dann nach einer Weile für Deutschland spielberechtigt war, hat mich der damalige Siebener-Trainer Lofty Stevenson gefragt ob ich Lust hätte auszuhelfen.

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Dabei begann seine Karriere beim DRV als Spieler

TR: Hast du dich früher in Neuseeland schon als Siebener-Spezialisten gesehen?

Shepherd: Irgendwo schon. Natürlich war ich als Vollzeit-Profi im Fünfzehner angestellt, das war mein Brot- und Buttergeschäft, so habe ich mein Geld verdient. Aber ebenso habe ich zwölf Mal in Folge an den neuseeländischen Siebener-Meisterschaften teilgenommen und wurde auch Mal zu All Blacks Sevens Camps eingeladen, auch wenn es leider nie zu einer Nominierung gereicht hat.

Für uns war das aber eher eine Sache, die wir in der Sommerpause gemacht haben. Von Januar bis März, da die neuseeländische Saison erst im Juni/Juli startet. Abgesehen von Super Rugby natürlich, wo ich eine Zeit lang im Hurricanes-Entwicklungskader war. Trotzdem war es eine tolle Sache für mich, die mir unheimlich Spaß gemacht hat.

TR: Wie ist es dann dazu gekommen, dass du auf der Trainer-Schiene gelandet bist?

Shepherd: Damals habe ich noch aktiv gespielt und Mal realistisch: Das war Rainers (Anm. d. Red.; Shepherds Vorgänger als Siebener-Coach Rainer Kumm) höfliche Art mir zu sagen, dass ich zu alt für die Sache geworden war (lacht). Zeitgleich hat Dr. Wild seine Förderung auf das Siebener ausgeweitet. Ich hatte ein interessantes Gespräch mit Kobus (Kobus Potgieter DRV-XV-Coach; Anm. d. Red.) und er hat mir ihre Pläne erklärt. Rainer Kumm war damals Coach und so wurde ich sein Assistent und leitete das tägliche Training in Heidelberg.

TR: Als sich Rainer dann im Spätsommer 2015 zurückgezogen hat, hast du als Headcoach in Vollzeit übernommen. In den zwei Jahren seitdem war es eine echte Achterbahn und du konntest viele Erfolge feiern. Welche Momente stechen für dich heraus?

Shepherd: Die beiden Turniere in Hongkong und natürlich die Olympia-Quali in Monaco. Da hat uns wirklich niemand eine Chance gegeben - so konnten wir aus der Underdog-Rolle heraus einige Etablierte überraschen. Plötzlich hatten wir international einen Ruf erlangt. Wir konnten beweisen, dass wir da oben hingehören, dass wir auch vermeintlich große Teams schlagen konnten. Da haben einige im World Rugby angefangen aufzuhorchen. Wir alle zusammen haben das deutsche Siebener auf die Landkarte gebracht.

TR: Wie schwierig war es für dich von der Spieler-Rolle in die Trainer-Rolle zu wechseln, nahezu ohne Umgewöhnungszeit? Die Jungs zu trainieren, die noch am Vortag deine Teamkollegen waren?

Shepherd: Da bin ich ganz ehrlich, das war nicht einfach. Ich hatte ja schon etwas früher noch als Spieler eine Ahnung, dass es in die Richtung gehen würde. Habe es aber natürlich für mich behalten. Im Endeffekt musste es ein nahtloser Übergang werden, da ich gespielt habe und nur wenige Tage später als Coach alleine nach Kenia (Bei den Safaricom Sevens 2014; Anmerkung der Redaktion) bin.

Es war nicht immer einfach. Es ging von einem Tag auf den anderen. Ich würde niemals behaupten alles richtig gemacht zu haben, vieles habe ich auch erst in der täglichen Arbeit gelernt. Aber bevor ich den Posten angetreten habe, bin ich ein wenig mehr auf Distanz zu den anderen Spielern gegangen.

Die anderen Jungs wussten ja nicht, dass ich den Job übernehmen würde - ihnen kam es sicher reichlich komisch vor, dass ich mich ein wenig zurückgezogen hatte. Aber Grenzen zu ziehen war wichtig. Natürlich habe ich die Zeit mit den anderen Spielern genossen, aber die Tatsache, dass ich deutlich älter war, hat da ohne Zweifel geholfen (lacht). Ich war locker zehn bis zum Teil 15 Jahre älter als einige der anderen Spieler.

TR: Clemens von Grumbkow wird sich ja in den kommenden Wochen in einer ähnlichen Rolle wiederfinden. Hast du da ein paar Tips für ihn?

Shepherd: Ich glaube er muss da seinen eigenen Weg finden. Was für ihn die beste Lösung ist, da wird er sich selbst der beste Berater sein.

TR: Wie schwer ist es dir gefallen, auch in Anlehnung an Clemens Rolle von nun an, ohne viel Trainer-Erfahrung sofort Verantwortung zu übernehmen.

Shepherd: In Neuseeland hatte ich schon eine Saison als Spieler-Trainer gemacht und in Frankfurt auch Teile des Trainings übernommen. Aber natürlich war das kein Vergleich, mit meiner Rolle bei der DRV VII. Es war ein großer Schritt, zum Glück war es nicht ganz von 0 auf 100.

TR: Mit Blick auf die Zukunft - wo glaubst du kann der Weg unserer DRV VII in den kommenden Jahren hinführen. Kaum jemand hat so einen Einblick in das Geschehen, wie du.

Shepherd: Ich hoffe wirklich, dass es die Jungs auf die World Series schaffen. Ich gönne es ihnen von ganzem Herzen und es wäre eine riesige Sache für das deutsche Rugby. In Sachen Popularität und natürlich auch Sponsoring. Die Jungs sind wirklich eine tolle Truppe und ich glaube fest daran, dass sie es schaffen.

Es war sehr enttäuschend in diesem Jahr in Hongkong und bereits letztes Jahr war es nicht einfach zu verdauen. Aber man sollte auch bedenken: Die Amerikaner haben vier Versuche gebraucht, um es endlich auf die World Series zu schaffen, haben einige Jahre ums Überleben gekämpft und wenn Man heute sieht, wo die US-Boys jetzt stehen. So erging es vielen Ländern die heute auf der World Series sind.

Ich glaube an die Jungs insgesamt muss aber Olympia muss das übergeordnete Ziel bleiben. Mit dem World-Series-Status würde man aber den Grundstein dafür legen. Woche für Woche auf diesem ganz hohen Niveau zu spielen wäre die perfekte Basis. Olympia mit seiner riesigen Strahlkraft könnte dem Rugby in Deutschland noch ein Mal einen unglaublichen Schub geben und in andere Dimensionen katapultieren.

Diese Mannschaft ist bereits ganz nah dran an der World Series. Wenn es nicht im nächsten Jahr klappt, dann spätestens im übernächsten.

TR: Du bist nun schon eine ganze Weile im deutschen Rugby unterwegs und kannst die Außen- und Innen-Perspektive bieten. Was muss in deinen Augen im deutschen Rugby zukünftig geschehen um die gute Entwicklung fortzuführen?

Shepherd: Kurzfristig wäre natürlich eine Einigung zwischen der Wild Rugby Akademie und dem Deutschen Rugby-Verband extrem wichtig. Die Fünfzehner leisten auch tolle Arbeit, haben Rumänien und Uruguay geschlagen. Da wurden von den Spielern und dem Trainerteam große Fortschritte gemacht.

Beide Teams würden dann ihre erfolgreiche Arbeit fortführen können und sich auch gegenseitig ergänzen. Deswegen hoffe ich, dass zu einer Einigung kommt. Herr Dr. Wild hat unglaubliches geleistet in der Entwicklung der letzten Jahre und für das deutsche Rugby bleibt zu hoffen, dass es weitergeht.

Darüber hinaus ist unsere Spielerbasis im Siebener momentan noch sehr klein. Aber in den nächsten vier bis fünf Jahren werden einige aus den Jugendreihen kommen, die dann bereit sein werden auf internationalem Top-Niveau mitzuspielen. Um in der World Series mitzuhalten braucht man etwa 25 Spieler etwa.

Einmal weil es unglaublich hart und anstrengend ist und Rotation dementsprechend  wichtig sein wird. Außerdem braucht man im Kader auch einfach eine Konkurrenzsituation, diese motiviert die Jungs und spornt sie zu Höchstleistungen an.

Ganz wichtig wird es aber auch sein, den Spielern eine Perspektive zu bieten. Eine solide Ausbildung zu haben ist in Deutschland fast noch ein Mal wichtiger als in anderen Ländern. Den 18 und 19-jährigen da eine Perspektive aufzeigen zu können, wird essenziell sein.

In Deutschland hat man manchmal das Gefühl, dass die Rolle die der Sport bei der Charakter-Bildung spielen kann, unterschätzt wird. Deshalb muss hier noch mehr als in anderen Ländern darauf Wert gelegt werden, die Spieler finanziell abzusichern.

TR: Zum Schluss vielleicht noch Mal eine etwas persönlichere Frage. Du hast mittlerweile fast eine Dekade in Deutschland verbracht, über acht Jahre um genau zu sein. Du kamst mehr oder weniger als Jungspund nach Deutschland….

Shepherd: …(lacht) absolut, in der Blüte meines Lebens….

TR: …ist Deutschland eine Art zweite Heimat für dich geworden?
Shepherd: Ganz klar ja. Ich bin mit etwa dreißig Jahren von zu Hause weg, ich war eine Weile in England und seitdem in Deutschland. Es hat mich massiv geprägt, es war eine wunderbare Zeit. Heidelberg ist eine wunderschöne Stadt, pittoresk und wirklich ein toller Ort zu leben. Aber meine Zeit in Frankfurt habe ich ebenso genossen - es war immer was los und man konnte immer irgendwohin. Das ist mir dann hier in Heidelberg auch klargeworden (lacht).

TR: Geht es für dich jetzt zurück nach Neuseeland?

Shepherd: Ja, die DHL Oktoberfest 7s werde ich mir sicher nicht entgehen lassen. Die Jungs Mal von der Tribüne aus mit einem Bier in der Hand verfolgen zu dürfen. Aber danach geht es für mich in die Heimat. Momentan habe ich zwei drei Positionen als Coach im Auge.

TR: Wir danken Dir für dieses ausführliche Gespräch und wollen dir für deine Verdienste im deutschen Rugby danken. Wir wünschen dir viel Erfolg auf deinem weiteren Weg. Man sieht sich in München im Olympiastadion!

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Kommentare (1)add comment

Riemi R. said:

3754
Danke
Schönes Interview. Natürlich ist im Profisport nichts ewig. Aber ein wenig trauig bin ich schon. Auch von mir ein herzliches Dankschön.
August 03, 2017

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