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Neuseeland-Lions vor der Entscheidung: „Die All Blacks werden Stacheldraht fressen!"
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Geschrieben von TotalRugby Team   
Mittwoch, 5. Juli 2017

Vorbereitung im malerischen Queenstown - die Lions vor dem Showdown in Spiel drei. Foto (c) B&I Lions Instagram
Vorbereitung im malerischen Queenstown - die Lions vor dem Showdown in Spiel drei. Foto (c) B&I Lions Instagram

So zumindest die Einschätzung der All-Blacks-Legende Sean Fitzpatrick, der seine These auch damit untermauert, dass im Training seit der Niederlage gegen die Lions in Spiel zwei bereits mehrere Raufereien ausgebrochen seien. Das völlige Kontrastprogramm zum All-Blacks-Camp nahe der größten Stadt des Landes und Spielort des dritten und entscheidenden Spiels - Auckland - gibt es etwa 1500 km südlich: In Queenstown, dem Vorbereitungsort der Lions, wo neben Training für die Touristen auch allerlei Programm abseits des Platzes auf dem Programm stand.

Nach dem Ausgleich in Spiel zwei der Lions-Series kommt es an diesem Samstag zu dem, was sich mit Ausnahme einiger Hardcore-All-Blacks-Anhänger wohl alle Rugby-Fans um den Globus gewünscht haben: Zu einer Entscheidung im dritten Spiel der Lions-Series. Die Sport-Gazetten in Großbritannien, Irland und Neuseeland kennen seit Wochen sowieso kein anderes Thema mehr und dieser Hype ist längst schon in andere Länder übergeschwappt. Selbst in Australien verfolgten mehr als doppelt so viele TV-Zuschauer die beiden Länderspiele des Erzrivalen gegen die Lions, wie das bei den bei den Heimspielen der heimischen Wallabies im letzten Monat der Fall war.

Für die Lions würde ein Sieg erst die zweite erfolgreiche Tour nach Neuseeland im 140. Jahr ihrer Existenz bedeuten. Nach der 1:2 Niederlage gegen die Springboks in Südafrika 2009 hatten viele Experten und ehemalige Spieler den Sinn dieser Touren im modernen Rugby in Frage gestellt - doch spätestens mit dem diesjährigen Spektakel und dem schier unendlichen Interesse der Öffentlichkeit ist die Lions-Tradition lebendiger denn je.

Und wie sieht die Vorbereitung der Lions-Spieler vor dem wohl wichtigsten Spiel ihrer gesamten Karriere aus? Bungee-Jumping, Speedboat-Fahren und Helikopter-Fliegen. Zugegeben, das ist ein wenig verkürzt, denn natürlich waren die besten Spieler der Home Nations am Montag ebenso auf dem Trainingsplatz zu finden. Doch Lions-Coach Warren Gatland setzt auf eine altbewährte Taktik - seinen Spielern dabei helfen den Kopf freizubekommen. Dafür ist Queenstown auf Neuseelands Südinsel der perfekte Ort - wohl keine andere Stadt in Aotearoa, wie die Maoris ihre Heimat am anderen Ende der Welt nennen, ist mit derartiger Schönheit gesegnet.

 

 

 

Vorbereitung der anderen Art: Toby Faletau mit dem 140-Meter-Sprung in die Tiefe



Die malerischen neuseeländischen Alpen, die den See Wakatipu umschließen, an dessen Ufer Queenstown liegt - der Ort der als die Outdoor-Hauptstadt Neuseelands bekannt. Bereits im Jahr 2013 vor dem erfolgreichen dritten Spiel gegen die Wallabies habe man, so Gatland gegenüber der verwunderten neuseeländischen Presse, mit diesem Rezept Erfolg gehabt. Doch der Ort Queenstown ruft bei Rugby-Fans auch noch andere Erinnerungen hervor. 2011 hatte England während der WM hier seine Basis. Ein Trink-Gelage der Männer um Kapitän Mike Tindall, der sich nur Monate nach seiner Vermählung mit der ältesten Enkelin der Queen beim Turteln mit wildfremden Frauen erwischen ließ, geriet völlig außer Kontrolle. England schied früh aus und bis heute gilt die Episode in Queenstown als eine der dunkelsten in Englands Rugby-Geschichte.

Derlei Eskapaden sind von den Lions heutzutage mit der zunehmenden Professionalisierung von Rugby-Spielern abseits des Feldes nicht mehr zu erwarten. Auch aufgrund der Tatsache, dass die Relevanz von Social Media seit 2011 noch weiter gestiegen ist und heutzutage niemand mehr ohne eine Handy-Kamera in eine Bar geht. Dennoch löste das lockere Programm der Lions einiges an Kopfschütteln aus.

Brian O'Driscoll, Kapitän der Lions auf ihrem letzten Trip nach Neuseeland, resümiert: "Man hätte schlauer mit dem lockeren Programm umgehen können, als das der Fall gewesen ist." Zumal einige Lions-Spieler auf ihren Instagram Accounts mit der einen oder anderen Flasche zu sehen gewesen waren. Das sei, so O'Driscoll, nicht unbedingt ein Problem - doch genau so etwas würde den Gegner noch umso mehr motivieren. All Blacks Flanker Jerome Kaino war sich dann auch gegenüber der Presse sicher: „Sie werden sicher ihren Spaß haben - Speedboat-Fahren in Queenstown klingt nicht schlecht - und wenn sie damit meinen das Beste aus ihren Spielern rauszubekommen, gut für sie - aber an ihrer Stelle würde ich lieber trainieren“ so der Weltmeister von 2011 und 2015 zum ungewöhnlichen Vorbereitungs-Programm der Lions.

Angesichts der schier unmöglichen Aufgabe die All Blacks zum zweiten Mal in Folge zu besiegen, scheint dieses Ablenkungs-Programm aber gar nicht Mal dermaßen abwegig. Dieses Kunststück war zuletzt den Franzosen 1995 gelungen, wobei deren Sieg im Eden Park der letzte eines Auswärts-Teams in den 22 Jahren und 38 Spielen seitdem in der Festung der All Blacks war. Doch auch in Neuseelands Festung werden die Lions sich auf die Unterstützung ihrer zehntausenden Fans verlassen können, die jeglichen Heimvorteil zumindest akkustisch egalisieren dürfte.

 

 

 

Überlegen zumindest auf den Rängen - Die Lions-Fans übertonen ihre Gastgeber

 

Nicht einfacher wird die Aufgabe für die Lions angesichts der Wetter-Prognose. Ein sonniger Samstag in Auckland und nur 10% Regenwahrscheinlichkeit werden das Spiel extrem schnell machen. Das wiederum dürfte, so sind sich die Experten einig, einzig und allein den Gastgebern zu Gute kommen.

Aber auch die All Blacks selbst müssen mit der ungewöhnlichen Situation zurechtkommen, eine Niederlage verarbeiten zu müssen und nur sieben Tage später direkt wieder bei 100% zu sein. Neben dem sowieso schon immensen Druck von der Öffentlichkeit in Neuseeland ist diese Situation auch für die Neuseeländer alles andere als gewöhnlich. Ob die angesprochenen Raufereien im Training nun ein Zeichen dafür ist, dass die All Blacks bereit für den Kampf sind, oder das Nervosität bei den All Blacks einzieht, ist schwer zu sagen.

Aber selbst für die selbst proklamierte beste Sport-Mannschaft der Welt wird Nervosität kein Fremdwort sein. Kapitän Kieran Read wird vor seinem 100. Spiel viel an der Psyche seiner Jungs arbeiten müssen. Jahrelang hatte er Zeit sich die Führungsqualutäten von Crusaders- und All Blacks Kapitän Richie McCaw abzuschauen. Jetzt muss die Nummer acht der Neuseeländer seiner Männer erstmals selbst in eine entscheidende Schlacht führen.

Neuseeland-Coach Steve Hansen musste zudem noch an seiner Aufstellung werkeln. Nachdem Israel Dagg unter den vielen Kicks der Lions nicht immer den sichersten Eindruck gemacht hatte, rutscht er auf Außen und ersetzt den angeschlagenen Waisaki Naholo. Die andere Außen-Position muss Rieko Ioane räumen - er wird durch den deutlich erfahreneren und vor allem physisch stärkeren Julien Savea ersetzt, der allerdings nicht dermaßen viel Speed zu bieten hat. Neu ins Team rückt Jordie Barrett, der Bruder von Verbinder Beauden. 

Im Mittelfeld wurde nach Sonny Bill Williams Sperre und der Nachricht, dass Crusaders-Innen Ryan Crotty nicht rechtzeitig fit wird, ein alter Bekannter nachnominiert -  Malakai Fekitoa. Der explosive Innen von den Highlanders wird aber auf der Bank starten. Ihm vorgezogen wurden Anton Lienert-Brown und Ngani Laumape. Beide zählen mit einem bzw. zwölf Länderspielen auf ihrem Konto zu den unerfahrensten Spielern im Team, aber speziell Laumape konnte in Wellington nach seiner Einwechslung seine Power unter Beweis stellen. Lions-Innen Owen Farrell dürfte, so denn er seinen Platz behält, alle Hände voll zu tun haben. Auch Jordie Barrett auf Schluss spielt erst seine zweite Partie im magischen Schwarz der All Blacks. Normalerweise präferiert Hansen meist die Erfahrung vor der jugendlichen Unbekümmertheit, doch die Personalsituation ist dieses Mal auch für die All Blacks alles andere als optimal.

Bei den Lions erfolgte die Verkündung spät am gestrigen Abend deutscher Zeit. Als ein absoluter Wackelkandidat unter den Startern aus Wellington galt Mako Vunipola, der allein vier Straftritte verursachte und mit seiner gelben Karte seine Mannschaft in Bedrängnis brachte. Ebenso war über die Fitness vom bisher überragend aufspielenden Schluss Liam Williams spekuliert worden. Doch Warren Gatland entschied sich zur Überraschung vieler Beobachter für die exakt gleiche Aufstellung, wie im zweiten Spiel der Serie. Das hatte es bei den Lions seit 1993 nicht mehr gegeben. Gatland gab seinen Männern gleich seine Botschaft für die 80 Minuten am Samstag mit: "Es ist ihre Chance Geschichte zu schreiben!"

 

 

 

Die Lions haben eine Mammutaufgabe vor sich: Nach 23 Jahren als erste Auswärtsmannschaft die Festung Eden Park zu erobern

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