Der dritte Titel in Folge: Die RGH ist die beste Siebener-Mannschaft im Land.
Am Ende siegte der klare Favorit RG Heidelberg standesgemäß im Finale der deutschen Meisterschaft im Siebener-Rugby. Die grenzenlose Euphorie der Vorjahre wollte sich aber nicht so recht einstellen. Man bekam eher das Gefühl, dass sich Erleichterung der Favoritenbürde gerecht geworden zu sein eingestellt hatte. Dabei gab es mehr als genug Grund zur Freude - während die RGH in der Fünfzehner-Bundesliga ein ums andere Mal durch die Abstellungen von Nationalspielern benachteiligt wurde, profitierte die Manschaft vom Trainergespann Weselek/Finsterer nun im vollen Maße.
Es sollte bis zum Viertelfinale dauern, bis die RG Heidelberg erstmals Gegenpunkte kassierte. Zu diesem Zeitpunkt hatte der haushohe Favorit das Duell gegen den Stadtrivalen SCN bereits für sich entschieden, beim 5:45 von einem Anschlussversuch zu sprechen wäre vermessen gewesen. Es bedurfte eines verunglückten Offloads der Orange Hearts, von dem der Gastgeber profiterte.
Erst im Halbfinale wartete auf die RGH die erste richtige sportliche Herausforderung. Es wartete niemand geringeres als der große Nachbar vom Harbigweg, der Heidelberger Ruderklub. Dessen Kader war mit einer Armada von Fünfzehner-Nationalspielern sowie den drei aktuellen DRV VII Cracks des Klubs gespickt. Es kündigte sich ein Duell der verschiedenen Spielphilisophien an. Auf der einen Seite das perfekte Siebener-Spiel der RGH - den Raum suchend und Kontakt vermeidend und dazu mit Geschwindigkeit auf allen Positionen gesegnet. Auf der anderen Seite der HRK, dessen Gegenmittel von Anfang an klar war: Das Spiel möglichst langsam und kontaktlastig zu halten.
Doch dieses Konzept wollte vor allem in Hälfte eins nicht aufgehen. Zu stark zeigten sich die Orangenen bei den hohen Bällen und monopolisierten damit den Ballbesitz. Immer wieder wanderte der Ball von Auslinie zu Auslinie bis Robin Plümpe schließlich auf Außen genug Platz fand um zum ersten Versuch der RGH durchzuschlüpfen. Zwar kam der HRK in der Folge besser ins Spiel und gelang durch einen Durchbruch von Jaco Otto erstmals in die 22 der RGH, verlor das Leder aber nur wenige Meter vor der RGH-Linie. Bastian Himmer zeigte dann seinerseits wie es besser geht und setzte zu einem unnachahmlichen 100-Meter-Sprint an, der ihn von der eigenen Mallinie bis ins HRK-Malfeld brachte. Selbst Sean Armstrong konnte bei diesem Antritt nicht folgen.
Wenn der HRK in Hälfte zwei gefährlich wurde, dann meist an den Kontaktpunkten. Jaco Otto bewies auch im Siebener, dass er für den Gegner in den Rucks ein ständiger Gefahrenherd ist. Ein von ihm herausgeholter Straftritt brachte dem HRK eine Gasse tief in der 22 der RGH. Dieser geriet schief, doch das folgende Gedränge gewann der HRK gegen den Einwurf und war nun nicht mehr zu stoppen. Nach drei Phasen war es Pierre Mathurin der aus kurzer Distanz für den Anschluss sorgte. Beim Stand von 7:12 drohte die Partie noch einmal eng zu werden.
Doch fast schon im Gegenzug war es wieder Robin Plümpe, der von einem schönen Zuspiel von Tim Lichtenberg profitierte und erneut auf Außen durch war. Das 19:7 kam einer Vorentscheidung gleich. Erst mit dem Schlusspfiff konnte Kehoma Brenner den 19:12 Endstand herstellen. Der Klub-Kapitän wurde einen Meter vor der Linie getacklet und reagierte clever, als er das Leder durch die Beine eines weiteren RGH-Spielers, der drauf und dran war den Ball zu klauen, zum Versuch ablegte.
Im zweiten Halbfinale bekam es der TV Pforzheim, der bis dahin ohne zwei seiner Simbabwe-Sprinter - Tafadzwa Chitokwindo und Morgan Vangue - nicht ähnlich überzeugend auftrat, wie die beiden anderen Top-Favoriten, mit Germania List zu tun. Den Listern wiederum war mit ihrem mit Siebener-Experten gespickten Kader - vor allem Jarrod Saul, Maurice Riege und die Brüder Niclas und Daniel Koch wären da zu nennen - gegen die Rhinos einiges zugetraut worden. Doch der TVP konnte im Halbfinale die wohl beste Turnierleistung bisher zeigen.
Zwei schnelle Versuche, bei denen Verbinder Matthew Bressons jeweils stark involviert war, brachten die Rhinos mit 12:0 in Front. Erst mit dem Schlusspfiff konnte der SCG erstmals die eigene spielerische Klasse andeuten: Ein wunderschöner Bodenroller-Kick fand auf Außen einen ungedeckten Germanen und schon stand es nur noch 7:12 aus Sicht der Hannoveraner. Die Entscheidung fiel in Durchgang zwei als Jarrod Saul vermeintlich zum Versuch durchgebrochen war, jedoch ganz außen die Linie berührt hatte und zurückgepfiffen war. Stattdessen gelang am anderen Ende der in diesem Turnier stärkste Pforzheimer - Supersprinter Manasah Sita - die Entscheidung zum 19:7. Als Verbinder Bressons noch mit einem Dropgoal nachlegte war der Drops für die bis dahin sehr souveränen Hannoveraner gelutscht.
Auch im Spiel um Platz drei hatte Germania dann nur noch wenig zuzusetzen. Sean Armstrong und der HRK gestalteten das Spiel recht einseitig und erst mit der letzten Aktion wurde das Ergebnis aus Sicht der Hannoveraner mit 10:26 ein wenig erträglicher. Doch dies wurde sowieso nur die Prelude zum großen Finale, in dem wie im Vorjahr die RG Heidelberg vom TV Pforzheim herausgefordert wurde. Entgegen der Erwartungen vieler Beobachter wurde es ein spannendes Endspiel.
Zwar ging der Favorit erwartungsgemäß früh in Front. Nach einer langen Sequenz tief in der TVP-22 verspielte Fabian Heimpel mit einem überflüssigen Dummy fast die Überzahl - aber nach geglückten Ball-Recycling bestand die Überzahl außen immer noch und Tim Lichtenberg konnte ablegen. Scheinbar fungierte dieser erste RGH-Versuch als Weckruf für die Goldstädter. Diese waren nun plötzlich am Drücker und konnten die RGH mit ihrem wenig kontaktlastigen Spiel die RGH in einen Nahkampf verwickeln. Doch bereits in Hälfte eins sollte Pforzheim dabei mehrere glasklare Chancen versieben - sei es wegen eines unnötigen Offloads, sei es wegen einfacher technischer Fehler - jeweils kurz vor der Linie schien den TVP sein Glück zu verlassen.
So kam der Außenseiter erst in Hälfte zwei zum verdienten Anschluss. Nach unzähligen Phasen war es Verbinder Bressons der aus kurzer Distanz nicht mehr zu stoppen war. Direkt im Anschluss hatte der Italo-Australier die Chance auf die Führung, spielte aber ein unpräzises Offload kurz vorm Mal. Wieder nahezu postwendend dann der Gegenschlag und Moment des Finales. Tief in der eigenen 22 erhält die RGH das Leder und entscheidet sich für einen gewagten Konter. Marvin Dieckmann schaffte es erst raus aus der 22 und bekam dann pünktlich den Support von Tim Lichtenberg, dem das Kunststück gelang Pforzheims Supersprinter Manasah Sita davonzulaufen.
Der RGH war damit endgültig der Knockout-Punch gelungen. Bis zum Ende verteidigten die Orange Hearts ihre Linie souverän und griffen nun ab und an auch zum langen Befreiungsschlag. Mit dem Schlusspfiff fiel der Jubel ein wenig bescheidener aus, viele RGH-Gesichter sprachen eher die Sprache der Erleichterung. Erst mit der Pokalübergabe brandete der Jubel der Männer in Orange erstmals wieder so richtig auf. Auf Pforzheimer Seite war die Enttäuschung groß: „Hier wäre deutlich mehr drin gewesen!“ War sich TVP-Coach John Willis sicher. Beim alten und neun Meister gab sich Fabian Heimpel erfreut und betonte auch welche Zugeständnisse die RGH aufgrund des Siebener-Programms machen müsse. Um so süßer sei der Moment des Sieges. Tatsächlich muss kein Verein derart viele Spieler abstellen und sie zum Siebener-Höhepunkt alle beieinander zu haben, ist dann natürlich ein schöner Moment für die RGH.
Den Zuschauern wurde auf dem SCN-Gelände ein Siebener-Turnier geboten, dass seit langem wieder einmal in Sollstärke stattgefunden hat. Zwar boykottieren auch einige größere Klubs aus den großen Städten des Nordens diese Veranstaltung weiterhin. Doch dafür war es erfreulich zu sehen, dass sich auch Vereine wie Tübingen und Bayreuth an die ganz großen Gegner ranwagen. Anderweitig hat sich gezeigt wie eng der Konkurrenzdruck mittlerweile geworden sind. Der äußerst Siebener-affine RK Heusenstamm wurde ohne seine drei Siebener-Cracks aus der Nationalmannschaft „nur“ Siebter. Köln wiederum konnte sich vom Neunten auf den sechsten Platz steigern, während die Hannoveraner Topklubs Germania und 78 die Plätze tauschten.
Es bleibt zu hoffen, dass sich mehr Vereine in Deutschland mit dem Thema Siebener beschäftigen werden. Es hilft nicht nur bei der Entwicklung schneller Hintermannschaftsspieler. Im Endeffet profitiert auch ganz Rugby-Deutschland davon. Das technische Niveau vieler Spieler steigt und das ist auch mit dem verstärkten Siebener-Engagement vieler Vereine zu erklären.
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